In einem Küstenort lebte einst ein Mann mit seiner Frau. Sie hatten zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Als diese Kinder so groß waren, daß der Knabe schon die Strandblöcke umwälzen konnte, verliebte er sich in seine Schwester. Die Schwester schwamm schließlich, um den Knaben, der sie immer belästigte, los zu werden, weg bis in den Himmel und wurde der Mond. Der Knabe, der sie immer verfolgte, wurde die Sonne und manchmal umarmt und verdeckt er sie und verursacht so eine Mondfinsternis.
Nachdem seine Kinder nun weg waren, wurde der Vater sehr traurig und haßte sein Geschlecht; erging herum, Krankheit und Tod unter den Menschen verbreitend. Die Opfer der Krankheiten wurden seine Nahrung und davon wurde er so böse, daß er, wenn sein Verlangen auf diese Weise nicht mehr gestillt wurde, auch Leute tötete und verzehrte, die ganz gesund waren.
Aus Furcht vor ihm trugen die Menschen ihre Toten vor das Dorf hinaus, damit er sich ernähren möge, ohne die Lebenden zu belästigen. Sooft einer dorthin kam, waren die Leichen über Nacht verschwunden. Schließlich wurde er so gräßlich, daß die mächtigsten Zauberer zusammenkamen, ihn mit Hilfe ihrer Zauberkräfte fesselten, ihm Hände und Füße zusammenbanden, so daß er keinen weiteren Unfug stiften konnte.
Und obwohl er gefesselt war und sich nicht bewegen konnte, hatte er doch noch immer die Kraft Krankheit zu verbreiten und die Menschen unglücklich zu machen.
Um böse Geister am Wandern zu hindern und daran, aus böser Absicht sich toter Körper zu bemächtigen und sie so scheinbar zu beseelen und eingedenk der Fesselung dieses einen Bösen, werden seither die Toten nicht mehr ausgestreckt, sondern mit Hand und Fuß, in der gleichen Stellung wie der Böse, gefesselt und so in die Grabkästen gelegt.
Quelle: Eskimomärchen, übersetzt von Paul Sock, Berlin o. J. [1921], Nr. 8, S. 36.
aus: E. W. Nelson: The Eskimo about Beringstrait (Annual Report of American Ethnology, Vol XVIII/1, Washington 1896/97.