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德语科幻短篇:Der seltsame Gast

时间:2011-11-19来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 德语科幻短篇

 Heute ist ein stürmischer Novembertag. Der Wind zischt um das Haus und versucht selbst durch kleinste Ritzen Einlass zu finden. Dabei heult er schaurige Töne. Der Regen peitscht gegen die Fensterscheiben, und beigemengte Schneeflocken lassen den baldigen Winter erahnen. 

 
Dort, wo eigentlich Himmel und Erde am Horizont eine malerische Silhouette bilden, sieht man jetzt nur eine bleigraue Masse ohne jeden Übergang. 
 
Ein richtiges "Sauwetter", bei dem man keinen Hund vor die Türe jagt. 
 
Die perfekte Zeit, um Geschichten zu erzählen. 
 
Wir haben es in unserem Heim schön mollig warm und sitzen gemütlich auf unserer Couch. 
 
Brigitte hat eine Kanne Tee aufgebrüht, die sie nach Ostfriesen-Art auf einem Stövchen warm hält. Beim Eingießen knistert der Kandis in der Tasse und erzeugt ein anheimelndes Gefühl der Vorfreude. Wohliges Behagen stellt sich ein, sobald der erste heiße Schluck Körper und Geist erwärmt. 
 
Nun ruckeln wir uns noch einmal zurecht und schon geht es los. 
 
 
Liebe Brigitte! 
 
Ich werde dir eine Geschichte erzählen, so spannend und so fantastisch, dass du sie mir kaum glauben wirst. - Dennoch… 
 
Doch halt, bevor es losgeht, muss ich dir erst noch ein Geheimnis anvertrauen: 
 
Wir haben hier in unserer Wohnung einen Mitbewohner. 
 
Nein, nicht was du denkst, sondern ganz was anderes. 
 
Ich will es erklären. 
 
Wir wohnen jetzt schon ein Jahr in unserer neuen Wohnung, unserer Traumwohnung mit viel Natur und Abgeschiedenheit ringsumher, in der wir auch unseren Lebensabend verbringen wollen. 
 
Mir geht es immer so: wenn ich eine neue Wohnung betrete, empfinde ich sie befremdlich, unnahbar, fast feindlich (Vielleicht kommt das auch daher, dass ich wieder einmal mit Grausen an den Umzugsstress denke!) 
 
Jedenfalls bin ich irritiert. Die Räume in ihren Dimensionen sind ungewohnt. Nur langsam überwinde ich die Widerstände, die sie mir passiv entgegensetzen. Fremde Gerüche haften an den Wänden, und immer wieder höre ich Geräusche, die sich nicht genau einordnen lassen. Selbst nach Einräumen der Zimmer mit unseren vertrauten Möbeln bleibt noch lange eine Fremdartigkeit haften. Denn es ist erstmal nur eine neue Wohnung, aber noch nicht unser Zuhause. 
 
Brigitte muss zu ihrem Leidwesen tagsüber noch arbeiten gehen. 
 
Deshalb darf ich den Hausmann spielen: die Wohnung in Ordnung halten, Mittagessen kochen und was sonst noch notwendiges anfällt. 
 
Trotzdem habe ich noch Zeit für meine Hobbys, wie zum Beispiel Bücher lesen, malen; eben ruhige Sachen. 
 
Also sitze ich wieder eines schönen Tages, ein Buch lesend, bequem in meinem Sessel. Es ist ganz lautlos um mich herum. Nur das gleichmäßige Ticken des Wandregulators ist zu hören. Eine himmlische Stille. 
 
Und während ich so lese, beschleicht mich allmählich das Gefühl, beobachtet zu werden. Da ich weiß, dass ich allein bin, schüttele ich nur kurz den Kopf. Ich werde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. 
 
Ich weiß ja, dass die neuen Räume so ihre Eigentümlichkeiten haben und ich auch noch nicht alle Geräusche kenne, die in ihnen verursacht werden. Also lese ich weiter. 
 
