Seit Urzeiten stand der Mond für Sehnsüchte, die sich in weichem Licht verklären, und auch er selbst schien so einladend und freundlich. Kein Wunder, dass er eines Tages Besuch bekam.
Lieber Mond, ich bete dich an.
Du hast keine Frau und ich keinen Mann.
Wenn du auch so denkst wie ich,
So komm herab und küsse mich.
Wenn der Mond am Nachthimmel steht, und sich sein milchig weißes Licht auf die Gemüter der Menschen legt, dann lassen Gefühle wie Zärtlichkeit und Leidenschaft nicht lange auf sich warten. Bei dem eben zitierten Spruch handelt es sich um den Rest eines Liebeszaubers, der im 19. Jahrhundert langsam zum Scherzvers wurde. Aber schön ist das kleine Gedicht mit seiner naiven Wehmut immer noch. Der Mond ist Verführer, Verführter und Gehilfe zugleich. Dies zeigt auch der folgende Liebesspruch aus der Oberpfalz:
Grüß dich Gott, mein lieber Abendstern;
Ich seh dich heut und allzeit gern.
Scheint der Mond übers Eck,
Meinem Herzliebsten aufs Bett;
Lass ihm nicht Rast,
Lass ihm nicht Ruh,
Dass er zu mir kommen muss.
Aber der Mond strahlt natürlich nicht nur auf die Oberpfalz romantisch herunter, sondern auf die ganze Welt. Eine mexikanische Erzählung erklärt sogar die Mondphasen als Liebesgeschichte: Der Sonnengott schickt sechs seiner Frauen in der Nacht an den Himmel, damit sie den Menschen Licht spenden.
Die heißblütigen Mondmädchen aber fangen an zu streiten, weil sie jetzt nicht mehr das Bett mit dem Sonnengott teilen können. Da regelt der Sonnengott für alle Mädchen abwechselnd die Sache so: Während der mondlosen Neumondnacht teilt ein Mädchen mit ihm das Bett und ist deshalb am Nachthimmel unsichtbar. Danach ist das Mädchen aber so erschöpft, dass es nur noch als magere Mondsichel am Himmel scheint. Bald erholt es sich wieder zum prallen Vollmond. Also Hälfte des Mondzyklus.
Doch dann quält das Mädchen wieder die Sehnsucht - so schlimm, dass es wieder beginnt abzumagern. Bei Neumond darf es dann wieder zum Sonnengott. Aber zurück zur Sehnsucht der Menschen nach dem Mond. Wie weit die geht, zeigen die vielen Versuche, dem bleichen Himmelskörper möglichst nahe zu kommen. Im kalten Krieg wurde verbittert um die Gunst des Mondes gebuhlt. Ähnlich zweier Verehrer stritten sich die zwei Herren USA und Sowjetunion um Luna, die runde Schönheit. Sie nur zu betrachten genügte nicht mehr, der Mond sollte keine unerreichbare Liebe bleiben. Man wollte sich ihm nähern, ihn sogar berühren, und wenn irgend möglich, einen Teil von ihm mit nachhause nehmen. Am 3. Februar 1966 war die Menschheit endlich an dem Punkt angelangt, von dem sie bis dahin nur geträumt hatte: Die sowjetische Mondsonde Luna 9 brachte den Mond den Menschen so nah wie nie zuvor. Luna 9 landete nach einem dreitägigen Flug durch die Weiten des Alls auf der Mondoberfläche, im Oceanus Procellarum, dem Ozean der Stürme.
Endlich war es möglich, den Mond geradezu zu berühren, zu erfühlen. Oder doch lieber ganz prosaisch gesagt: Mit Hilfe von technischen Geräten konnte man nun anfangen, die Strahlung an der Mondoberfläche zu messen und Panoramafotos zu machen. Denn jetzt war natürlich endgültig Schluss mit den gefühligen Annäherungen an den Trabanten. Als nächstes sollte immerhin der erste leibhaftige Mensch den Mond besuchen, und der wollte schon möglichst genau wissen, wohin er eigentlich fliegt. Gut drei Jahre später war es soweit, im Juli 1969 betrat der US-Amerikaner Neill Armstrong als erster Mensch den Mond.