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德语长篇小说(安徒生):O. Z. 奥·特-16

时间:2013-03-16来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 安徒生
Zwar ist's schön im fremden Lande,
Doch zur Heimat wird es nie! –
 
Möcht' die Berge wiedersehen,
Und die lautern Gletscher d'ran –
 
Möcht' die Glocken wieder hören.
Wenn der Hirt zu Berge treibt.
 
Schweizers Heimweh.
 
Erst nach dem Frühstück ging der Pfarrer zu Otto's eigenen Angelegenheiten über. Das Testament des Großvaters setzte denselben zum einzigen Erben des bedeutenden Vermögens ein. Ein Kopenhagener, der Comptoirchef Berger, sollte, da der Pfarrer die Annahme dieses Ehrenamtes abgelehnt hatte, Curator sein. Rosalie war nicht vergessen, ihre Anhänglichkeit und Treue hätte nicht größer sein können, wenn sie eine Verwandte des Hauses gewesen wäre. Deshalb sollte sie in ihren letzten Tagen nicht noch Sorgen kennen lernen, nachdem sie unablässig bemüht gewesen war, alle Sorgen von dem Verstorbenen fern zu halten. Ein sorgenfreies Alter wartete ihrer, welches Otto aber auch in ein glückliches zu verwandeln wünschte. Den Plan, den er sich entworfen hatte, theilte er dem Pfarrer mit; dieser schüttelte jedoch den Kopf dazu, hielt ihn für unausführbar und betrachtete ihn als einen Einfall, eine bloße Grille. Das war er aber keineswegs. Einige Tage verstrichen. Eines Nachmittags saß Rosalie auf der kleinen hölzernen Bank unter den Kirschbäumen und nähete an dem Trauerkleide, welches sie im nächsten Winter tragen wollte.
»Es ist der letzte Sommer, in dem wir hier sitzen können,« begann sie, »der letzte Sommer, in dem wir hier unsere Heimat haben! Ich war mit dieser Stätte gleichsam verwachsen. Es thut mir weh, von ihr scheiden zu müssen!«
»Du hast auch deine liebe Schweiz verlassen müssen,« entgegnete Otto. »Das muß dir schwerer vorgekommen sein!«
»Damals war ich noch jung!« erwiderte sie. »Der junge Baum läßt sich leicht verpflanzen, aber der alte hat tiefere Wurzeln geschlagen. Dänemark ist ein gutes Land, ein schönes Land!«
»Nur nicht die Westküste Jütlands!« rief Otto. »Statt deiner grünen Alpenweiden hast du hier Haidekraut, statt deiner Berge niedrige Sanddünen!«
»Auf dem Juragebirge gibt es auch Haidekraut,« versetzte Rosalie. »Das hiesige Haidekraut mahnt mich oft an meine Heimat im Jura. Dort ist es ebenfalls kalt, schon im August kann dort Schnee fallen. Oft stehen die Tannenwälder dann schon wie überpudert da!«
»Ich liebe die Schweiz, obwol ich sie nie gesehen habe. Deine Erzählung hat mir ein Bild der malerischen Größe gegeben, die dieses Bergland besitzt. Ich habe einen Plan, Rosalie. Es ist mir bekannt, daß in dem Herzen des Bergbewohners das Heimweh nie erstirbt. Ich entsinne mich, wie stets dein Auge funkelte, so oft du von der Wanderung nach Le Locle und Neufchatel erzähltest; schon als Knabe war es mir, als ob ich die leichte Bergesluft bei deinen Worten fühlte. Ich fuhr mit dir auf der schwindelnden Höhe, von der aus gesehen die Wälder unter uns wie Kartoffelfelder dalagen; was von unten wie der Rauch aus dem Meiler eines Kohlenbrenners emporstieg, bildete in der Luft eine Wolke! Ich sah die Alpenkette wie schwimmende Wolkenberge, unten Nebel, oben finstere Gestalten mit weithin leuchtenden Gletschern!«
»Ja, Otto!« sagte Rosalie, und ein jugendliches Feuer funkelte aus ihren Augen, »den Eindruck bringt die Alpenkette hervor, wenn man von Le Locle nach Neufchatel hinabfährt. So erblickte ich sie, als ich das letzte Mal vom Jura hinabstieg. Es war im August. Gelb und roth standen die Laubbäume zwischen den dunkeln Tannen. Berberitzen und Hagebutten wuchsen zwischen den großen Farrenkräutern. Im schönen Sonnenglanze lagen die Alpen da, ihr Fuß war himmelblau und die Gipfel schimmerten schneeweiß. Wehmuth füllte mein Herz, schied ich doch von meinen Bergen! Ja, ich bin auch einmal jung gewesen, Otto!« sagte sie und lächelte wehmüthig. »Der Neufchateller See tief unter mir war spiegelglatt; ein kleines Boot mit weißen Segeln glitt wie ein Schwan über die Oberfläche. An dem Wege, auf welchem wir fuhren, fällten die Bauern Kastanienbäume. Die Weinreben hingen voll großer blauer Trauben. Wie ein solcher Eindruck in der Seele zu haften vermag! Fünfunddreißig Jahre sind seitdem verflossen, und noch immer sehe ich das Boot mit den weißen Segeln, die hohen Alpen und die dunkelblauen Trauben!«
