Sie schrieb ein Rezept für "Stärkungsschokolade" genauso wie ein "Gebet an den Mars". Friedrich der Große schätzte aber vor allem die Hymnen auf seine Person. So lud er Anna Louisa Karsch für den 11. August 1763 zum Gespräch.
Wenn Sie die Wahl hätten, schön zu sein oder schön dichten zu können, was würden Sie wählen? Keine Frage, oder? Schließlich lässt sich mit Lyrik heutzutage kaum noch ein Blumentopf gewinnen, während eindeutig erwiesen ist, dass gutes Aussehen auch der Karriere nützt. Aber vor 350 Jahren konnte sich eine hässliche Frau noch "hoch-dichten", wenn sie denn Talent besaß. Dies zumindest lehrt der Fall der Anna Louisa Karsch.
"Deutsche Sappho"
Nahe der polnischen Grenze, im entlegensten Teil Schlesiens geboren, von der Mutter wegen ihres unattraktiven Äußeren abgelehnt, vom Stiefvater verprügelt, erlebte die Karschin eine harte Kindheit. Dass Friedrich der Große ihr eines Tages, um genauer zu sein, am 11. August 1763 nachmittags um 5 Uhr, eine Audienz gewähren würde, hätten sich wohl weder ihr erster Mann, ein liebloser Tuchweber, noch ihr zweiter Mann, ein liederlicher Trunkenbold, träumen lassen. Ihre zweite Ehe, das offenbarte sie recht ungeniert, sei übrigens ein "Sklavenstand" und der Gatte "ein nur mit Menschenhaut bezogner Höllenbrand".
"Sie hatte, sagt man, niemals Unterweisung?" fragte der König neugierig. "Niemals, Ihro Majestät" antwortete die sozial schwache Dichterin damals im Marmorsaal von Sanssouci. Wenn es ihr auch an Vielem mangelte - an Keckheit mangelte es ihr nämlich nicht. "Meine Erziehung war die schlechteste."
"Durch wen aber ward Sie eine Poetin?" "Durch die Natur und durch die Siege Ihro Majestät."
In der Tat hatte die Karschin vor allem durch ihre Oden auf den hochverehrten Monarchen Aufsehen erregt. Während des Siebenjährigen Krieges schüttelte sie einen munteren Ruhmesvers nach dem nächsten aus dem Handgelenk - sehr zum Erstaunen der gebildeten höfischen Kreise, denen die eigenen gedrechselten Phrasen vermutlich zu den Ohren heraushingen.
Anna Louisa Karsch, die Dichterin aus dem vierten Stand, fand Fürsprecher und Förderer. Ein Büchlein mit ausgewählten Werken erschien. Man reichte die "deutsche Sappho", der Trinksprüche und Stegreifverse nur so von den Lippen flossen, bis nach Berlin herum. Goethe erbat sich von ihr "einen Pack Impromptus", der junge Herder lobte die "originalen Züge". Und der Philosoph Johann Caspar Lavater adelte schließlich sogar ihr unharmonisches Äußeres, indem er ihrem Gesicht zwar keine Schönheit, aber umso mehr Geist attestierte; und zwar besonders "in der Gegend zwischen der Nase und der Unterlippe". Auch Friedrich der Große zeigte sich beeindruckt, er entließ sie mit den Worten: "Ich will schon sehen, ich will sorgen für Sie."
Schnell vergessen
Ein eigenes Haus, Freiholz und 200 Taler Jahrespension - die Mutter und Stiefmutter zahlreicher Kinder und Enkel freute sich allerdings zu früh.
Die preußischen Staatskassen waren nämlich leider leer. Erst des Königs Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., löste das Versprechen kurz vor ihrem Tod teilweise ein. So blieb das Leben der volkstümlichen Dichterin - bei allem unverhofften Glück - bis zuletzt von Kummer und vor allem von Konflikten mit der bedürftigen Verwandtschaft überschattet, die den Hals nicht voll kriegen konnte.