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Master Humphrey's Wanduhr. Zweiter Band-39

时间:2018-02-09来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Zweiter Band
Der Raritätenladen. Neunundsechzigstes Kapitel
Kit erwies sich des andern Morgens nicht träge, sondern sprang schon vor Tagesanbruch aus seinem Bette und fing an, sich für die willkommene Reise vorzubereiten. Die geistige Aufregung, welche die Ereignisse von gestern zur Folge gehabt hatten, und die unerwartete Nachricht, die er Abends vernommen, waren in den langen, dunkeln Stunden so beunruhigend für seinen Schlaf geworden, und hatten so viele beklommene Träume um seinen Pfühl gesammelt, daß es ihm ein Genuß war, aufzustehen.
 
Aber wäre es der Anfang irgend einer großen Anstrengung mit demselben Ziel in Aussicht – wäre es der Beginn einer langen Reise gewesen, die zu Fuß in dieser ungünstigen Jahreszeit hätte ausgeführt, unter Entbehrungen und Schwierigkeiten aller Art verfolgt, und nur mit Ungemach, Erschöpfung und Leiden beendigt werden können – wäre es der Morgen irgend einer mühevollen Unternehmung gewesen, bei der man darauf rechnen durfte, daß sie den höchsten Aufwand von Ausdauer und Entschlossenheit forderte, und seine ganze Seelenstärke in Anspruch nahm, sofern sich von einem glücklichen Ausgange nur hoffen ließ, daß sie zu Nell's Glück und Freude ausfiele – Kit's Eifer würde nicht minder rührig, sein Feuer und seine Ungeduld eben so entschieden gewesen sein.
 
Auch war er nicht allein in dieser Weise aufgeregt. Er hatte noch keine Viertelstunde sein Lager verlassen, als schon das ganze Haus in reger Geschäftigkeit war. Jedermann beeilte sich, etwas zur Erleichterung der Vorbereitungen beizutragen. Freilich, der ledige Herr konnte nichts thun, aber er beaufsichtigte alle Uebrigen und war beweglicher, als jeder Andere. Das Einpacken und die sonstigen Vorkehrungen gingen rasch vor sich, und mit Tagesanbruch war Alles in reisefertigem Stande. Jetzt begann Kit zu wünschen, daß sie lieber nicht so gar hurtig gewesen sein möchten, denn der gemiethete Wagen sollte erst um neun Uhr anlangen, und es gab nichts, um die dazwischen liegenden anderthalb Stunden auszufüllen, als das Frühstück.
 
Ja, und doch war etwas da – nämlich Barbara. Barbara war natürlich sehr geschäftig, aber nur um so besser – Kit konnte ihr helfen, und so entschwand die Zeit schneller, als durch jedes andere zur Verfügung stehende Mittel. Barbara hatte gegen diesen Beistand nichts einzuwenden, und Kit, die Idee verfolgend, die so plötzlich über Nacht in ihm aufgetaucht war, begann zu denken, Barbara müsse ihm gewiß gut sein, und eben so gewiß war er auch Barbara gut.
 
Wenn wir indeß die Wahrheit sagen wollen, was natürlich geschehen muß und soll, so schien von dem ganzen kleinen Haushalt Barbara am allerwenigsten Gefallen an der bei diesem Anlaß all den Tag gelegten Rührigkeit zu finden, und als ihr Kit in der Offenheit seines Herzens sagte, wie froh und überglücklich er sich fühle, wurde Barbara noch niedergeschlagener, und schien sich in dem Ganzen noch weniger zu gefallen, als zuvor.
 
»Sie sind noch nicht so gar lange zu Hause, Christoph,« sagte Barbara – und wir vermögen es nicht auszudrücken, mit welcher Sorglosigkeit sie dieß hinwarf. »Sie sind noch nicht so gar lange zu Hause, daß Sie nöthig hätten, sich so sehr zu freuen, daß es wieder weiter geht, sollte ich meinen.«
 
»Aber zu solch' einem Zweck,« versetzte Kit. »Miß Nell wieder zurückzubringen! Sie wieder sehen! Schon der Gedanke daran! Ach, wie freut es mich, denken zu dürfen, daß auch Sie, Barbara, sie endlich sehen werden.«
 
Barbara sagte nicht geradezu, daß sie über diesen Punkt keine sonderliche Freude empfinde, drückte aber ein derartiges Gefühl durch ein einfaches Schütteln ihres Kopfes so deutlich aus, daß Kit eigentlich verblüfft war, und sich in seiner Einfalt nicht genug wundern konnte, warum sie die Sache so kalt nehmen möge.
 