»Du sollst deine Schweiz wiedersehen, Rosalie!« rief Otto, »sollst den Kuhreigen hören auf den grünen Matten! Du sollst wieder nach der Kapelle in der Franche Comté wallen, deine Freunde bei Le Locle besuchen, die unterirdische Mühle und den Doubfall sehen!«
»Das Mühlrad geht noch, das Wasser stürzt noch hernieder wie in meiner Jugend; aber die Freunde sind verschwunden, meine Familie ist zerstreut! Als eine Fremde würde ich zurückkehren, und wenn man erst in meinem Alter ist, kann Einem die Natur nicht genügen, man will auch Menschen haben!«
»Wie du weißt, Rosalie, hat dir der Großvater eine lebenslängliche Pension ausgesetzt. Ich hatte mir nun gedacht, du könntest deine letzten Tage bei deinen Lieben in der Heimat, in der schönen Schweiz zubringen. Im October lege ich mein philosophicum ab und hatte mir vorgenommen, dich dann im nächsten Sommer zu begleiten. Auch ich muß dieses herrliche Gebirgsland sehen, muß von der Welt ein wenig mehr kennen lernen, als mir bisher möglich war. – Ich weiß, wie du mit deinen Gedanken noch immer in der Schweiz lebest und webest; zu ihr will ich dich zurückführen! Dort wirst du weniger vereinsamt sein, als hier in Dänemark!«
»Du nimmst in deinen Gedanken den Flug der Jugend, wie du sollst und mußt, du theure liebe Seele!« sagte sie lächelnd. »In meinem Alter geht es nicht so leicht!«
»Wir machen nur kurze Tagereisen,« wandte Otto ein, »gehen mit dem Dampfschiffe den Rhein hinauf, was mit keinen Beschwerden verbunden ist, und von Basel kann man die Franche Comté im Jura leicht erreichen.«
»Nein, auf der Haide, an dem Ufer der Nordsee,« erwiderte sie, »will die alte Rosalie sterben. Hier fühle ich mich jetzt heimisch, hier habe ich doch wenigstens einige Freunde. Die Familie in Lemvig hat mich eingeladen; bei ihr finde ich einen Platz am Tische, ein Kämmerlein und freundliche Gesichter. Die Schweiz würde mir doch nicht mehr die Schweiz sein, die ich verließ. Wol würde ich die Natur wie eine alte Bekannte begrüßen; wie Musik würde mir das Glockengeläut der Kühe vorkommen; mit tiefer Rührung würde es mich erfüllen, in der stillen Bergkapelle zu knien; aber ich würde mich dort bald fremder fühlen als hier. Vor fünfzehn Jahren wäre es etwas Anderes gewesen; damals lebte meine Schwester noch, die fromme Adele; sie wohnte, wie du weißt, mit meinem Onkel dicht an der Neufchateller Grenze, kaum weiter als eine Viertelstunde von Le Locle entfernt, von der Stadt, wie wir sie nur zu nennen pflegten, weil sie unter sämmtlichen Flecken der Nachbarschaft die größte war. Jetzt leben nur noch einige weitläuftige Verwandte von mir, die mich längst vergessen haben. Dort bin ich eine Fremde. Dänemark gab mir Brod und wird mir auch ein Grab nicht verweigern!«
»Ich dachte dir dadurch eine Freude zu bereiten!« sagte Otto.
»Das thust du durch deine Liebe zu mir!« erwiderte sie.
»Ich dachte, du solltest mir selbst deine Berge zeigen, deine Heimat, von der du so häufig redetest!«
»Das bin ich noch im Stande. Ich entsinne mich jedes Plätzchens, jedes Baumes, alles habe ich noch mit völliger Klarheit in meiner Erinnerung bewahrt. Jetzt fahren wir das Gebirge hinan, höher und immer höher. Hier gibt es keine Weinberge mehr, keinen Mais noch Kastanien, nur dunkle Tannen, hohe Felsen, hier und da eine einzelne Buche, grün und mächtig wie in Dänemark. Nun ist der Wald verschwunden, Tausende von Metern stehen wir über dem Meeresspiegel. Der frische Luftzug verräth es dir! Ringsumher grüne Wiesen; von allen Seiten klingt das Geläute der Kuhglocken zu uns herüber. Noch gewahrst du nichts von der Stadt, und doch haben wir Le Locle fast erreicht. Mit einem Male macht der Weg eine Biegung, und nun sehen wir mitten auf der Bergfläche ein kleines Thal. In ihm liegt die Stadt mit ihren rothen Dächern, ihren Kirchen und ihren großen Gärten! Dicht vor den Fenstern erhebt sich der Bergabhang, mit Gras und Blumen dicht