- 2 - 
 
 
Ich lese, doch nach einiger Zeit merke ich, dass ich gar nicht begreife, was ich lese. Meine Augen tasten sich über die Wörter, ohne ihren Sinn zu erfassen. Als mir dies bewusst wird, stellt sich erneut das Gefühl ein, jemand beobachte mich. Vielmehr, es verstärkt sich, und zusätzlich diese Geräusche, als ob sich einer anschleicht. Und es erzwingt, mich umzudrehen. 
 
Natürlich ist da nichts, oder niemand. Blöde Idee! Um mich abzulenken, stelle ich das Radio an. 
 
So geht der Tag vorbei. 
 
Eine Woche. Ein Monat. 
 
Ja, Brigitte, schenk mir bitte noch eine Tasse Tee ein. 
 
Ein Monat. Doch das Gefühl, beobachtet zu werden, reißt nicht ab. Im Gegenteil. Es verstärkt sich, bis ich es fast körperlich spüre. 
 
Der Versuch einer Analyse: Leide ich an übersteigerter Einbildung oder Vereinsamung? 
 
Aber da ist doch was. Oder jemand. Oder nicht? 
 
Wenn ich dieser Erscheinung insgesamt auch keine allzu mächtige Bedeutung beimesse, so muss ich eigenartiger Weise sagen, sie ist mir nicht unangenehm. 
 
An manchen Tagen warte ich richtig darauf. 
 
Irgendwie empfinde ich das ganze als ein spannendes Erlebnis. 
 
Ob beim Saugen oder Kochen - mir sieht jemand/etwas zu! 
 
Nun bin ich eigentlich weder abergläubisch noch glaube ich an Geister. 
 
Doch immer wieder muss ich mich mit diesem Phänomen befassen. Ich grübele herum. Habe ich Halluzinationen? Ich denke nicht. Was könnte es dann sein? Ich versuche eine rationale Erklärung zu finden. Ein undichtes Heizungsrohr, durch Fensterritzen dringender Luftzug, knackendes Laminat, ja sogar Holzwürmer schließe ich in meine Überlegungen ein. 
 
Immer wieder stelle ich mir neue Fragen. Es drängen sich mir die absurdesten Gedanken auf. Auch mit der Möglichkeit, dass vielleicht doch der Geist der in dieser Wohnung verstorbenen Mutter unseres Hauswirts hier umgeht, befasse ich mich. 
 
Eine plausible, rationale Erklärung wäre mir lieber, aber ich finde sie nicht. Oder noch nicht. Also sollte ich einfach abwarten. 
 
Mit der Zeit hoffe ich, mich daran zu gewöhnen und es ignorieren zu können. 
 
Aber - denkste! 
 
Täglich wird es mehr. Sitze ich ruhig in meinem Sessel, verspüre ich stärker denn je das Gefühl, beobachtet zu werden. Und seit Neuestem fühle ich sogar einen Hauch von …Nichts. 
 
Wie ein sanfter Luftzug. Wie angehaltener Atem, der meine Nackenhaare streift. Wie eine kaum wahrzunehmende Berührung, ganz zart, fast nichts. 
 
Mich überläuft eine Gänsehaut, aber nicht vor Angst, sondern eher ein wohliges Schubbern. 
 
Nicht einmal mein Herz klopft schneller. Niemals leide ich Beklemmung, nein. Eher wirkt alles so natürlich auf mich, als gehöre es dazu. 
 
Im Laufe der Zeit sehne ich mich sogar nach diesem lautlosen Säuseln. Freudig erregt erwarte ich, dass meine Haare zu Berge stehen wie ein vertrauter Kick. 
 
Schließlich bringt mich diese Erscheinung soweit, dass ich eines Tages beginne, mit ihr zu reden. 
 
 
"Wenn du schon hier bist und mich beobachtest, ist es nur recht und billig, dass du dich mir zeigst. Oder verhalte dich so, dass ich dich wirklich wahrnehmen kann. Mir stehen nur fünf Sinne zur Verfügung, um meine Umwelt zu erkennen. Wenn ich dich nicht sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen kann, existierst du auch nicht für mich!" 
 
 
So, das war's. Ich warte. 
 