»Ich weiß. Sie werden sagen, daß sie das allerschönste und süßeste Gesicht hat, das Ihnen je vorgekommen ist,« erklärte Kit, seine Hände reibend. »Ich bin überzeugt. Sie werden so sagen.«
 
Barbara schüttelte abermals ihren Kopf.
 
»Was ist Ihnen denn, Barbara?« fragte Kit.
 
»Nichts,« entgegnete Barbara.
 
Und Barbara schmollte – nicht verdrießlich oder in einer häßlichen Weise, sondern gerade genug, um sich kirschenlippiger, als je, aussehen zu machen.
 
Es giebt keine Schule, in welcher ein Zögling so schnelle Fortschritte macht, als diejenige war, in welcher Kit zum Schüler wurde, als er Barbara den Kuß gab. Er sah jetzt, was Barbara meinte – er hatte seine Lection auf einmal auswendig gelernt – sie war das Buch – und da lag es offen vor ihm aufgeschlagen, wie gedruckt.
 
»Barbara,« sagte Kit, »Sie sind mir doch nicht böse?«
 
»O Herr Je, nein! Warum sollte Barbara böse sein! Was für ein Recht hat sie, böse zu sein? Und was liegt daran, ob sie böse ist oder nicht? Wer kümmert sich um sie?«
 
»Ei, ich kümmere mich,« entgegnete Kit. »Natürlich kümmere ich mich um Sie.«
 
Barbara wollte nicht einsehen, warum dieß überhaupt natürlich sein sollte.
 
Kit war überzeugt, daß sie dieß begreifen müsse. Ob sie sich's wohl noch einmal in Erwägung ziehen wolle?
 
»Gewiß, Barbara wollte es noch einmal in Erwägung ziehen. Nein, sie sah durchaus nicht ein, was natürliches darin lag. Sie begriff nicht, was Kit meinte. Und außerdem war sie jetzt überzeugt, daß man sie jetzt droben brauche, und sie mußte gehen, in der That – –
 
»Nicht doch, Barbara,« sagte Kit, indem er sie sanft zurückhielt. »Lassen Sie uns als Freunde scheiden. Ich habe in meinem Unglück immer an Sie gedacht. Wäre es nicht um Ihretwillen gewesen, so würde ich mich noch viel unglücklicher gefühlt haben.«
 
Guter Himmel, wie hübsch war Barbara, als sie erröthete – und als sie zitterte, wie ein verscheuchtes Vögelchen.
 
»Auf mein Wort, ich sage Ihnen die Wahrheit, Barbara, aber demungeachtet nicht halb so nachdrücklich, als ich wünschen möchte,« sagte Kit ernsthaft. »Wenn ich wünsche, Sie möchten sich freuen, Miß Nell zu sehen, so geschieht es nur deßhalb, weil es mir lieb wäre, wenn Ihnen das gefiele, was mir gefällt, – das ist Alles. Was sie anbelangt, Barbara, so glaube ich, ich könnte fast in den Tod gehen, um ihr einen Dienst zu leisten, aber auch Sie würden so denken, wenn Sie so mit ihr bekannt wären, wie ich. Ja, gewiß, Sie würden es.«
 
Barbara war gerührt, und es that ihr leid, daß sie sich so gleichgültig benommen hatte.
 
