Wittenoom: 1947 als Arbeitersiedlung gegründet, in 1950ern größte Stadt der Pilbara-Region in Australien - heute eine Geisterstadt. Autor: Xaver Frühbeis
Es ist nicht mehr viel los, in Wittenoom. Früher war Wittenoom ein blühender Ort: Cafés, ein Hotel, Schule, Supermarkt, Autowerkstatt. Dann sind die Leute weggezogen von Wittenoom. Die meisten Häuser wurden abgerissen, was noch steht, verfällt langsam. Wittenoom ist zur Geisterstadt geworden. Acht Leute leben noch in Wittenoom. Alte, die schon immer dort gewesen sind, und neu Dazugekommene, die die Einsamkeit lieben. Die Alten sagen, es sei die Regierung gewesen, die Wittenoom kaputt gemacht habe. Man habe den Einwohnern viel Geld dafür gegeben, sich anderswo ein Heim zu suchen. Und alles bloß: wegen des Asbests.
Grandios gefährlicher Werkstoff
Wittenoom liegt in Australien. Eine Arbeitersiedlung in einer abgelegenen, heißen Trockensteppe. Ende der 30er Jahre haben Rohstoffsucher dort in einer Schlucht ein großes Vorkommen Blauasbest entdeckt. Drei Männer sicherten sich die Schürfrechte, sprengten Wege frei, stellten Arbeiter ein, ließen Minen bohren, legten das Städtchen an. Und: wurden reich mit dem Asbest.
Asbest ist feuerfest, säurebeständig und verrottet nicht. Ein grandioser Werkstoff. Nur der Kontakt damit ist lebensgefährlich. Asbestfasern, die eingeatmet werden, bleiben in der Lunge stecken und können Krebs verursachen.
Die Arbeiter von Wittenoom waren dem schutzlos ausgeliefert. Asbeststaub war überall: im Berg, am Bach, auf den Bäumen, auch in Wittenoom selbst. Aufseher und Ärzte informierten das Firmenmanagement und die Gesundheitsbehörde über die enormen Gefahren des Asbeststaubs in Wittenoom. Keine Reaktion. Es wurde weiter ohne Schutz gearbeitet. Erst zwanzig Jahre später, 1966, schloss man die Mine. Als die Blauasbest-Förderung unrentabel geworden war.
Die Geisterstadt
Was nun tun - mit Wittenoom? Die ganze Gegend zu sanieren wäre enorm teuer gewesen. Und so kam man auf die Idee, den Ort einfach aufzulösen.
Die Regierung versprach den Einwohnern Geld, wenn sie wegzogen. Leer stehende Häuser wurden abgerissen. Als nur noch ein kleiner Rest von knapp fünfzig Leuten in Wittenoom wohnte, machte man Schule, Krankenstation und Polizeiwache dicht. An den Straßen wurden Warnschilder aufgestellt, der Name "Wittenoom" auf Wegweisern überpinselt. Irgendwann bediente die Post den Ort nicht mehr, und am 30. Juni 2006 wurde der Strom abgestellt. Wittenoom war eine Geisterstadt geworden.
Die wenigen alten Leute, die heute noch dort leben, finden das unverständlich. Ja, es habe Tote gegeben unter den Arbeitern. Spätfolgen des Asbests. Aber man könne doch sehen, sie selber seien noch immer am Leben und putzmunter, und es sei schön hier. Die paar Wittenoomer, die neu dazugekommen sind, genießen die Stille und Abgeschiedenheit. Es gibt einen Souvenirladen und einen Campingplatz, für den Fall, dass Touristen hierher kommen. Wer in der Schlucht wandern geht, trifft immer wieder auf lose herumliegende Asbestfasern. Das lässt sich nicht vermeiden. Zuweilen tauchen Fernsehteams in Wittenoom auf. Diese Leute trauen sich nur mit Schutzanzügen und Atemmaske in die Stadt.