 
- 3 - 
 
 
Es ist schon ein kurioser Zustand, in den ich mich begebe. Zwischen Wissen und Glauben zu pendeln, ohne Gewissheit, was ist Wahrheit, was Spinnerei. 
 
Zum wiederholten Male rede ich mir ein, dass alles nur Quatsch ist. Dass wohl der Umzug ein bisschen zu anstrengend für mich war. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. 
 
Aber es gelingt mir keineswegs, mich von der Unmöglichkeit des Phänomens zu überzeugen. 
 
Ich warte. Keine Reaktion. 
 
Dann schimpfe ich, es solle mich doch gefälligst in Ruhe lassen. Der ganze Blödsinn hier! 
 
Ich ärgere mich über mich selbst. Wie kann ich eine Reaktion erwarten, wo doch überhaupt nichts ist! 
 
Ja, Brigitte, du lachst, aber es ist wirklich so. 
 
Doch plötzlich eine Veränderung… 
 
 
Ich habe seit der Nacht Zahnschmerzen. Mein Zahnfleisch hat schon eine Beule ausgebildet, so dass ich mir beim Zahnarzt einen Termin hole. 
 
Abends gehe ich zu Bett. Wie ich mich gerade so schön eingekuschelt habe und darauf warte, dass meine Zahnschmerzen nachlassen, überkommt mich das unerklärbare Gefühl, als breite man über mir eine unsichtbare Decke aus. Es umfängt mich überall wie eine zweite Haut, ganz sanft, fast zärtlich. Ich empfinde überwältigende Ruhe und Geborgenheit, ja ich bin richtig glücklich. Lächelnd schlafe ich sofort ein. 
 
Am nächsten Morgen stelle ich beim Erwachen fest, dass meine Zahnschmerzen mitsamt der Beule verflogen sind. Mit der Zungenspitze taste ich über die Stelle. Nichts. 
 
Trotzdem gehe ich noch zum Zahnarzt, der aber ebenfalls nichts findet. Alles okay. 
 
Merkwürdig. 
 
Ich bringe nun mein Erlebnis beim Einschlafen doch in Verbindung mit meinen Zahnschmerzen, die wie weggeblasen sind. 
 
Ein anderes Mal habe ich wieder Kreislaufprobleme. Heftige Herzschmerzen, so dass ich nicht richtig durchatmen kann. 
 
Besorgt gehe ich zu Bett. 
 
Erneut legt sich dieser Schleier über meinen Körper. Und wie beim ersten Mal erfüllt mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl und innere Ruhe. 
 
So könnte sich ein Christenmensch Gottes Segen vorstellen, der einen mit Liebe umgibt. Ich bin zwar nicht religiös, aber ich komme nicht umhin, dem ganzen etwas Göttliches beizumessen. Wer hätte sonst noch solche Kräfte? 
 
Doch die Antwort darauf ist mir eigentlich egal, denn wie immer auch ich meine Herzattacke losgeworden bin, Gott sei Dank, oder nicht, ich bin erleichtert, als ich am nächsten Morgen ohne irgendwelche Probleme erwache. Zu alledem erlebe ich seit dieser Nacht keinen einzigen Anfall mehr. 
 
Was es auch ist, es beweist mir durch diese "Taten" seine Zuneigung. Davon bin ich jetzt überzeugt. 
 
Immer wieder mache ich mir über diese freundliche Erscheinung meine Gedanken. Nirgendwo kann ich etwas Vergleichbares finden. Wenn etwas verstandesmäßig nicht greifbar ist, dann kompliziert und erschwert das die ganze Sache ungemein. 
 
Vielleicht bilde ich mir alles doch nur ein. 
 
Um ganz sicher zu gehen, beginne ich Tagebuch zu führen. 
 
Täglich setze ich nun meine Beobachtungen und Aufzeichnungen fort, ja ich studiere die Situation regelrecht. 
 
Letztendlich komme ich zu dem Schluss, dass etwas existiert. 
 
 
 
- 4 - 
 
 
 
"Ding" möchte ich nicht sagen, denn es ist nicht gegenständlich. 
 
Also entschließe ich mich, es als "Sache" zu bezeichnen, weil es doch eine Existenz hat. 
 