»Sehen Sie, ich habe mich daran gewöhnt,« fuhr Kit fort, »von ihr fast so zu sprechen und zu denken, als ob sie ein Engel wäre. Wenn ich mir dann das Wiedersehen vergegenwärtige, so denke ich an ihr Lächeln, wie sie gewöhnlich lächelte, und an ihre Freude, wenn sie mich wieder sieht, ihre Hand ausstreckt und sagt: ›Es ist mein lieber alter Kit,‹ oder etwas der Art, wie sie es sonst gegen mich hielt. Ich hoffe. Sie glücklich zu sehen; sie wird Freunde um sich haben, und erzogen werden, wie sie es verdient und wie sie erzogen werden sollte. An mich selber denke ich nur als an ihren alten Diener und als Einen, der sie innig liebte als seine freundliche, gütige, sanfte Gebieterin, und der für sie alles Ungemach auf sich genommen hätte – ja, und noch auf sich nehmen würde, wenn er ihr damit dienen könnte. Es gab eine Zeit, wo ich mich der Furcht nicht erwehren konnte, sie würde, wenn sie von Freunden umgeben zurückkäme, meiner vergessen haben oder sich schämen, einen so geringen Menschen, als ich bin, anzuerkennen; ich fürchtete, sie könnte kalt mit mir reden, was mir in's Herz geschnitten haben würde, Barbara, – weit tiefer, als ich es auszusprechen vermag. Als ich aber weiter daran dachte, so fühlte ich mich überzeugt, daß ich ihr hierin Unrecht thue, und so fuhr ich denn fort, wie von Anfang an zu hoffen, daß ich sie einmal wieder sehen würde, gerade so, wie sie sonst zu sein pflegte. Diese Hoffnung und die Rückerinnerung an sie hat mir das Gefühl in die Seele gepflanzt, ich müsse mir immer Mühe geben, ihr zu gefallen, und immer das sein, als was ich ihr gerne erschienen wäre, wenn ich noch in ihren Diensten stände. Wenn ich dadurch besser geworden bin – und ich glaube nicht, daß es mich schlechter gemacht hat – so bin ich ihr dafür zu Danke verpflichtet, und ich ehre und liebe sie daher nur um so mehr. Dieß ist die reine, ehrliche Wahrheit, liebe Barbara; auf mein Wort, so ist es!«
 
Die kleine Barbara war von Natur weder störrisch noch launenhaft und da sie jetzt ihr Gewissen schlug, so zerfloß sie fast in Thränen. Wozu sonst noch diese Unterhaltung geführt haben möchte, wollen wir hier nicht untersuchen, denn in diesem Augenblick ließ sich das Rasseln des Wagens vernehmen, und da unmittelbar ein Reißen an der Klingel des Gartenthores folgte, so kam alles im Hause, das für eine kurze Frist im Schlummer gelegen zu haben schien, in eine so rührige Bewegung, daß der Lärm und das Getümmel zehnfältig wiederhallte.
 
Gleichzeitig mit dem Reisewagen langte auch Herr Chuckster in einem Miethcabriolet an, der gewisse Papiere und Geldvorräthe mitbrachte und dieselben in die Hände des ledigen Herrn überlieferte. Sobald er sich dieser Pflicht entledigt hatte, zog er sich in den Kreis der Familie zurück, unterhielt sich mit einem ambulatorischen oder peripathetischen Frühstück, und sah mit gentiler Freimüthigkeit dem Beladen des Wagens zu.
 
»Der Schliffel ist dabei, wie ich sehe, Sir?« sagte er zu Herrn Abel Garland. »Ich meinte, er käme nicht mit zu diesen! Ausflug, weil zu erwarten steht, daß seine Gegenwart dem alten Büffel nicht sehr anständig sein mag.«
 
»Wem, Sir?« fragte Herr Abel.
 
»Dem alten Großvater,« entgegnete Herr Chuckster etwas beschämt.
 
»Unser Client ist jetzt der Meinung, ihn mitzunehmen,« sagte Herr Abel trocken. »Eine solche Vorsicht ist nicht länger nöthig, da meines Vaters Verwandtschaft mit einem Herrn, dem die Gegenstände seines Suchens volles Vertrauen schenken, eine hinreichende Bürgschaft für die freundliche Absicht ihres Erscheinens geben wird.«
 
»Ah!« dachte Herr Chuckster, aus dem Fenster sehend, »Jeder, nur ich nicht. Der Schliffel wird natürlich mir vorgezogen. Zufälligerweise hat er nicht gerade diese Fünfpfundnote gestohlen, aber ich zweifle nicht im Geringsten, daß er jeden Augenblick im Stande ist, ein derartiges Geschäftchen abzumachen. Ich sagte es immer, ehe diese Geschichte auf ihn herauskam. Ein verteufelt nettes Mädchen das! Meiner Seele, ein bewundernswürdiges Geschöpfchen!«
 
