Nun drehte der wunderliche Alte seinen Schellenschirm wieder klingend im Kreis und machte ihn dann plötzlich vor den Augen Gackeleia's zu, der das Herz flog vor Begierde nach der Puppe und all den schönen Kleinigkeiten.--"Ach die Puppe, die Puppe, ach die schönen Kleider", sagte sie einmal über das andremal, "ach dürfte ich sie nur ein bischen haben, nur ein klein bischen! bitte, bitte, bitte!"
"Halten Sie ein Comteßchen," sagte der Alte: "halten Sie ein, es wird mir so rührend, mein Herz läuft mir aus; ich kann das Lamentiren nicht hören von einem so artigen Frauenzimmerchen; wollen Sie mir eine kleine Freundschaft erweisen, nur ein bischen, ein bischen, so sollen sie die Puppe und die schönen Kleidchen haben für immer, für immer! bitte, bitte, bitte!"
"Die Puppe haben?" sagte Gackeleia mit großem Schmerz und rang die Händchen, "ach edler Mann! Gackeleia darf keine Puppe haben, nie, nie! Gackeleia hat Schurrimurri zu Gallina geführt, Gallina ward erwürgt, und Gackeleia ward verurtheilt: nie, nie eine Puppe haben zu dürfen--ach und ich hätte diese so gern! ach nur ein bischen, ein bischen, bitte, bitte!"
Während Gackeleia so wehklagte, machte der Alte seinen Schirm bald halb auf, bald wieder zu, so daß alle die schönen Kleidchen immer vor den Augen des Kindes herumflatterten, und sagte dann: "ein grausames Urtheil, ein hartes Wort, da müßte sich ein Stein erbarmen, wider die Natur, wider die Menschheit, wider alle Sinnlichkeit für religiöse Gefühle! ein Kind, ein so schönes, liebes Comteßchen soll keine Puppe haben?--hat doch jed Hündchen sein Knöchelchen, hat doch jed Kätzchen sein Mäuschen, womit es spielt!"--"Schweig still, schweig still", sagte Gackeleia, "sag nichts von den Kätzchen, ach die Kätzchen sind eben daran Schuld, daß ich keine Puppe haben darf!--aber es geht nicht, es geht nicht, ich hätte diese doch gar zu gern, ach nur ein Bischen, bitte, bitte!" Da fieng Gackeleia an zu weinen, und der gefühlvolle Alte, der unter einem rauhen Aeußern ein zartes kindliches Herz im Busen zu tragen hatte, weinte, oder ich müßte mich sehr irren, mit.
"Comteßchen", sagte er, "ich halte das Mitleid nicht länger aus, mir wird wie der große Dichter in der Poesie sagt:
Liebes Kind! was soll mir das?
Wein' nicht so, du wirst ganz naß,
Ich muß lachend dir gestehen,
Gleich werd' ich dich trocken sehn."
"Comteßchen, wischen Sie sich die Augen, putzen Sie sich die Augen, putzen Sie sich das Näschen an die Schürze, aber an der innern Seite, damit man's nicht sieht; Heimlichkeit, Verborgenheit sitzt ganz still und kömmt doch weit. Jetzt geben Sie acht: verbietet uns der Herr Doctor das Bier, so trinken wir Gerstensaft, die Aepfel, essen wir süße Pomeranzen, das Brod, essen wir Kuchen--verstehen Sie Comteßchen, jed Ding will sein Sach haben, man muß dem Beil einen Stiel suchen und dem Kind ein Püppchen."-"Ach! ich darf aber keine haben", jammerte Gackeleia, "gewiß, gewiß, ich darf keine Puppe haben"!--"Ganz gut", sagte der Alte, "bei Leibe nicht! Gehorsam muß seyn, aber können das Comteßchen lesen? schauen Sie da oben auf die Inschrift über meinem chinesischen Sonnenschirm, was steht da geschrieben? denn man muß immer sehen, was geschrieben steht." Da fieng Gackeleia an zu buchstabiren: k. e. i. kei, n. e. ne keine u.s.w.--keine Puppe, sondern nur eine schöne Kunstfigur--und sie guckte den Mann und dann wieder die Puppe in seinem Gürtel mit großen Augen an und sprach: "wie, das wäre keine Puppe? keine Puppe?"