Es war einmal eine sehr alte Frau, die drei Töchter besaß. Da sie aber sehr arm war, konnte sie ihnen nicht immer genug zu essen geben, und die drei Mädchen waren oft sehr hungrig. Einmal besprachen sie sich über ihre Armut, und dann suchten sie die Mutter auf und sagten: "Mutter, jetzt pflücken die Nachbarn ihre Saubohnen. Warum pflücken wir nicht auch die unsrigen?" Sie hatten aber keine Saubohnen ausgesät, und darum hatten sie keine zu pflücken. Wie nun wieder die Zeit der Aussaat kam, überredeten sie die Mutter, doch auch ein Feld mit Saubohnen zu bestellen. Die Mutter füllte denn auch einen Sack halb voll mit dürren Saubohnen und ging hinaus auf den Acker, um zu säen. Da sie sich aber schwach fühlte und hungrig war, beschloß sie, erst ein wenig zu essen; deshalb schälte sie einige Saubohnen und aß sie auf. Doch sie war noch immer hungrig und aß immer mehr; aber je mehr sie aß, desto seltsamer fühlte sie sich, und ein großer Heißhunger stieg in ihr auf, der sie nicht satt werden ließ. Da aß sie alle Saubohnen und säte dann die leeren Hülsen auf das Brachfeld. Die Kinder aber freuten sich auf die Saubohnen, und als dann die Zeit der Ernte kam, sagten sie zur Mutter: "Mutter, warum pflücken wir unsere Bohnen nicht? Sie müssen doch reif sein, da unsre Nachbarn schon fast alle eingeheimst haben."
Wie sie nun nicht aufhörten, die Mutter mit Bitten zu bestürmen, führte diese sie hinaus auf das Feld, in das sie die zerbissenen Hülsen gesät hatte. Das Feld lag brach da, und keine Saubohnenpflanze zeigte sich. Da sich aber in der Nähe ein bepflanztes Feld befand, so ließ sie die Mädchen von dort Saubohnen abpflücken; sie füllten ihre Tragkörbe damit voll und gingen dann eiligst heim. Das Feld aber gehörte einer Zauberin, die sehr gern Menschenfleisch aß. Sie ging nun bald einmal hinauf auf ihr Bohnenfeld und fand, daß viele Pflanzen keine Früchte mehr trugen. ‚Das müssen Diebe sein!' sagte sie bei sich und beschloß zu wachen. Wie sie nun Wache stand, kamen die drei Mädchen und begannen Saubohnen zu pflücken, weil sie die Alte noch nicht gesehen hatten. Sie waren bei der besten Arbeit, da trat die Alte plötzlich aus dem Versteck hervor. Die Mädchen erschraken und flohen davon. Da die Kleinste aber hinkte, konnte sie nicht mit den Schwestern Schritt halten; sie blieb eine Strecke zurück und versteckte sich hinter einem großen Stein. Die Alte aber suchte - suche und bring jemanden, der sucht! - und rief dabei: "Hier, da, da!", und dabei wendete sie einen Stein nach dem andern um, fand aber nichts. Das Mädchen antwortete: "Haha, haha, hai!" Da suchte die Zauberin wieder nach, wendete wieder die Steine um und rief: "Hier, da, da!" Wieder war ihr Suchen vergeblich. Das Mädchen aber schrie: "Haha, haha, hai!" Da ärgerte sich die Alte und lief auf den großen Stein zu und rief: "Hier, da, da!" Das Mädchen antwortete: "Haha, haha, hai!" Jetzt fand die Alte das Mädchen und sprach: "Was tust du hier, du Verwüsterin meines Saubohnenfeldes?" - "Ich konnte meinen Schwestern nicht gut folgen, weil mein Fuß halb lahm ist." - "Gut! Komm mit in mein Haus. Ich will dich füttern." Das Mädchen war es zufrieden und ließ sich mitnehmen. Die Alte war aber eine Bäckerin und buk den Leuten Brot.
Zu Hause sperrte die Alte das Mädchen nun in einen hölzernen Käfig und deckte über diesen die Backschüssel. Mit dem Mädchen waren aber zugleich ein Hund und eine Katze in den Käfig gekrochen, ohne daß die Zauberin es gemerkt hätte. Nun fütterte sie das Mädchen so gut, daß es nie mehr Hunger hatte, sondern das Essen meistens gar nicht aufzehren konnte; daß es da ziemlich fett und dick wurde, ist natürlich. Täglich trat die Zauberin an den Käfig und befahl. "Reich mir deine Hand, damit ich deinen Finger befühle und sehe, ob du schon Fett angesetzt hast." Die Kleine reichte ihr dann aber immer entweder einen Fuß des Hundes oder der Katze. Und manchmal streckte es ihr auch nur eine Zehe hinaus, oder was ihr sonst in die Hand kam. So ging es lange Zeit. Doch eines Tages entkamen die Tiere aus dem Käfig. Nun mußte das Mädchen ihre Finger zeigen, da sie nichts anderes da hatte. Nun wurde die Alte sehr froh und rief: "Bisher waren deine Finger immer dürr wie die Stengel der Saubohnen. Aber jetzt sind sie schön fett, und dein Körper wird wohl auch schön rundlich sein. Geschwind, steig aus dem Käfig!" Da stieg das Mädchen heraus. Die Alte befühlte der Kleinen den ganzen Körper und heute sich sehr und rief dann: "Geschwind, geh hin zur Nachbarin und bitte sie um die Schuppe, da ich dich das Backen lehren will."