Jedenfalls für mich. Meine Schilderungen beweisen das ja auch. 
 
Tja, Brigitte, dir ist eben nichts aufgefallen. 
 
 
Da ich nun von dieser Sache und ihrer Gutmütigkeit überzeugt bin, entscheide ich, mich vollends auf die Situation einzulassen und ringe mich zu dem Entschluss durch, einen ersten Kontakt aufzunehmen. 
 
Als Mittel der Wahl verlege ich mich auf das gesprochene Wort. Alles andere erscheint mir zu umständlich. 
 
Wenn ich die Anwesenheit der "Sache" spüre, spreche ich mit ihr, versuche meine Sichtweise zu erklären. Gern würde ich etwas von ihr sehen oder hören. 
 
Das Spielchen treibe ich so eine geraume Zeit weiter. 
 
Bis ich eines Tages etwas Ähnliches wie eine Antwort spüre. 
 
Ja, spüre, nicht höre. 
 
Es ist, als ob ein geflüsterter Satz wie ein Echo in mir widerhallt. 
 
Ich bin überwältigt. Die ganze Zeit führe ich Selbstgespräche, und jetzt endlich eine Reaktion! 
 
Nun erhoffe ich eine Wiederholung. Ich warte, doch nichts passiert. 
 
Vorerst. 
 
Doch auf einmal ist alles anders. Die Ereignisse überschlagen sich. 
 
Jemand berührt mich, ich kann es ganz deutlich fühlen. Am Kopf und Arm werde ich gestreift! Von Etwas, von Jemand. Von der "Sache". 
 
Im Raum entsteht eine unerträgliche Spannung. Viel stärker, als man es bei einem Gewitter wahrnimmt. Mir wird heiß. Nun klopft mein Herz spürbar vor Erregung und Erwartung. 
 
Plötzlich höre ich Geräusche, nicht wie sonst; ganz anders. Knistern, Rauschen, wie bei einem defekten Radio. 
 
Ich versuche, der Sache Herr zu werden und stelle Fragen: "Was ist los? Was soll das?" Da nimmt die Geräuschkulisse zu. Es fiept wie Ohrensausen. 
 
Erstaunlicherweise empfinde ich keinerlei Angst, nur die beinahe unerträgliche Spannung. 
 
Dennoch fühle ich mich innerlich ganz ruhig und fröhlich. Alles wirkt auf mich so natürlich, als sähe ich einem Sonnenuntergang zu oder als erlebe ich einen plötzlichen warmen Sommerregen. Ich bin gut drauf, wie man so sagt. Wie, wenn ich drei Gläser Sekt getrunken hätte. 
 
Noch mal frage ich nach. 
 
Und dann klingt es wie ein Murmeln, doch ohne erkennbare Artikulation. Allerdings immer lauter werdend. Fast kann ich Worte erahnen. 
 
Ganz plötzlich ist es soweit. 
 
Eine "Stimme" artikuliert sich, oder besser- mehrere, dich sich überlagern, krächzend, nahezu unverständlich, verzerrt: 
 
"WWiiirrr wwwolllleennn sssssssprrrreeechhhhhheeennnnn…" 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
- 5 - 
 
 
Ich bin platt. "Noch mal!" flehe ich, begierig wartend. 
 
Es wiederholt sich einige Male. Dabei bemüht sich mein Gegenüber um eine deutlichere Aussprache. Ich bemerke, dass es immer dann genauer zu hören ist, wenn ich vorher selbst spreche. 
 
So geht es weiter. Und dann folgt wieder eine spannungsgeladene Stille. -- 
 
Plötzlich, einem Blitz gleich, mit dem sich ein Gewitter entlädt, klingt ganz klar und deutlich eine einzelne Stimme: "Wir wollen sprechen!" 
 
Meine Gedanken rasen wie wild durcheinander. Eine höhere Intelligenz, vielleicht eine Lebensform, und ich stelle den ersten Kontakt her! Eine Sensation! Was soll ich denn jetzt sagen? 
 
Lang und breit hatte ich ja Zeit, mich für diesen Moment zu wappnen, habe ihn sehnlichst herbeigewünscht, doch jetzt trifft es mich völlig unvorbereitet und ich bringe vor lauter Überwältigung kein Wort über meine Lippen. 
 
