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Viertes Kapitel Iffi und Kurt

时间:2020-08-25来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Kurt

Als die kleine Maja am anderen Morgen im Kelch einer blauen Glockenblume erwachte, hörte sie, daß die Luft von einem feinen leisen Rauschen erfüllt war, und sie spürte, daß die Blume sich bewegte, als bekäme sie heimlich kleine Stöße. Durch ihren geöffneten Kelch zog ein feuchter Geruch von Gras und Erde, und es war sehr kühl.

 

Maja nahm ängstlich ein wenig Blütenstaub von den gelben Staubgefäßen der Blume, machte dann sorgfältig Morgentoilette und wagte sich vorsichtig Schritt für Schritt bis an den äußersten Rand des hängenden Kelches. Da sah sie, daß es regnete. Ein feiner kühler Regen ging mit leisem Rauschen nieder und bedeckte alles umher mit Millionen heller Silberperlen. Sie lagen auf den Blättern und Blumen, rollten im Gras die schmalen grünen Wege der Halme nieder und erfrischten den braunen Erdboden.

 

Maja sah mit großem Erstaunen und voll tiefer Verwunderung diese Veränderung der Welt, es war der erste Regen, den sie in ihrem jungen Dasein erlebte. Aber obgleich es ihr wohl gefiel und sie beglückte, stellte sich doch eine leichte Besorgnis bei ihr ein, denn sie erinnerte sich der Warnung Kassandras, niemals im Regen auszufliegen. Sie begriff, daß es schwer sein mußte, die Flügel im Tropfenfall zu bewegen, auch tat ihr die Kälte weh, und sie vermißte den ruhigen goldenen Sonnenschein, der die ganze Erde heiter und sorglos stimmte.

 

Es mußte noch sehr früh sein, denn das Leben im Gras unter ihr nahm erst seinen Anfang. Unter ihrer blauen Glocke war sie wohlgeborgen und konnte den erwachenden Verkehr unter sich prächtig beobachten. Darüber vergaß sie für eine Weile ihren Kummer und das Heimweh, das sich in ihrem Herzen einstellte. Es war gar zu unterhaltend, so von einem sicheren Versteck aus, von oben her, auf das Leben und Treiben der Grasbewohner herabzuschaun. Aber allmählich zog es ihre Gedanken doch nach ihrer verlassenen Heimat, nach dem Schutz und der starken Gemeinschaft des Bienenstocks. Dort saßen sie nun beieinander, des Ruhetags froh, bauten vielleicht hier und da ein wenig an den Zellen, oder fütterten die kleinen Maden. Aber im allgemeinen war es recht ruhig und beschaulich im Stock an Regentagen. Nur zuweilen flogen Kundschafter aus, sahen nach dem Stand des Wetters und erforschten, von welcher Seite der Wind kam. Die Königin ging im Reiche umher, von Etage zu Etage, prüfte alles, lobte oder tadelte, legte wohl hin und wieder ein Ei und beglückte alle durch ihre königliche Gegenwart. Wie froh machte es, einen Blick von ihr aufzufangen oder ein huldvolles Wort. Es kam vor, daß sie den jüngeren Bienen, die ihre ersten Leistungen hinter sich hatten, freundlich über die Köpfchen strich oder sich nach ihren Erlebnissen erkundigte.

 

Ach, wie glücklich machte es, sich dazu rechnen zu dürfen, sich von allen geachtet zu wissen und den starken Schutz der Gemeinschaft genießen zu können. Hier an ihrem einsamen und ausgesetzten Platz war sie gefährdet und fror. Und wenn der Regen anhielt, was sollte sie dann beginnen und wodurch sollte sie sich ernähren? Honigsaft war kaum in der Glockenblume zu finden, und der Blütenstaub würde auch nicht allzulange vorhalten. Sie empfand zum ersten Male, wie notwendig zu allem Wanderleben und zum Vagabundentum der Sonnenschein war. Ohne den Sonnenschein wäre wohl niemand leichtsinnig, dachte sie.

 

Aber, wenn sie sich nur des Sonnenscheins erinnerte, erfüllte es sie schon wieder mit Freude und heimlichem Stolz, daß sie so mutig gewesen war, ihr Leben auf eigene Faust zu beginnen. Was hatte sie in der kurzen Zeit ihres Wanderns nicht schon alles gesehn und erfahren! Davon wußten die andern wohl ihr Leben lang nur wenig. Erfahrung ist doch das höchste Lebensgut und ihrer Opfer wert, dachte sie.

