Vermutlich leitet sich der Name vom kleinen Harzflüsschen Gose ab. Ein eigener, alter Bier-Typ, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Berliner Weißen hat. Autorin: Claudia Doyle
Gesetze verändern die Zukunft. Das bedeutet auch, dass sie die Vergangenheit meist in Ruhe lassen. Ändert zum Beispiel ein Telefonanbieter seine Tarifstruktur, dürfen Altkunden ihre gewohnten Konditionen behalten. Und jedes DDR-Moped, das seit jeher schneller unterwegs ist als es die Straßenverkehrsordnung im kapitalistischen Ausland erlaubt, bekam mit der Wiedervereinigung eine Sondergenehmigung: Sein Besitzer durfte die knatternde Schwalbe weiterhin zulassungsfrei fahren.
Ein ganz besonderer Sud
Auch altbewährte Lebensmittel brauchen sich modernen Gesetzen nicht zu beugen. Sogar eine ideologisch besonders stark aufgeladene Vorschrift, das Deutsche Reinheitsgebot, muss akzeptieren, dass sie nicht für alle Biere gilt. Das Reinheitsgebot stammt aus dem Jahr 1516. Die Brüder Herzog Wilhelm IV und Ludwig X, die gemeinsam Bayern regierten, legten darin fest, dass Bier fortan nur aus Hopfen, Gerste und Wasser gebraut werden solle. Hefe war damals noch unbekannt, wurde aber zwischenzeitlich in die rechtlich bindende Version des Reinheitsgebots, das Vorläufige Biersteuergesetz, aufgenommen.
Doch schon lange bevor die bayrischen Herzöge anfingen, den Bierbrauern Vorschriften zu machen, gärte in den Braukesseln weit nördlich des Weißwurstäquators ein ganz besonderer Sud. Brauer streuten Salz und Koriander in ihre Kessel, und wohl mehr zufällig als geplant fanden auch Milchsäurebakterien ihren Weg hinein. Das Ergebnis: ein salzig-säuerliches Getränk, Gose genannt.
Bereits der deutsche Kaiser Otto III., der im Jahr 996 den Thron bestieg, soll Überlieferungen zufolge ein Gose-Fan gewesen sein. Die älteste Urkunde, die diesen Bierstil erwähnt, datiert jedoch erst auf den 27. März 1332. Sie stammt aus dem Kloster Ilsenburg, ein ehemaliges Benediktinerkloster in Sachsen-Anhalt.
Die Gosestadt
Aus der grünen Mitte Deutschlands trat dieser Bierstil seinen Siegeszug an.
Populär wurde Gose vor allem in Leipzig. Um 1900 herum war sie das beliebteste Bier in der Stadt, die sich deshalb auch den Spitznamen Gosestadt gab. Das Volk trank das trübe, säuerliche Bier, dem eine verdauungsfördernde Wirkung nachgesagt wird, in sogenannten Gosenschenken. Ihr Bier erhielten sie fast alle von der Gosebrauerei in Döllnitz, einem kleinen Städtchen nicht weit von Leipzig entfernt.
Doch nach dem Zweiten Weltkrieg forderten die Russen Reparationszahlungen. Kurzerhand demontierten sie die Gosebrauerei in Döllnitz und entführten sie gen Osten. Damit war es um die Gose in Leipzig geschehen.
Erst im Jahr 1986 öffnete wieder eine Gosenschenke in der Stadt. Ihr ungewöhnlicher Name: Ohne Bedenken. Dieser stammt angeblich von dem Kellner Karl Schmidt. Karl Schmidt hatte viele Gäste zu bedienen, die noch nie eine Gose getrunken hatten und beim Anblick des trüblichen Biers skeptisch fragten "Kann man das Gesöff auch trinken?" Karl Schmidts selbstbewusste Antwort: "Ohne Bedenken!"
Gose polarisiert. Manche lieben, andere verabscheuen das säuerlich Bier, dass oft auch mit einem Schuss Fruchtsirup oder Kümmellikör verfeinert wird.