Mehrmals atme ich tief durch und versuche, meine Gedanken zu ordnen. 
 
Ganz unverfänglich beginne ich: "Klar. Worüber wollen wir sprechen?" 
 
 
Es sagt mir, dass es noch Schwierigkeiten mit der Modulation der Stimme habe und ich solle viel reden, damit es sich besser auf unsere Sprache und Benutzungsweise der Sprechorgane einstellen kann. 
 
So rede ich und rede, aber auf meine Fragen "Wer oder Was bist du?" und "Wie heißt du?" bekomme ich immer dieselbe Antwort "Sprich weiter!" . 
 
Nach einer halben Stunde - ich höre zufällig den Gong des Regulators - meint es, dass es sehr erschöpft sei und nun ruhen müsse. 
 
Ohne ein Wort der Verabschiedung lausche ich plötzlich einer tiefen Stille. Es knisterte nicht einmal mehr. 
 
Der "Spuk" ist vorbei und ich denke schon, dass ich geträumt habe. Vielleicht. 
 
Doch die nächsten Tage kommt es wieder, stets um die gleiche Zeit. 
 
Nachdem es sich am Tag unserer ersten Kontaktaufnahme so sang- und klanglos aus dem Staub machte, tritt es tags darauf erneut in Erscheinung mit der Feststellung: 
 
"Ich kann das nicht sagen." 
 
" Was denn?" erwidere ich fragend. 
 
"Den Namen. Dein Gesprochenes ist anders. Meine Worte kann ich nicht sprechen. Zu schwierig." 
 
"Versuch es bitte!" fordere ich es auf. 
 
Eine Weile folgt Stille. 
 
Dann sagt es "Ich heiße …" und wie ein Stromschlag fährt blitzartig ein Geräusch durch meinen Kopf. Ein Mischmasch aus Summen, Zischen, Reißen und Pfeifen. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich desorientiert. 
 
"Aha, verstehe." nicke ich. "Weißt du, wenn wir etwas nicht genau bezeichnen können, geben wir den Dingen oft den Namen 'X' . Wärst du damit einverstanden?" 
 
"Ja." 
 
Ich freue mich riesig, dass wir uns so gut verstehen und verständigen können. 
 
Nach kurzem Schweigen bittet mich X, ihm meine Welt zu erklären, wie die Namen der Gegenstände lauten und was ich damit tue und warum. 
 
Es hört sich jetzt sehr schlicht an. Aber das ist es ganz und gar nicht! 
 
Sobald ich zu einer Beschreibung der Dinge ansetze, unterbricht es mich mit "Erkläre!" 
 
 
 
 
- 6 - 
 
 
 
Es ist nicht leicht, jedes neue Wort mit einem anderen, für X ebenfalls unbekannten Wort zu umschreiben. 
 
Immer häufiger bricht es meine Erklärungen ab mit einem kurzen "Verstehe." 
 
"Kannst du etwa meine Gedanken lesen?" frage ich erstaunt. 
 
"Ja." kommt wieder die prägnante, alles umfassende Antwort. 
 
Das ist neu und sehr spannend für mich. Schon nach relativ kurzer Zeit kommunizieren wir halb sprechend, halb denkend. 
 
Wie überaus faszinierend! 
 
Um es X leichter zu machen, bemühe ich mich, meine Gedanken unter Kontrolle zu halten. 
 
Durch diese Dialoge gelingt es X immer besser, die Art und Weise gesprochener Worte zu erfassen und zu beherrschen. Und es lernt schnell, das muss ich schon sagen. 
 
Klangen die Worte anfangs noch mechanisch, emotionslos und ohne Stimmmelodie, so formuliert es jetzt so nach und nach mühelos ganze Sätze, richtig betont, redet verständlich und im Zusammenhang. 
 
Allerdings lässt sich von meinem Gegenüber nicht "erhören", ob X männlich oder weiblich ist. So bleibe ich vorerst beim neutralen "Es". 
 