 

Unten zog ein Trupp Wanderameisen im Gras vorüber. Sie schritten singend durch den kühlen Graswald und schienen Eile zu haben. Ihr frisches Morgenlied erklang im Marschtakt und stimmte das Herz der kleinen Maja wehmütig und nachdenklich.

 

Bald ist unsre kurze Frist

auf der Erde aus.

Was ein rechter Räuber ist,

macht sich nichts daraus.

 

Sie waren außerordentlich gut bewaffnet und sahen keck und gefährlich aus. Ihr Lied verklang unter den Huflattichblättern. Aber dort schienen sie mit ihrem Gesang etwas Rechtes angerichtet zu haben, denn es erklang nun eine rauhe heisere Stimme, und die kleinen Blättchen eines jungen Löwenzahns wurden energisch auseinandergedrängt. Maja sah einen großen blauen Käfer hervordringen, der wie eine Halbkugel aus glänzendem, dunklem metall aussah und bald bläulich, bald grünlich, zuweilen auch ganz schwarz schimmerte. Er war wohl zwei- oder dreimal so groß wie sie. Sein harter Panzer schien ihr von unzerstörbarer Festigkeit, und seine tiefe Stimme hatte etwas gradezu Einschüchterndes. Er schien durch den Gesang der Soldaten erwacht und bei sehr schlechter Laune zu sein. Sein Haar war noch nicht geordnet, und er rieb sich den Schlaf aus den blauen listigen Äuglein.

 

„Ich komme,“ schrie er, „das genügt für alle, um Platz zu machen.“

 

Gottlob stehe ich ihm nicht im Wege, dachte Maja, die sich in ihrem hohen schwebenden Versteck sicher fühlte. Aber ihr Herz klopfte doch ein wenig, und sie zog sich leise einen Schritt weiter in die Blütenglocke zurück.

 

Der Käfer bewegte sich schwerfällig und schaukelnd durch das nasse Gras. Eine sehr elegante Erscheinung war er eben nicht. Bei einem welken Blatt, grade unter ihrer Blüte, machte er halt, schob es zur Seite und trat etwas zurück. Da erkannte Maja darunter den Eingang zu einer Höhle.

 

Nein, was es nicht alles gibt, dachte sie neugierig, davon habe ich mir keine Vorstellung gemacht. Man kann gar nicht lange genug leben, um alles zu erfahren, was auf der Welt möglich ist. Sie verhielt sich ganz still. Nur der Regen rieselte leise nieder. Da hörte sie den Käfer in die Höhle hineinrufen:

 

„Wenn Sie mit mir auf die Jagd wollen, müssen Sie sich schon entschließen aufzustehn. Es ist heller Tag.“ Weil er zuerst erwacht war, fühlte er sich so überlegen, daß es ihm schwer wurde, freundlich zu sein.

 

Es dauerte eine Weile, bis Antwort kam, dann hörte Maja eine dünne zirpende Stimme aus dem Loch schallen:

 

„Um Gottes willen, machen Sie oben zu, es regnet herein.“

 

Der Käfer gehorchte, neigte abwartend den Kopf etwas zur Seite und schielte durch die Spalte.

 

„Eilen Sie sich, wenn ich bitten darf“, sagte er mürrisch.

 

Maja war sehr gespannt, wer herauskommen würde. Sie kroch so weit vor, daß ein großer Regentropfen auf ihre Schulter fiel. Sie erschrak sehr und trocknete sich ab. Unten hob sich das welke Blatt, und langsam kroch ein braunes Tier hervor, das ihr im hohen Maße absonderlich vorkam. Es hatte einen plumpen Leib und einen ganz ungewöhnlich dicken Kopf mit kleinen aufrechten Fühlhörnern. Die Beinchen waren sehr dünn und bewegten sich langsam, und der Ausdruck des Gesichts war sorgenvoll.

 

„Guten Morgen, meine Iffi“, sagte der Käfer und wurde vor Höflichkeit ganz schlank. „Wie haben Sie geschlafen?“ und dann fügte er hinzu: „mein alles!“

 

Iffi nahm seine Hand etwas gleichgültig.