Das Mädchen lief schnell hinüber und sagte der Nachbarin, die die Zauberin gut kannte, ihren Auftrag, und da jene ein gutes Herz hatte, sprach sie zur Kleinen: "Die, die dich füttert, macht es so mit allen Mädchen; aber anstatt sie anzulernen, läßt sie die armen Dinger auf die Schuppe treten und schleudert sie dann in den Backofen, um sich einen guten Braten zu bereiten." Das Mädchen wurde sehr traurig; aber die gute Nachbarin tröstete sie, so gut sie konnte, und sprach: "Du kannst dich retten, wenn du nämlich meinen Rat befolgst. Sobald sie dich auf die Schuppe treten läßt, sprich: ‚Ach, mit der Schuppe lerne ich doch nichts! Von hier aus kann ich ja nicht einmal in den Ofen hineinsehen! Bitte, mach du es mir einmal vor!' Und wenn sie dann auf der Schuppe steht - ich gebe dir die größte, die ich habe -, wirfst du sie in den Glutofen und bäckst sie braun, die Hexe." Das Mädchen ging wieder zur Alten, übergab ihr die Schaufel und weigerte sich hernach, auf sie zu treten. Aber die Alte ließ nicht nach und forderte sie immer wieder dazu auf. Zuletzt bat das Mädchen die Alte, sie möge ihr doch einmal zeigen, wie die Sache anzustellen sei. Aber die Alte wollte nicht und weigerte sich beständig. Aber zuletzt stieg sie doch auf die Schuppe, und als sie es der Kleinen vormachte, was sie tun solle, und sich gerade vornüber bog, versetzte die Kleine ihr einen Stoß, daß jene in den Ofen flog. Dann warf sie sich mit aller Kraft auf die Ofentür und schloß die Alte ein in die Gluten des Ofens. Dann vermauerte sie die Tür auch noch und verließ das Haus.
Draußen suchte sie schnell die Stricke zusammen, die zum Herausholen des Brunneneimers gebraucht wurden, und auch die Eimer und die Öllampen. Darauf versteckte sie diese Dinge und machte sich daran, ihr Haar weiß zu färben, ihrem Gesicht braune Falten und Runzeln zu geben und ihrem Rücken einen großen Höcker aufzusetzen. Dann kauerte sie sich in eine Ecke und erwartete den Mann der alten Hexe. Als es schon dunkelte, kam er heim. In der Stube war es finster, und das Mädchen rief mit der rauhen Stimme der immer brummigen Alten: "Da, sieh nur, was dieses dumme Mädchen mir heute zu schaffen gemacht hat. Es kam ihr in den Sinn, alle unsre Sachen bis auf die Tische und Stühle in den tiefen Brunnen zu werfen. Nun sind wir hier im Dunkeln und können kein Licht anzünden! Aber ich habe mich gerächt und habe sie verbrannt. Heute sollst du gutes, feines Essen haben!" Da freute sich der nach Menschenfleisch lüsterne Alte und rief: "Gut! Bring aber nur schnellstens das zarteste Stückchen von deiner Gemästeten." Da lief das Mädchen hinaus, öffnete die Ofentür, schnitt einen Teil von der gebratenen Hexe herunter und setzte es dem Alten vor. Der Alte fragte: "Frau, warum ißt du nicht mit?" Die schlaue Kleine antwortete: "Ach, ich habe wirklich keinen Hunger, da ich schon Kapern mit Öl und Brot gegessen habe. Iß du nur ruhig: so einen Braten gibt es nicht oft."
Bald war der Magen des Alten übervoll geladen, und da sich jetzt der Durst in ihm regte, wollte er trinken; aber der Wassereimer war nicht zu finden. Da aber der Durst des Alten immer mächtiger wurde, fing der Unhold an zu fluchen und zu schreien. Da kamen sie denn überein, daß das Mädchen - er dachte, es wäre seine Frau - ihn an seiner Schärpe in den Brunnen hinunterlassen sollte. Nachdem er unten angekommen war, rief das Mädchen: "Hast du getrunken?" Er sagte laut: "Ja." Sie, die Boshafte, lachte hierauf und sprach: "Sag: ‚Appa!' -"Dummheit!" rief der Mann. "Ich werde eben nicht ‚Appa' sagen. Zieh mich sofort hinauf!" Aber da wurde das Mädchen immer lustiger und lachte und schrie in einem fort: "So sag doch nur: ‚Appa!' Sonst bleibst du unten. Sag: ‚Appa!'" Zornig schrie er nun: "Appa!" Aber da erwiderte die Schlaue: "Appa! Der Strick rutscht ab da!" Und mit diesen Worten warf sie ihm seine Schärpe hinunter und eilte fort.