Normbrunnenflasche klingt einfach hässlich. Perlenflasche schon besser. Am 8. August 1969 wurde die Einführung einer Pfandflasche für Mineralwasser beschlossen. Seitdem haben deutsche Flaschen eine ausgeprägte Taille.
Wenn einer lauthals von Perlhuhnbrust mit Wildspargel oder von Hummer an Parmesanschaum schwadroniert und dabei ständig mit der Zunge schnalzt, dann will er sagen: Ich bin ein Gourmet! Ich kenn mich aus!
Aber wie fein die Geschmacksnerven eines Menschen wirklich sind, das zeigt sich an ganz anderen Dingen. Daran etwa, ob er einen Gerolsteiner Sprudel von einem feinperligen Apollinaris, ein San Pellegrino vom Vittel Grand Source oder das Überkinger Medium vom Adelholzener Classic unterscheiden kann. Wasser, für den Fall, dass das jemandem entgangen sein sollte, ist nämlich nicht gleich Wasser.
500 verschiedene Wässerchen
Allein in Deutschland sind um die fünfhundert Mineralwassermarken auf dem Markt. Fünfhundert! Damit bei dieser Vielfalt der Überblick nicht verloren geht, hat der Gesetzgeber die "Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser" geschaffen, die das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen der Wässer regelt. Da heißt es zum Beispiel in Paragraf sieben Absatz eins, Mineralwasser dürfe - Zitat - "gewerbsmäßig nur in zur Abgabe an Verbraucher im Sinne des Paragrafen drei Absatz vier des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht werden." Die "zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Fertigpackung" ist im Fall des Mineralwassers: die Flasche.
Jetzt allerdings: Exakte Angaben über die Beschaffenheit der Flasche macht die Mineral- und Tafelwasserverordnung nicht. Warum, das ist nicht ganz klar, aber eigentlich kann der Grund nur darin liegen, dass die Verordnung aus dem Jahr 1984 stammt und damals längst die Normbrunnenflasche für Mineralwasser, auch Brunneneinheitsflasche genannt, in Gebrauch war. Am 8. August 1969 hatte die Genossenschaft Deutscher Brunnen die Einführung der gläsernen Mehrwegflasche beschlossen, und gleich darauf trat diese ihren, wie man so sagt, Siegeszug an.
Inzwischen ist sie zum Klassiker geworden, zur Mineralwasserflasche schlechthin. Null Komma sieben Liter Fassungsvermögen, die charakteristischen Noppen oberhalb der Einbuchtung in ihrer Mitte und oben drauf ein Schraubverschluss. Rund fünf Milliarden Mal ist sie auf den Markt gekommen, und die Deutsche Post AG hat ihr sogar eine Sonderbriefmarke gewidmet. Vermutlich hat die Flasche das ihre dazu beigetragen, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Mineralwasser massiv angestiegen ist: von zwölf Litern im Jahr 1969 auf mittlerweile rund einhundertvierzig Liter!
Schicke Flasche
Ein Erfolg, keine Frage. Aber! Wenn Hinz und Kunz Mineralwasser trinken, dann drängt es den Connaisseur, sich vom mainstream abzusetzen. Schließlich ist Wasser für ihn kein banaler Durstlöscher, sondern ein Lifestyleprodukt, und damit etwas, das in einer Einheitsflasche aus den 60er Jahren - Sonderbriefmarke hin oder her - nichts, aber auch gar nichts, verloren hat!
Für den Freund der modernen Spitzengastronomie gehört zu einem besonderen Essen ein besonderes Wasser - und wenn er schon den Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Wasser, zwischen Perlhuhn und Suppenhenne, zwischen Hummer und Brathering, nicht schmecken kann, dann möchte er doch wenigstens eine Flasche vor sich stehen haben, deren Design jedem sofort sagt: Da sitzt ein Gourmet! Der kennt sich aus!