 

„Es geht nicht, Kurt,“ sagte sie, „ich kann nicht mit. Die Leute reden zu viel.“

 

Der arme Käfer schien wirklich sehr zu erschrecken.

 

„Ich verstehe wohl nicht richtig,“ stammelte er, „sollte das junge Glück unserer Freundschaft an so gleichgültigen Dingen scheitern? Bedenken Sie doch, Iffi, was kümmern die Leute Sie? Sie haben Ihr Loch, können hineinkriechen, wenn Sie wollen, und wenn Sie tief genug steigen, hören Sie nichts.“

 

Iffi lächelte wehmütig und überlegen.

 

„Kurt, davon verstehn Sie nichts. Ich habe da meine eigene Anschauung. Übrigens kommt noch etwas hinzu: Sie haben meine Unkenntnis in sehr wenig feiner Weise ausgebeutet, Sie haben sich für einen Rosenkäfer ausgegeben, und gestern sagte mir die Wegschnecke, Sie seien ein Mistkäfer. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Die Wegschnecke hat Sie bei einer Tätigkeit beobachtet, die ich hier nicht weiter kennzeichnen will; Sie werden verstehen, daß ich mich zurückziehe.“

 

Als Kurt sich von seinem Schreck erholt hatte, wurde er ärgerlich:

 

„Nein, das verstehe ich nicht,“ rief er heftig, „ich wünsche um meiner selbst willen geliebt zu sein, und nicht um meiner Beschäftigung willen. Wie können Sie einen Mann danach beurteilen, wo er sich aufhält!“

 

„Wenn es nicht grade der Mist wäre, würde ich ein Auge zudrücken“, sagte Iffi zurückhaltend. „Sie müssen auch bedenken, daß eine junge Witwe, deren Gatte erst vor drei Tagen von der Spitzmaus gefressen worden ist, sich die denkbar größte Zurückhaltung auferlegen muß. Also — leben Sie wohl.“

 

Und Iffi war plötzlich mit einem Ruck in ihrer Höhle verschwunden, so rasch, daß es erschien, als habe ein Windstoß sie davongerissen. Maja hatte nicht für möglich gehalten, daß jemand so rasch in einem Loch verschwinden könnte. Jetzt war Iffi fort, und der Käfer starrte mit verblüfftem Gesicht in die leere dunkle Öffnung und sah so dumm dabei aus, daß Maja lachen mußte.

 

Endlich besann er sich und begann betrübt und zornig seinen kleinen rundlichen Kopf zu schütteln, und die Fühler hingen traurig nieder, wie zwei verregnete Fächer.

 

„Für Charakter und gediegene Lebensführung hat heute niemand mehr Sinn“, seufzte er. „Iffi ist herzlos, ich habe nicht gewagt, es mir einzugestehn, aber es ist der Fall. Aber wenn sie in der Tat nicht das Herz hat, meine Freundin zu sein, so sollte sie wenigstens den Verstand dazu haben.“

 

Maja sah, wie Tränen in seine Augen traten, und ihr Herz wurde von Mitleid ergriffen.

 

Aber plötzlich kam Bewegung in Kurt. Er wischte die Tränen aus den Augen und trat vorsichtig hinter einen Erdhaufen, den seine Freundin wahrscheinlich aus ihrer Wohnung geschaufelt hatte, und Maja sah einen kleinen rötlichen Regenwurm durch die Gräser kommen. Er hatte eine sehr ungewöhnliche Art der Fortbewegung, bald machte er sich lang und dünn, dann wieder kurz und dick, und seine rote Körperspitze bestand aus lauter zarten Ringen, die sich lautlos verschoben und vorantasteten. Sie erschrak sehr, als Kurt plötzlich einen Schritt aus seinem Versteck hervor machte, den Wurm ergriff und ihn in zwei Hälften zerbiß. Er begann gelassen die eine Hälfte zu verzehren und kümmerte sich wenig um die verzweifelten Windungen, die die beiden Wurmhälften am Boden und in seinen Armen ausführten. Es war ein ganz kleiner Wurm.

 

„Nur Geduld,“ sagte Kurt, „gleich ist es vorüber.“

 

Aber während er kaute, schien er wieder an Iffi zu denken, die er für alle Zeit verloren hatte, und große Tränen rollten über seine Backen.