Diese Lobeserhebungen des Herrn Chuckster galten Barbara, und da sie in der Nähe des Wagens weilte (er war jetzt ganz zum Abfahren bereit), so nahm der genannte Gentleman plötzlich ein großes Interesse an dem Fortgange des Ganzen, wodurch er sich veranlaßt sah, den Garten hinunter zu stolziren und seine Stellung an einem für ein kleines Augenspiel passenden Orte zu nehmen. Da er bei dem schönen Geschlechte große Erfahrungen gemacht hatte und mit allen jenen kleinen Kriegslisten vollkommen vertraut war, welche am leichtesten den Weg zu einem Weiberherzen bahnen, so pflanzte Herr Chuckster, sobald er Posto gefaßt, die eine Hand auf seine Hüfte und strich sich mit der andern seine fliegenden Haare zurecht. Dieß ist eine Lieblingsattitüde in feinen Zirkeln, und hat, mit einem anmuthigen Pfeifen begleitet, bekanntermaßen schon ungemeine Resultate geliefert.
 
Zwischen Stadt und Land ist jedoch ein so himmelweiter Unterschied, daß Niemand von dieser herzengewinnenden Stellung auch nur die mindeste Notiz nahm. Die Elenden waren ausschließlich damit beschäftigt, den Reisenden Adieu zu sagen, sich Kußhändchen zuzuwerfen, die Schnupftücher zu schwenken, und was dergleichen gemeine Praktiken weiter sind. Denn der ledige Herr und Herr Garland waren jetzt in dem Wagen, der Postillon im Sattel und Kit, wohl eingehüllt und eingemummt, auf dem hintern Bocke. Und Frau Garland war da, und Herr Abel war da, und Kit's Mutter war da, und der kleine Jakob war da, und Barbara's Mutter war in ferner Perspective sichtbar, das immer wache Büblein hätschelnd; und alle nickten, winkten, knixten oder riefen mit aller Kraft, deren sie fähig waren, Lebewohl. In der nächsten Minute war der Wagen den Blicken entschwunden, und Chuckster verblieb allein aus der Stelle, wo derselbe eben noch gestanden hatte. Es war ihm wie ein Traum, daß Kit von dem Bock aufgestanden sei, um Barbara mit der Hand zuzuwinken, und daß Barbara, dem vollen Lichte und Glanze seiner Augen gegenüber – seiner Augen – der Augen Chuckster's – Chuckster's des Siegreichen, auf den Sonntags in den Parken Damen von Stand aus ihren Phaetonen mit Wohlwollen niedergeblickt – mit den ihrigen Kit zuwinkte!
 
Wie Herr Chuckster, ganz versteinert von diesem entsetzlichen Faktum, eine geraume Weile wie an die Erde gewurzelt dastand und sich in seinem Innern betheuerte, Kit sei der Fürst aller spitzbübischen und schuftigen Charaktere, und recht eigentlich der Kaiser oder Großmogul aller Schüssel, und wie klärlich er diesen empörenden Umstand bis auf die alte Schurkerei mit dem Schilling zurückführte – das sind Dinge, die unserm Zwecke ferne liegen; denn wir haben jetzt dem dahinrollenden Wagen zu folgen, und die Wanderer auf ihrer rauhen und frostigen Reise zu begleiten.
 
Es war ein bitter kalter Tag. Ein schneidender Wind blies und tobte ihnen ungestüm entgegen, den harten Boden bleichend, den weißen Reif von Bäumen und Hecken schüttelnd und ihn wie wirbelnden Staub von hinnen tragend. Doch Kit kümmerte sich wenig um das Wetter. Es war eine Freiheit und eine Frische in dem vorbeisausenden Winde, die ihm, trotz der eindringlichen Kälte, willkommen waren.
 
Wie er dahinfegte mit seiner Reifwolke, trockene Zweige, Neste und Blätter in bunter Verwirrung über ihren Weg jagend – es schien, als ob eine allgemeine Sympathie die Reisenden begleite und die ganze Natur die gleiche Eile habe, wie sie selbst. Je stärker die Stöße, desto rascher schienen sie vorwärts zu kommen. Es war etwas Schönes, unter Kämpfen dahinzueilen und einen Gegner nach dem andern zu besiegen; Zeuge davon zu sein, wie sie heranstürmten und im Verlaufe an Kraft und Ungestüm zunahmen; sich einen Augenblick niederzubeugen, wenn sie vorbeipfiffen, und dann rückwärts zu schauen auf ihre eilige Flucht; wahrzunehmen, wie ihr heiseres Geheul in der Ferne erstarb und die stämmigen Bäume sich vor ihnen niederbeugten!
 
