Holzsammler, Katze, Schlange und Fisch, oder: Tu den Tieren Gutes, es wird dich nicht gereuen
Es war einmal eine alte Frau, die hatte einen Sohn; den schickte sie jeden Tag aus, Holz zu sammeln und zu verkaufen. Auch spann sie jeden Tag eine Spindel voll und gab ihm das Garn zum Verkauf. Er verkaufte auch jedes Gebinde für einen Para, aber das Geld gab er nicht seiner Mutter, sondern tat Gutes damit.
Einmal, als der Bursche Holz holen ging, traf er einige Kinder, die einen kleinen Hund schlugen. Das Hündchen tat ihm leid, er kaufte es ihnen für einen Para ab und rettete es so vor den Schlägen. Das Hündchen zog nun mit ihm.
Ein andermal, als er wieder Holz holen ging, begegnete er anderen Kindern, die ein Kätzchen schlugen und es totschlagen wollten. Er hatte Mitleid mit dem Kätzchen und, wohl oder übel, gab den Kindern einen Para und rettete es so vor den Schlägen. Da zog auch das Kätzchen mit ihm, und von da an gingen Hund und Katze immer mit dem Holzverkäufer zusammen, wohin er auch ging.
Einmal aber, als er im Gebirge war und Holz sammelte, erblickte er eine brennende Buche, und auf der Buche zischte eine Schlange und rief um Hilfe. Der Bursche trat herzu, und die Schlange bat ihn, ihr zu helfen, sie aus dem Feuer zu retten. "Ich habe Angst, daß du mich beißt", antwortete er.
"Nein", sagte darauf die Schlange; "hab keine Angst, ich tu dir nichts Böses, sondern ich will dir geben, was du wünschest." Da streckte er eine Stange an die Buche, die Schlange wickelte sich um die Stange und rettete sich so aus dem Feuer. Darauf sagte sie zu ihm: "Jetzt bringe mich zu dem Drachen, dem Zaren der Schlangen; der wird dir einen Beutel mit Geld anbieten, du darfst ihn aber nicht nehmen, sondern fordere von ihm den Ring, den er unter der Zunge trägt, und sowie er ihn dir gibt, stecke du ihn auch unter die Zunge und behalte ihn immer dort; mit dem Ringe wird dir dann alles zuteil, was du wünschest."
Der Holzsammler ging nun mit der Schlange zu dem Drachen, dem Schlangenzaren, und forderte den Ring von ihm, wie sie ihn gelehrt hatte. Der Zar gab ihm den Ring, er steckte ihn sich unter die Zunge und ging nach Hause.
Dort sagte er zu seiner Mutter: "Mutter, geh zum Zaren und verlange seine Tochter für mich." Die Mutter ging und tat so; aber der Zar jagte sie fort und sprach: "Mach, daß du fortkommst, soll ich meine Tochter einem Burschen geben, der Holz sammelt und verkauft? Laß deinem Sohn ein Schloß errichten wie meins, dann will ich sie ihm geben." Die Mutter ging nach Hause und erzählte ihrem Sohne, was der Zar geantwortet hatte. Da sagte der zu dem Ringe: "Ich wünsche mir ein Haus wie das Zarenschloß", und sogleich stand eins da wie das Zarenschloß. Da schickte er seine Mutter zum zweiten Mal zum Zaren, um dessen Tochter zu verlangen und ihm zu sagen, daß ihr Sohn ein Schloß errichtet habe wie seines, ob er sie ihm nun geben wolle oder nicht? Die Mutter tat, wie ihr Sohn es anbefohlen hatte; der Zar aber antwortete ihr: "Laß deinen Sohn die Straße, die meine Tochter ziehen soll, mit Gold pflastern, dann will ich sie ihm geben." Die Mutter ging wieder nach Hause und berichtete ihrem Sohne, was der Zar gesagt hatte: "Du sollst die Straße vom Tor des Zarenschlosses bis zu deinem, die seine Tochter ziehen soll, mit Gold pflastern, dann will er sie dir geben; so befiehlt der Zar." Der Bursche pflasterte nun mit Hilfe des Ringes den ganzen Weg vom Tore des Zaren bis zu seinem mit Gold und schickte wieder seine Mutter zum Zaren, ihm das zu berichten und die Tochter zu verlangen. Sie ging und sagte dem Zaren: "Erhabener Zar! du siehst, mein Sohn hat den ganzen Weg von deinem bis zu unserm Tor mit Gold gepflastert; wie nun, willst du ihm jetzt deine Tochter geben?" Der Zar antwortete ihr: "Laß deinen Sohn einen Garten herrichten wie meinen, darin sollen die Nachtigallen singen und die Falken schreien wie im Mai; dann will ich sie ihm geben." Die Mutter ging nach Hause und berichtete ihrem Sohne die Antwort des Zaren. Der Bursche aber sprach zu dem Ringe: "Ich wünsche morgen, wenn ich aufstehe, einen Garten vorzufinden wie den des Zaren mit Nachtigallen und Falken", und am nächsten Morgen war es nach seinem Wunsche geschehen. Die Mutter ging nun wieder zum Zaren und verlangte seine Tochter. Da antwortete der Zar: "Dein Sohn soll mit dem Hochzeitsgefolge kommen, alle auf weißen Pferden und in weißen Kleidern." Der Sohn tat so, zog zum Zaren, bekam dessen Tochter und ging mit seiner jungen Frau nach Hause.