 

Die kleine Maja in ihrem Versteck bedauerte ihn herzlich. Es gibt doch sehr viel Trauriges in der Welt, dachte sie. Da sah sie, daß die eine Wurmhälfte, die Kurt in seiner Bekümmernis zur Seite gelegt hatte, sich eilig entfernte.

 

„Nein, so was!“ rief sie, und sie tat es vor Schrecken so laut, daß Kurt sich verwundert umschaute.

 

„Machen Sie Platz!“ rief er, als er es hörte.

 

„Aber ich sitze Ihnen ja gar nicht im Weg“, antwortete Maja.

 

„Wo sitzen Sie denn?“ fragte er, „Sie müssen doch irgendwo sitzen.“

 

„Hier oben,“ rief Maja, „über Ihnen in der Blume.“

 

„Ich will es Ihnen glauben,“ sagte Kurt, „aber ich bin kein Grashüpfer, ich kann mich unmöglich so weit nach oben umdrehn, daß ich Sie sehe. Weshalb haben Sie denn geschrien?“

 

„Die eine Hälfte vom Wurm läuft fort“, rief Maja.

 

„Ja, ja,“ sagte Kurt und sah dem halben Würmchen nach, „diese Tiere sind sehr regsam. Ich habe keinen Appetit mehr.“ Damit warf er den Rest des Wurms fort, den er noch in seinen Händen gehalten hatte, und dieser übriggebliebene Teil entfernte sich nach der andern Seite.

 

Maja wurde ganz verwirrt, aber Kurt schien mit dieser Eigenart des Wurms vertraut zu sein.

 

„Sie müssen nicht denken, daß ich immer Wurm esse,“ sagte er, „aber es finden sich nicht überall Rosen.“

 

„Sagen Sie doch wenigstens dem Kleinen, wo seine andere Hälfte hingelaufen ist“, antwortete Maja in großer Erregung.

 

Kurt schüttelte ernst den Kopf. „Was das Schicksal trennt, soll man nicht wieder zusammenfügen“, meinte er. „Wer sind Sie?“

 

„Ich bin Maja, vom Volk der Bienen.“

 

„Das ist mir angenehm,“ sagte Kurt, „ich habe nichts gegen die Bienen. Weshalb sitzen Sie denn da herum? Das tun doch sonst Bienen nicht. Sitzen Sie da schon lange?“

 

„Ich habe hier geschlafen.“

 

„So“, machte Kurt mißtrauisch. „Hoffentlich haben Sie einen tiefen und gesunden Schlaf. Sie sind wohl eben erst erwacht?“

 

Maja bestätigte es, denn sie merkte, daß Kurt nicht gerne gesehn hätte, wenn sein Gespräch mit der Grille Iffi belauscht worden wäre, und sie wollte ihn nicht noch einmal betrüben.

 

Kurt lief hin und her und versuchte hinaufzuschaun. „Warten Sie,“ sagte er, „wenn ich mich etwas an jenem Grashalm aufrichte, werde ich Sie sehn können, und Sie können mir in die Augen schaun. Das wollen Sie doch jedenfalls gern.“

 

„Doch,“ sagte Maja, „das wäre mir sehr angenehm.“

 

Kurt fand einen geeigneten Halm, es war der Stiel einer Butterblume, und da die Blüte sich etwas zur Seite neigte, konnte Maja ihn ansehn, als er sich nun auf die Hinterbeinchen stellte und zu ihr emporschaute. Sie fand, daß er ein freundliches und liebes Gesicht hatte; ganz jung schien er nicht mehr zu sein; und er war etwas voll in den Backen. Nun verbeugte er sich, so daß die Blume ein wenig schaukelte, und stellte sich vor:

 

„Kurt, von der Familie der Rosenkäfer.“

 

Die kleine Maja mußte heimlich lachen, denn sie wußte nur zu gut, daß Kurt ein Mistkäfer war, aber da sie ihn nicht kränken wollte, sagte sie nichts darüber.

 

„Macht Ihnen der Regen nichts aus?“ fragte Maja.

 

„O nein, das bin ich von den Rosen her gewohnt, da regnet es meistens.“

 

Maja dachte: ein wenig muß ich ihn doch für seine dreisten Lügen strafen, er ist doch ein recht eitler Geselle.