Der Wind blies den ganzen Tag ohne Unterlaß fort; die Nacht war kalt und sternhell, aber weder der Wind noch die schneidende Kälte hatten sich gelegt. Bisweilen – etwa gegen das Ende einer langen Station – konnte sich Kit des Wunsches nicht erwehren, daß es ein wenig wärmer sein möchte. Wenn aber des Pferdewechselns wegen Halt gemacht wurde, so machte er sich kräftige Bewegung; diese, und das Amt, den alten Postillon zu bezahlen und den neuen zu wecken, wie auch das Ab- und Zugehen, bis die Pferde angespannt waren – alles dieß wärmte ihm das Blut so sehr, daß es ihm bis in die Fingerspitzen prickelte und feuerte. Es war ihm sodann, als ob nur ein Grad Kälte weniger der Reise die Hälfte ihrer Luft und ihres Glanzes benehmen würde, und seelenfroh sprang er wieder hinauf, singend zu der lustigen Musik der dahinrollenden Räder und die Stadtleute ihren warmen Betten überlassend, während sie auf der einsamen Straße ihren Weg verfolgten.
 
Da die beiden Herren im Innern des Wagens wenig zum Schlafen geneigt waren, so verkürzten sie sich die Zeit mit Gesprächen. Als natürliche Folge ihrer beiderseitigen Erwartung und Besorgniß drehte sich ihre Unterhaltung um den Gegenstand ihres Ausflugs, um die Art und Weise, wie derselbe veranlaßt worden, und um die Hoffnungen und Befürchtungen, welche sie hinsichtlich seines Erfolges unterhielten. Der ersteren waren viele, der letzten nur wenige – vielleicht gar keine, jene Unruhe ausgenommen, welche unzertrennlich ist von plötzlich geweckter Hoffnung und verzögerter Erfüllung.
 
Nach einer der Pausen ihres Gespräches, und als die Nacht bereits halb um war, wandte sich der ledige Herr, der allmälig immer schweigsamer und gedankenvoller geworden war, an seinen Gefährten und begann abgebrochen:
 
»Hören Sie gerne etwas an?«
 
»Wie die meisten andern Menschen, glaube ich,« versetzte Herr Garland lächelnd; namentlich, wenn mich etwas interessiert. Und wenn dich nicht der Fall ist, so kann ich wenigstens versuchen, dergleichen zu thun. Warum fragen Sie mich so?«
 
»Es schwebt mir eine kleine Erzählung auf den Lippen,« entgegnete sein Freund, »und ich will Sie damit belästigen. Sie ist sehr kurz.«
 
Ohne auf eine Antwort zu warten, legte er die Hand auf den Aermel des alten Herrn und fuhr folgendermaßen fort:
 
»Es waren einmal zwei Brüder, die einander zärtlich liebten. Es bestand eine ziemliche Altersungleichheit zwischen ihnen – etwa um zwölf Jahre, und ich weiß nicht – vielleicht liebten sie sich gerade aus diesem Grunde nur um so inniger. Trotz dieses bedeutenden Unterschieds der Jahre wurden sie jedoch nur zu bald Nebenbuhler. Bei Beiden hatte sich die tiefste und innigste Herzenszuneigung einem und demselben Gegenstände zugewendet.
 
»Der Jüngere – er hatte Grund, empfindlich und auf der Hut zu sein – fand dich zuerst aus. Ich will Ihnen nicht mittheilen, wie unglücklich er sich fühlte, welchen Seelenschmerz er erlitt, und welche heftigen Kämpfe in seinem Innern vorgingen. Er war ein kränkliches Kind gewesen. Sein Bruder, der sich der besten Gesundheit und Kraft erfreute, hatte sich geduldig und rücksichtsvoll den Belustigungen, welche er liebte, manchen und manchen Tag entzogen, um am Bette des Kranken zu sitzen und ihm Mährchen zu erzählen, bis sein blasses Gesicht von ungewöhnlicher Glut leuchtete – um ihn auf den Armen in den Garten zu tragen, wo er den sinnigen armen Knaben hütete, wenn er in den schönen Sommertag hinausschaute und die ganze Natur gesund sah, nur sich selbst nicht – kurz, um ihm stets ein treuer und zärtlicher Wärter zu sein. Ich will nicht bei dem verweilen, was er Alles that, um sich die Liebe des armen, schwachen Wesens zu gewinnen, sonst würde meine Erzählung kein Ende nehmen. Aber als die Zeit der Prüfung kam, war das Herz des jüngeren Bruders noch voll von der Erinnerung an entschwundene Tage. Der Himmel kräftigte ihn, die Opfer einer gedankenlosen Jugend durch eines zu bezahlen, das der Brust des reifenden Mannes entquoll. Er ließ seinen Bruder glücklich sein. Die Wahrheit kam nie über seine Lippen; er verließ die Heimath und hoffte, in der Fremde zu sterben.
 