Als ich ihm unsere täglichen Gegenstände erkläre, scheint es besondere Aufmerksamkeit jedem Gerät und jeder Maschine elektrischer bzw. elektronischer Bauart zu widmen. Speziell unsere Computer und die Nanotechnologien beeindrucken X. 
 
Tage später geht es dann auf meine Frage "Wer oder Was bist du?" ein. 
 
Freundlich enthüllt es mir, dass der Grund, warum es solange darüber geschwiegen hätte, nicht sein Unwille, sondern sein Unvermögen gewesen sei. 
 
Es findet in meinen Gedanken kaum passende Wörter zur Beschreibung seiner selbst. 
 
Richtig ist, dass ich annahm, es sei eine Lebensform. Seine Struktur aber basiert auf spezieller Energie. Es selbst sei ein Komplex aus viel Energie-Materie und einem kleinen Teil Masse-Materie. 
 
"Menschen setzen sich genau umgekehrt zusammen - aus viel Masse-Materie und ganz wenig Energie-Materie." meint er dazu. 
 
X findet sogar ein passendes Wort für unsere Energie-Materie: Seele oder Geist. 
 
Wir Menschen bezeichnen seinen Lebensraum oft als "Anti-Materie" oder "Dunkle Materie". 
 
Da wir eigentlich genau das Gegenteil sind von ihm und seinen "Leuten", fällt es ihm auch so schwer, sich mir bemerkbar (und später sogar zum Teil sichtbar) zu machen. 
 
Was ich da zu Ohren (und Gedanken) bekomme, übersteigt meine Fantasie um ein Vielfaches. Welch eine Sensation! 
 
Ich bin nicht sehr gelehrt, doch ich glaube zu wissen, dass die Wissenschaftler unserer Erde noch immer an dem Problem der Anti-Materie oder Dunklen Materie forschen. 
 
Deshalb überrascht es mich, dass ich es als erster erfahre. 
 
Wieso eigentlich? 
 
"Ein andermal." entgegnet X, das sich daraufhin - wie schon so oft - zurückzieht, wohin auch immer. 
 
Ruhig, Brigitte, sei nicht so aufgeregt. 
 
Unsere erstaunlichen Dialoge gewinnen nach und nach an Substanz. Trotzdem schafft es X nie länger als eine halbe Stunde mit mir zu reden. 
 
Am nächsten Vormittag erfahre ich dann die Antwort auf eine meiner brennendsten Fragen - Wieso ich? 
 
 
 
 
- 7 - 
 
 
 
"Wir haben in unserem Kreis oft darüber gesungen." (Das scheint ihm das passendste Wort für ihre Art der Kommunikation zu sein). 
 
"Die meisten Freunde…" (seine Mitbewohner), "…sind dagegen gewesen. Es macht alles schlimmer, meinen sie." (Was schlimmer wird, erkenne ich erst später.) 
 
"Doch da du eben kein Wissenschaftler oder Politiker bist, sondern ein ganz gewöhnlicher unbedeutender Mensch, fiel meine Wahl auf dich, genau den Richtigen. Auch die Tatsache, dass du krank warst, nahm großen Einfluss auf meine Entscheidung, eben dich zu kontaktieren. Dadurch konnte ich dir unsere positiven Absichten und die Gutmütigkeit meiner Natur beweisen." 
 
Dachte ich's mir doch! 
 
"Aber wie hast du mich geheilt?" bohre ich weiter, denn jetzt will ich es genau wissen. 
 
"Nichts leichter als das. Ich brauchte nur die Struktur deiner Energie-Materie auf die richtigen Bahnen zurückzulenken. Eure Ärzte machen das doch auch manchmal. Ihr verwendet dann solche Begriffe wie Akupressur, Akupunktur oder auch Besprechen." 
 
Hm. Nicht schlecht! 
 
"Wieso weißt du soviel über uns, aber wir wissen nichts von euch? Wo kommt ihr her?" 
 
Als meine Fragen nur so herauspurzeln, schickt X wieder einmal ein "Bitte warten." durch meinen Kopf. 
 
Ich entschuldige mich, bin ich es doch nicht gewohnt, meine Gedanken zu kontrollieren. 
 