bewachsen; es macht den Eindruck, als müßte das Vieh auf die Häuser hinabstürzen. Wir schreiten durch die lange Straße an der Kirche vorüber; die Bewohner sind Protestanten. Es ist eine ganze Uhrmacherstadt. Mein Onkel und Adele saßen auch den ganzen Tag und arbeiteten an Rädern und Ketten. Ihr Brodherr war Monsieur Houriet in Le Locle. Seine Töchter kenne ich. Die eine heißt Rosalie, wie ich. Rosalie und Lydia, sie haben mich gewiß vergessen! Doch es ist ja wahr, wir befinden uns auf der Reise! Siehst du, am Ende der Stadt gehen wir nicht der breiten Landstraße nach, die nach Besançon führt, sondern bleiben auf dem kleineren Wege, hier im Thale, in welchem die Stadt liegt. Das hübsche Thal! Den grünen Bergabhang behalten wir zur Rechten; hoch hinauf an demselben liegen weit und breit Häuser mit großen Steinen auf den schrägen Holzdächern und kleine Obstgärten, die namentlich Pflaumenbäume enthalten. Schroffe Felsenwände schließen das Thal ein; dort öffnet sich eine Felsenspalte; erkletterst du sie, so blickst du gerade nach Frankreich hinein und überschaust eine Ebene, die flach wie das dänische Land ist. Im Thale, durch welches wir wandern, dicht neben der erwähnten Kluft, liegt ein Häuschen, o, ich sehe es so deutlich! weißgetüncht und mit blauangestrichenen Fensterrahmen; am Thore liegt ein großer Kettenhund. Ich höre ihn bellen! Wir treten in das stille freundliche Häuschen ein. Auf dem Fußboden spielen die Kinder. O, mein kleiner Henry Numa Robert! Ach, es ist ja wahr, nun ist er größer und älter als du. Wir steigen eine Treppe zum Keller hinab. Hier stehen Säcke und Kisten mit Mehl. Ein eigentümliches Brausen schallt unter dem Fußboden hervor. Noch einige Stufen hinab und wir müssen die Lampe anzünden, denn Dunkelheit umgibt uns. Wir stehen nun in einer großen Wassermühle, einer unterirdischen Mühle. Tief unter der Erde braust ein Fluß; oberhalb läßt sich Niemand etwas davon träumen; mehrere Faden tief stürzt das Wasser über die Räder hinab, die rauschen und klappern, als ob sie unsere Kleider ergreifen und uns in ihren Wirbel hinziehen wollten. Die Stufen, auf denen wir stehen, sind ausgetreten und schlüpfrig; aus den Wänden trieft Wasser hervor, und dicht vor uns scheint eine bodenlose Tiefe zu gähnen! O du würdest diese Mühle eben so lieb gewinnen, wie ich sie immer gehabt habe. Draußen unter freiem Himmel gewahrt man nur das stille freundliche Häuschen. Weißt du wol, Otto, oft, wenn du still und träumerisch, ruhig wie eine Bildsäule dasaßest, dachte ich an meine Mühle, an ihre scheinbare Ruhe, während doch wild der Strom in ihrem Innern brauste, die Räder klapperten und Finsterniß über der Tiefe lagerte!«
»Wir nehmen Abschied von der Mühle!« sagte Otto und suchte sie von ihren Betrachtungen auf die eigentliche Erzählung zurückzuführen. »Wir wandern durch den Wald, in dem das Abendgeläute von der Kapelle in der Franche Comté zu uns herübertönt!«
»In ihm steht meines Vaters Haus!« fuhr Rosalie fort. »Vom Eckfenster aus blickt man über den Wald bis nach Aubernez, [Fußnote] woselbst die Brücke über den Doubs führt. Die Sonne spiegelt sich im Flusse, der sich tief unten silberhell dahinschlängelt.«
»Und ganz Frankreich breitet sich nun vor uns aus!« fügte Otto hinzu.
»Wie schön! Wie schön!« rief Rosalie, und ihre Augen flammten, indem sie vor sich hinschaute. Aber bald wurde ihr Blick wieder wehmüthig, sie drückte Otto die Hand und sagte: »Niemand würde mich in meiner Heimat willkommen heißen! Ich kenne ihre Freuden und Leiden nicht, und sie nicht die meinigen! In Dänemark habe ich jetzt meine Heimat. Wälzt sich der kalte Nebel vom Meere heran und lagert sich über die Haide, so bilde ich mir oft ein, wieder auf meinen Bergen zu wohnen, auf denen das Haidekraut wächst. Der Nebel kommt mir dann wie eine Schneewolke vor, die die Bergesgipfel umhüllt, und wenn Andere über schlechtes Wetter klagen, weile ich dann gerade auf meinen Bergen in den Wolken.«
»Du willst also durchaus zu der Familie in Lemvig ziehen?« fragte Otto.

»Dort,« erwiderte sie, »bin ich willkommen!« 

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