»Der ältere Bruder heirathete sie. Bald aber kehrte sie in das himmlische Vaterhaus heim und hinterließ ihm eine unmündige Tochter.
 
»Wenn Sie die Gemäldegallerie irgend einer alten Familie gesehen haben, so werden Sie sich erinnern, wie dasselbe Gesicht, dieselbe Gestalt – oft die schönste und zarteste von Allen – in verschiedenen Generationen vorkömmt, und wie Sie das nämliche holde Mädchen durch eine lange Reihe von Porträten verfolgen konnten – nie alt werdend oder sich verändernd – der gute Engel des Geschlechtes, der im Glück und Unglück dableibt – alle ihre Vergehungen sühnend. –
 
»In dieser Tochter lebte die Mutter wieder auf. Sie können sich leicht vorstellen, mit welcher Innigkeit er, der die Gattin schon in den Honigmonaten verloren hatte, an diesem Mädchen – ihrem leibhaftigen Ebenbilde – hing. Sie wuchs heran und schenkte ihr Herz einem Manne, der dessen Werth nicht zu schätzen wußte. Ihr Vater konnte nicht mit ansehen, wie sie sich abzehrte und dahin schwand. Der Freier mochte vielleicht Verdienste haben, die er nicht kannte, und sicherlich konnte eine solche Gattin sehr veredelnd auf ihn einwirken. Er vereinigte ihre Hände und sie waren Mann und Frau.
 
»Durch all' das Unglück, welches dieser Verbindung folgte, durch alle die vielen Vernachlässigungen und unverdienten Vorwürfe, durch all die Armut, die er über sie brachte, durch alle die Kämpfe des täglichen Lebens, zu armselig und zu bedauernswürdig, um sie zu erzählen, aber doch so schrecklich drückend, lastend – mühete sie sich fort, gehoben von der tiefen Liebe ihres Herzens und von ihrem bessern Selbst, wie nur ein Weib es im Stande ist. Ihr Vermögen war entschwunden, ihr Vater, der stündlich Zeuge ihres Unglücks und der ihr widerfahrenen Behandlung war, da sie jetzt unter einem Dache wohnten, durch die Hand ihres Gatten fast zum Bettler gemacht; demungeachtet aber jammerte sie doch – um seinetwillen – nie über ihr Schicksal. Geduldig und von ihrer kräftigen Liebe bis auf den letzten Augenblick aufrecht erhalten, starb sie, eine Wittwe von etwa drei Wochen, und hinterließ der Sorge ihres Vaters zwei Waisen – einen Sohn von zwölf Jahren und ein Mädchen, eben so unmündig und hülflos, dieselbe an Gestalt und Antlitz, wie sie selbst gewesen, als ihre jugendliche Mutter starb.
 
»Der ältere Bruder, der Großvater dieser beiden Kinder, war nun ein armer Mann, gebeugt und niedergedrückt nicht so fast durch die Last des Alters, als durch die schwere Hand des Kummers. Mit den Trümmern seines Vermögens begann er einen Handel – Anfangs in Gemälden und dann in Alterthümern. Er hatte schon in seinen Knabenjahren eine große Vorliebe für solche Gegenstände gehabt, und was er bisher aus Neigung getrieben, mußte nun ein Mittel für seinen kümmerlichen und unsichern Unterhalt abgeben.
 
»Der Knabe artete an Geist und Körper seinem Vater nach, während das Mädchen so ganz der Mutter ähnlich wurde, daß es dem alten Manne, wenn er es auf seinen Knieen wiegte und in sein mildes blaues Auge sah, vorkam, als erwache er aus einem schweren Traum und seine Tochter sei wieder ein kleines Kind. Der ungerathene Knabe verschmähte bald den Schutz des großväterlichen Daches und suchte Genossen, die seines Gleichen waren. Der alte Mann und das Kind wohnten allein bei einander.
 