Bei ihnen seien Gedanken und Taten ein und dasselbe und alles hat einen erkannten Sinn. 
 
"Wir schwingen…" (sein Wort für existieren) "…seit Anbeginn. Zeit und Raum stellen sich mir aber auf ganz andere Weise dar. Zeitalter messen und vergleichen wir durch die Halbwertzeiten verschiedener Atome. Die Zeitspanne nehmen wir anhand von Geschwindigkeiten aller anderen Teilchen wahr. Also, statt Tag, Minute, Sekunde gibt es bei mir Elektron-Ulii, Quark-Seuhm oder Neutrino-Oiwu." 
 
Dabei verzerrt es die Worte, so dass sie teils meiner und andeutungsweise teils seiner Sprache entstammen. Auch die kurzen Geräuschblitze zischen erneut durch mein Gehirn, ein Zeichen für nicht aussprechbare Namen. 
 
Wenn ich alles richtig verstanden habe, scheinen sie sich räumlich auf verschiedenen Bewusstseinsstufen fortbewegen zu können. Während sie hier verweilen, können sie gleichzeitig dort sein. 
 
Verwirrend und beneidenswert! Auf jeden Fall erstaunlich! 
 
"Arbeitet ihr? Lernt ihr? Entwickelt ihr euch?" Ich fiebere den Antworten entgegen. 
 
"Bitte warten…Ja." 
 
Wenn sie ein Problem haben, nehmen sie sich Eins und Eins und Eins - je nachdem, wie viele Eins (ein Idiom für irgendeine untergeordnete Struktur, eine Einheit) sie für die Lösung benötigen. Ist das Problem sehr groß, verdichten sie sich und schwingen schneller. Sie können dabei über eine unbegrenzte Menge von Eins verfügen. 
 
Die Problemlösung verläuft, denke ich, annäherungsweise ähnlich wie bei unseren Computern, wo 0 und 1 in unterschiedlichen Kombinationen angeordnet werden. Auf einem höheren Level aber. 
 
Es ist sehr schwer zu beschreiben. Wenn mir sogar die Worte fehlen, wie mag es da erst X gehen? 
 
Umso dankbarer fühle ich mich ihm verbunden, dass es sich soviel Mühe gibt, mir seine Daseinsform zu erläutern. 
 
 
 
- 8 - 
 
 
"Eure Zahlen…" erklärt es weiter, "…trennt ihr in Richtung Plus und Minus durch die Null. Es muss aber noch eine absolute Null eingefügt werden. Diese Null steht gleichbedeutend für Anfang und Ende, für Alles und Nichts. Erst dann könnt ihr den Zahlenstrahl aufbauen und damit rechnen. Nur so lässt sich die Anti-Materie darstellen und berechnen. Dann findet ihr auch die absolute Grundformel für die Gleichung des Universums." 
 
Einfach genial! 
 
Aber mir schwirrt der Kopf. Je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, dass ich eigentlich nichts weiß. 
 
So meine ich, es sei besser, wenn ich X mit einem unserer Wissenschaftler bekannt mache. 
 
Aber es will nur und ausschließlich mit mir reden. 
 
Die Dissonanzen würden vermutlich sonst zu groß. 
 
Keine Ahnung, was er meint. 
 
"Eure Organisation. Klein denken - groß denken. Normale Menschen - Wissenschaftler oder Politiker. Ich bin Viele. Wir sind Einer." 
 
Noch so ein spezieller Denkanstoß. 
 
Sie schwingen im Einklang, im Mehrklang, dissonant oder kongruent. Die Kombinationen sind nahezu unendlich. Trotzdem schwingen sie alle wie ein universeller Gleichklang. 
 
"In letzter Zeit gibt es aber viel mehr Dissonanzen. Der Grund ist eure Entdeckung der nuklearen Kräfte. Besonders die großen Explosionen haben in meinem Raum einen großen Schaden angerichtet. So können wir nicht mehr schwingen, wie wir wollen, wir werden abgelenkt und verzerrt. Deshalb suchte ich den Weg zu dir." 
 