 

„Kurt,“ sagte sie und lächelte vorsichtig, „was ist das da eigentlich für ein Loch unter dem Blatt?“

 

Kurt erschrak.

 

„Ein Loch?“ fragte er, „sprechen Sie von irgendeinem Loch? Es gibt sehr viele Löcher, es wird so ein Loch sein, irgendsoeins. Sie machen sich keine Vorstellung, wie viele Erdlöcher es gibt.“

 

Aber in der heimlichen Bestürzung, in die er geraten war, ereignete sich etwas ganz Furchtbares. Kurt hatte in seinem Eifer und in seinem Bemühen, sich möglichst gleichgültig zu stellen, das Übergewicht verloren. Maja hörte ihn verzweifelt aufschreien und gleich darauf sah sie ihn auf dem Rücken liegen und mit Armen und Beinen hilflos und kläglich in der Luft zappeln.

 

„Es ist aus mit mir!“ schrie er, „ich bin nicht in der Lage, mich wieder aufzurichten. Ich werde sterben müssen. Ein bejammernswerteres Geschick ist nie vorgekommen.“

 

Er klagte so laut, daß er Majas Trostworte nicht verstand. Dabei versuchte er mit seinen Füßen den Boden zu gewinnen, aber jedesmal, wenn er sich festzuhalten glaubte, gaben die kleinen Erdballen nach, die er mühsam ergriffen hatte, und er fiel wieder auf seinen hohen, runden Rücken zurück. Es war wirklich ein außerordentlich trostloser Anblick, und die kleine Maja hatte ehrlich Angst um ihn, zumal er schon ganz bleich im Gesicht war und sein Geschrei in der Tat herzzerreißend klang.

 

„Ich halte diese Lage nicht aus,“ rief er, „schauen Sie wenigstens fort. Quälen Sie nicht einen Sterbenden durch zudringliche Blicke. Ach wenn ich wenigstens einen der Grashalme erreichen könnte, oder den Stiel der Butterblume. Wer kann sich an der Luft festhalten? Das kann niemand.“

 

Das Herz der kleinen Maja zitterte vor Erbarmen.

 

„Warten Sie,“ rief sie, „ich will versuchen Sie aufzurichten. Es muß doch gehn, wenn ich mich anstrenge. Oder Kurt, lieber Kurt, schreien Sie doch nicht so, hören Sie mich an: Wenn ich einen kleinen Grashalm niederbiege und reiche Ihnen das äußerste Ende, würden Sie sich dann helfen können?“

 

Kurt jammerte nur und verstand sie nicht, er war vor Todesangst ganz von Sinnen. Da flog die kleine Maja trotz des rieselnden Regens aus ihrem Versteck nieder, suchte einen schmalen grünen Grashalm, der in Kurts Nähe wuchs, und klammerte sich an der äußersten dünnen Spitze fest. Sie jubelte vor Freude, als der Halm sich unter ihrer Last so niederbog, daß er grade quer über den zappelnden Kurt sank.

 

„Halten Sie sich fest“, schrie Maja.

 

Kurt fühlte etwas über seinem Gesicht und griff hastig zu, erst mit einer Hand, dann mit beiden und endlich auch mit den Beinchen, die prächtige scharfe Krallen hatten, jedes zwei. Langsam zog er sich immer weiter daran hin, bis er die Wurzel des Halms erreicht hatte, und dort, wo er stärker und dicker war, konnte er sich aufrichten.

 

Er atmete tief auf.

 

„Mein Gott“, sagte er. „Das war ganz schrecklich. Ohne meine Geistesgegenwart wäre ich zweifellos ein Opfer Ihrer Geschwätzigkeit geworden.“

 

„Geht es Ihnen besser?“ fragte die kleine Maja.

 

Kurt hielt seine Stirn.

 

„Danke, danke, wenn dieses Schwindelgefühl weicht, werde ich Ihnen genaue Auskunft geben.“

 

Aber Maja erfuhr die Antwort auf ihre Frage nicht mehr, denn es kam eine Grasmücke durch die Halme geflattert, die auf der Jagd nach Insekten war. Die kleine Biene drückte sich fest an den Boden und verhielt sich ganz still, bis der Vogel vorüber war. Als sie sich später nach Kurt umsah, war er verschwunden, und da machte auch sie sich auf und flog davon, denn es hatte aufgehört zu regnen, und der Tag war hell und warm.

 

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