Richard Shandon war ein guter Seemann; er hatte lange Zeit Wallfischfänger in den Nord-Polarmeeren commandirt, und dabei in ganz Lancaster einen fest begründeten Ruf gewonnen. Ein solcher Brief konnte mit Recht tiefen Eindruck machen; dies geschah denn auch bei ihm, doch blieb er kaltblütig.
Er befand sich zudem in den gewünschten Verhältnissen; weder Frau, noch Kinder, noch Verwandte; ein freier Mann, wie irgend einer. Da er also mit Niemand zu berathen hatte, begab er sich stracks zu den Banquiers Marcuart & Cie.
»Wenn das Geld da ist, sagte er sich, kommt das Uebrige von selbst.«
Er wurde in dem Bankhause mit den Rücksichten empfangen, welche man einem Manne zollt, an den sechzehntausend Pfund ruhig in einer Kasse warten. Als dieser Punkt im reinen war, liess sich Shandon ein Blatt weißes Papier geben, und meldete mit derber Seemanns-Handschrift seine Annahme unter der angegebenen Adresse.
Noch denselben Tag setzte er sich mit den Schiffbaumeistern zu Birkenhead in Verbindung, und vierundzwanzig Stunden nachher lag bereits der Kiel des Forward der Länge nach auf den Stapelblöcken des Zimmerplatzes.
Richard Shandon war ein Junggeselle von vierzig Jahren, kräftig, energisch und tapfer, drei Vorzüge eines Seemanns, denn sie verleihen Zuversicht, Nachdruck und Kaltblütigkeit. Er war als ein eifersüchtiger und schwer zu befriedigender Charakter bekannt, daher auch nie von seinen Matrosen geliebt, vielmehr gefürchtet. Dieser Ruf ging übrigens nicht so weit, daß er ihm Mühe verursacht hätte, seine Mannschaft zusammenzubringen, denn man wußte, daß er gewandt sich aus der Noth herauszuziehen vermochte.
Shandon besorgte, die geheimnißvolle Seite möge geeignet sein, ihn in seinem Vorgehen zu hemmen.
»So ists denn auch am besten, sagte er sich, nichts laut werden zu lassen; es giebt Seehunde, die möchten auch das Weil und Warum der Sache wissen, und da ich nichts weiß, so wäre ich sehr in Verlegenheit, ihnen zu antworten. Dieser K. Z. ist sicher ein sonderlicher Geselle; aber schließlich kennt er mich und rechnet auf mich: das genügt. Sein Schiff soll hübsch hergerichtet werden, und ich will nicht Richard Shandon heißen, wenn es nicht die Bestimmung hat, das Eismeer zu befahren. Aber das wollen wir unter uns behalten.«
Darauf ließ sich Shandon angelegen sein, seine Mannschaft aufzubringen, und zwar genau unter den vom Kapitän vorgeschriebenen Bedingungen.
Er kannte einen wackeren, sehr ergebenen Burschen, der ein guter Seemann war, James Wall mit Namen. Derselbe mochte dreißig Jahr alt sein, und hatte schon mehrmals die nördlichen Meere besucht. Shandon bot ihm die Stelle eines dritten Officiers an, und James Wall nahm ohne Weiteres an; es war ihm nur um die Fahrt zu thun. Shandon setzte ihm die Sache im Detail auseinander, und ebenso einem gewissen Johnson, den er zu seinem Rüstmeister machte.
»Ein groß Glück ists nicht, erwiderte James; soviel werth als sonst etwas. Handelt sichs darum, die nordwestliche Durchfahrt zu suchen, so kann man wieder heimkehren.
– Nicht immer, erwiderte Meister Johnson; aber es ist das doch kein Grund, um die Fahrt nicht zu machen.
– Uebrigens, irren wir nicht in unsern Vermuthungen, fuhr Shandon fort, so muß man zugeben, daß die Fahrt unter günstigen Umständen vor sich geht. Der Forward wird ein vorzügliches Schiff sein, und mit einer guten Maschine versehen kann er weit fahren. Wir brauchen nur achtzehn Mann im Ganzen. – Achtzehn Mann, versetzte Meister Johnson; soviel hatte der Amerikaner Kane an Bord, als er seine berühmte Fahrt nach dem Pol unternahm.
–Es ist immer höchst auffallend, fuhr Wall fort, daß ein Privatmann noch einmal den Versuch macht, durch das Meer von der Davis- zur Behrings-Straße zu dringen. Die zum Auffinden des Admirals Franklin ausgeschickten Expeditionen haben England schon über siebenhundertundsechzigtausend Pfund gekostet, ohne zu irgend einem praktischen Resultat zu führen! Wer zum Teufel kann nochmals sein Vermögen an eine solche Unternehmung setzen?
– Vor allem, James, erwiderte Shandon, raisonniren wir über eine bloße Vermuthung. Ob wir wirklich in die nördlichen oder südlichen Polar-Meere fahren werden, weiß ich nicht. Vielleicht handelt sichs darum, eine neue Entdeckung zu versuchen. Uebrigens soll über kurz oder lang ein gewisser Doctor Clawbonny sich einfinden, der wird ohne Zweifel mehr davon wissen und Auftrag haben uns darüber zu unterweisen. Werden schon sehen.
– So warten wir also ab, sagte Meister Johnson; ich meinestheils will nun tüchtige Untergebene aufsuchen, Commandant; und was ihr Princip der Lebenswärme, wie der Kapitän sagt, betrifft, so will ich zum Voraus dafür einstehen. Sie können sich auf mich verlassen.«
Dieser Johnson war ein sehr schätzbarer Mann; er war mit der Schifffahrt in den hohen Breitegraden vertraut. Er hatte sich als Quartiermeister an Bord des Phönix befunden, welcher zu den im Jahre 1853 zum Aufsuchen Franklins entsendeten Expeditionen gehörte; dieser wackere Seemann war sogar beim Tod des französischen Lieutenants Bellot zugegen, welchen er bei seiner Fahrt durch die Eisberge begleitete. Johnson kannte das Matrosenpersonal zu Liverpool, und machte sich sogleich ans Werk, seine Leute zusammenzubringen.
Shandon, Wall und er hatten solchen Erfolg, daß schon in den ersten Decembertagen ihre Mannschaft vollständig beisammen war; doch ging es nicht ohne Schwierigkeiten ab; viele, die wohl durch die hohe Löhnung sich anlocken ließen, wurden doch durch die unbestimmte Zukunft der Expedition abgeschreckt, und mancher ließ sich zwar entschlossen anwerben, kam aber nach einiger Zeit wieder, um sein Wort und Draufgeld zurückzugeben. Alle versuchten übrigens durch das Geheimniß zu dringen, und drängten den Commandanten Richard mit Fragen; derselbe verwies sie an Meister Johnson.
»Was willst Du, daß ich Dir sagen soll, mein Freund! erwiderte der Letztere unabänderlich; ich weiß nicht mehr als Du. Jedenfalls wirst Du Dich in guter Kameradschaft befinden mit unerschrockenen Gesellen, die nicht wanken; das ist schon etwas! Also nicht so viel Bedenken! es gilt annehmen oder lassen!«