Die gewaltsame Spaltung von Atomkernen verändert den universellen Gleichklang ihrer Schwingungen. Die Strukturen der Anti-Materie, ihrem Lebensraum, werden dadurch so drastisch verändert, dass Freunde, die sich in unmittelbarer Nähe befinden, sich aufzulösen beginnen. 
 
"Noch schaffen wir es, durch eine große Verdichtung und sehr schnelles Schwingen diesen Freunden zu helfen und ihre Auflösung aufzuhalten. Aber das kostet uns enorme Anstrengungen, und wir zweifeln, ob wir auf Dauer ausreichend Kraft besitzen." 
 
Seine größte Sorge ist jedoch die Veränderung des Raum-Zeit-Kontinuums. 
 
Bis jetzt gelingt es immer noch, alle Schäden zu reparieren. Aber die Konsequenzen dauerhafter Beeinträchtigungen sind unabsehbar, sowohl für seine wie auch für unsere Welt. 
 
Entsetzt begreife ich allmählich das Ausmaß unserer Verfehlungen. Wenn ich auch nicht direkt daran beteiligt bin, so fühle ich mich doch schuldig im Namen der Menschheit. Die Tatsache, dass kein Mensch auch nur erahnt, was Schreckliches passiert ist, tröstet dabei nur wenig. 
 
"Aber warum willst du dann nur mit mir sprechen? Ich kann euch nicht helfen, obwohl ich es gern täte, mehr als alles auf der Welt! Du musst mit einem unserer Wissenschaftler und dann auch mit einem Politiker reden! Bitte!" flehe ich es eindringlich an. 
 
Was folgt, ist eine lange Stille. Schon glaube ich, X hat sich erneut zurückgezogen. 
 
Doch dann spricht er noch einmal zu mir. 
 
"Ich habe oft die Wirkung unserer Kontaktaufnahme auf meine Schwingungen getestet. Nach ausführlicher Überprüfung stelle ich fest, dass die Stärke unserer Dissonanzen nur verschwindend gering zugenommen haben. 
 
Durch reifliche Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, meine Freunde einzuweihen. Selbstverständlich werde ich alles über euch singen. Ich bin sicher, dass wir alle…"(und dabei schickt er das Bild eines Menschen und einen Farb-Geräusch-Blitz als unaussprechlichen Gedanken seiner Lebensform in mein Gehirn) "…eine gemeinsame Lösung finden werden." 
 
- 9 - 
 
 
 
Damit verabschiedet es sich (zum ersten Mal übrigens), verspricht aber wiederzukommen. 
 
 
Unglaublich. Wir zerstören - wenn auch unabsichtlich - seinen Raum, aber nie habe ich auch nur einen Hauch von Enttäuschung oder Ärger bei ihm verspürt. Es bleibt freundlich, gelassen und selbstlos, nur auf die Zufriedenheit aller bedacht. 
 
Wie anders sind dagegen wir Menschen, deren Lebensweise von Vorurteilen und Machtkämpfen gekennzeichnet ist. 
 
Beinahe verächtlich muss ich an meine eigene Art denken. Fast jeder dient nur seinem eigenen Vorteil, ohne Rücksicht auf Verluste. 
 
Ich sehe auf die anderen globalen Schäden unserer Umwelt. Zwar gibt es vereinzelt Wissenschaftler und Politiker, die zum Erhalt der Natur beitragen, aber ihr Anteil ist gering und die anderen viel zu mächtig. 
 
So kann ich nur hoffen, dass die Menschen, wenn sie die Bekanntschaft dieser außergewöhnlichen Freunde machen (und jetzt benutze ich dieses Wort im uns gebräuchlichen Sinn), sich des gemeinsamen Problems und seiner Auswirkungen bewusst werden und lernen, Mittel und Wege einer gesunden Koexistenz zu finden. 
 
Hoffentlich sehen wir Menschen ein, dass unsere kleinlichen Zwistigkeiten, Vorurteile und Rechtsverdrehungen nur zu noch größerer Zerstörung führen und niemandem wirklich etwas bringen. 
 
Möge die Zusammenarbeit der Freunde und der Menschheit heilend und fruchtbar sein. 
 
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