»So geschah es denn, daß die Liebe zu zwei hingeschiedenen Personen, die seinem Herzen so nahe und theuer gewesen, sich auf dieses zarte Wesen verpflanzte. Als das Antlitz der Kleinen, die beständig vor seinen Augen war, ihn von Stunde zu Stunde an den allzufrühen Wechsel, dessen Zeuge er bei einem ähnlichen theuren Geschöpfe gewesen, an alle die Leiden, die er mit angesehen und erfahren, und an all das erinnerte, was sein Kind durchgemacht hatte, – als des jungen Mannes verderbte und herzlose Lebensweise sein Geld verschlang, wie es die seines Vaters gethan hatte, und er selbst hin und wieder Ungemach und Entbehrung erdulden mußte – da geschah es denn, daß eine düstere Furcht vor Armuth und Mangel sich seines Geistes bemächtigte und ihn nicht mehr verließ. Er dachte dabei nicht an sich selbst, denn seine Besorgniß galt blos dem Kinde. Sie war ein Gespenst in seinem Hause, das ihn Tag und Nacht umspukte.
 
»Der jüngere Bruder hatte viele Länder gesehen und seine Pilgerfahrt durch's Leben einsam gemacht. Seine freiwillige Verbannung war ihm übel ausgelegt worden, und er hatte nicht ohne schweren Kummer die Vorwürfe und die Geringschätzung hingenommen, welche die Folgen einer Handlung waren, die ihm das Herz zerriß und einen traurigen Schatten auf seine Pfade warf. Abgesehen von diesem war auch der Verkehr zwischen ihm und dem älteren Bruder schwierig, unsicher und häufig unterbrochen, in keinem Falle aber so, daß er nicht – freilich nach langen Zwischenräumen und vielen Lücken – alles erfahren hätte, was ich Ihnen mitgetheilt habe.
 
»Dann besuchten Träume von einem früheren glücklichen Leben – glücklich, obgleich schon frühe mit Kummer und Sorge beladen – öfters als je sein Lager, und in jeder Nacht wurde er wieder zum Knaben an der Seite seines Bruders. In möglichster Eile brachte er seine Angelegenheiten in Ordnung, setzte alle seine Habe in Geld um, und mit einem ehrlich erworbenen Reichtum, der wohl für Beide zureichte, mit offenem Herzen und offener Hand, von zitternden Gliedern vorwärts getragen, und mit Gefühlen, die ein Lebender kaum durchzumachen vermag, langte er eines Abends an der Thüre seines Bruders an!«
 
Der Erzähler, dessen Stimme bei den Schlußworten unsicher geworden war, hielt jetzt inne.
 
»Den Rest,« sagte Herr Garland, indem er seine Hand drückte, »weiß ich.«
 
»Ja,« versetzte sein Freund nach einer Pause, »wir können das Uebrige ersparen. Sie können das armselige Ergebniß aller meiner Nachforschungen. Selbst als wir durch Erkundigungen, wie sie nur der größte Eifer und Scharfsinn anzustellen vermag, die Entdeckung machten, daß sie von zwei armen wandernden Puppenspielern gesehen worden, als wir mit der Zeit die Männer selbst auffanden, und später auch den Ort, wo sich die Flüchtlinge aufgehalten – selbst damals kamen wir zu spät. Gebe Gott, daß es uns nicht wieder so ergehe!«
 
»Das kann nicht sein,« sagte Herr Garland. »Dießmal muß es uns gelingen.«
 
»Ich habe so geglaubt und gehofft,« entgegnete der Andere, »und will versuchen, auch noch länger zu glauben und zu hoffen. Aber eine schwere Last liegt auf meiner Seele, lieber Freund, und die Trauer, die mich übermannt, will weder der Hoffnung noch den Vorstellungen der Vernunft weichen.«
 
»Das nimmt mich nicht Wunder,« erwiderte Herr Garland. »Es ist eine natürliche Folge der Ereignisse, die Sie sich in's Gedächtniß zurückgerufen haben, der trübseligen Verhältnisse von Ort und Zeit, und namentlich dieser wilden und unheimlichen Nacht. In der That eine unheimliche Nacht! Horch! Wie der Wind heult!« 
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