Der Zar aber hatte einen Diener, einen Neger; der sagte eines Tages zu der jungen Frau: "Kannst du nicht herausbringen, mit was dein Mann alles ausführt, was er sich nur denkt?" Sie antwortete ihm: "Er hat einen Ring, den er unter der Zunge hält, mit dem macht er die Sache." Der Neger sagte weiter: "Kannst du ihm den nicht auf irgendeine Weise wegnehmen und mir ihn geben? Er hat ja schon alles und braucht ihn nicht mehr." - "Ich kann ihn nicht wegnehmen, er hält ihn immer unter der Zunge fest." - "Mach deinen kleinen Finger im Wasser naß," riet der Neger, "stecke ihn dann in die Pfefferbüchse und fahre deinem Mann damit in die Nase, wenn er schläft; er wird dann niesen, der Ring wird ihm aus dem Munde und ins Bett fallen; dann nimm ihn und gib ihn mir." Die Frau tat so und gab dem Neger den Ring; der nahm ihn und legte ihn unter die Zunge.
Eines Tages sprach der Neger zu dem Ringe: "Ich wünsche, daß du mich ins Gebirge versetzest mit dem Schloß des Holzsammlers, daß das Schloß mein wird, und daß er wieder in seiner alten Hütte wohnt." Sofort geschah das. Am anderen Morgen wunderte sich der Bursche, des Zaren Schwiegersohn, wie es gekommen wäre, daß er sich wieder in einer ärmlichen Hütte befand, und sagte zu seiner Mutter: "Mutter, ich will den Esel nehmen, den Hund und die Katze, will gehen und überall herumwandern, mein Schloß zu suchen." Wie er gesagt hatte, so tat er.
So wanderten sie dahin und kamen an einen Fluß mit starkem Strom. Am Ufer fand der Bursche einen Fisch, der rücklings auf dem Trocknen lag, ergriff ihn und warf ihn ins Wasser. Der Fisch dankte ihm für seine Güte und sagte zu ihm: "Für das Gute, das du mir getan hast, will ich dir auch alles Gute tun, was du wünschest; schneide mir eine Flosse ab, und wenn du irgend etwas von mir brauchst, brenne sie an, ich komme dir dann gleich zu Hilfe." Der Bursche schnitt dem Fisch eine Flosse ab und steckte sie ein.
Nach kurzer Wanderung erblickte er das Schloß. Da schickte er Hund und Katze aus, daß sie in das Schloß gehen, dem Neger den Ring wegnehmen und ihm bringen sollten. Sie gingen; die Katze stieg in die Stuben hinauf, der Hund blieb unten am Tor. Die Mäuse im Schlosse hielten gerade Hochzeit; als die Katze hereingetreten war, fing sie den Bräutigam; da sammelten sich alle Mäuse um die Katze und versprachen ihr alles, was sie nur haben wolle; nur solle sie ihnen den Bräutigam freilassen.
Die Katze willigte ein, den Bräutigam freizulassen, wenn die Mäuse dem Neger den Ring wegnähmen und ihn ihr brächten; sie gab ihnen auch an, wie sie ihn bekommen könnten: "Macht euch die Schwänze mit Wasser naß, dann pfeffert sie in der Pfefferbüchse ein, und wenn er schläft, steckt sie ihm in die Nase; dann wird er niesen, und der Ring wird ihm herausfallen. Ihr nehmt ihn und bringt ihn mir, dann gebe ich euch den Bräutigam." Die Mäuse taten das, brachten der Katze den Ring, die gab ihnen den Bräutigam frei und ging mit dem Ring davon. Der Hund wartete unten am Tore auf sie, und sie rief ihm zu: "Laß uns schnell laufen, ich habe den Ring", und so machten sie sich fort. Als sie an den Donaufluß kamen, sagte die Katze zu dem Hunde: "Jetzt will ich auf dir reiten, damit wir über die Donau kommen." Der Hund duckte sich, sie stieg auf, und so wollten sie über den Fluß schwimmen. Aber als sie in der Mitte waren, sagte der Hund zu der Katze: "Gib mir den Ring, ich will ihn tragen; wenn nicht, laß ich dich ins Wasser plumpsen." Die Katze nahm den Ring aus dem Maul, um ihn dem Hunde zu geben, aber als sie ihn hinreichte, fiel er in den Fluß. Was nun? Sie gingen weiter zu ihrem Herrn, dem Holzsammler, und die Katze erzählte ihm alles, wie es zugegangen war. Da fiel dem Burschen der Fisch ein; er brannte die Flosse an, die er eingesteckt hatte, und als der Fisch die Hitze merkte, eilte er sogleich zu ihm hin und fragte: "Wozu brauchst du mich? Ich bin da."
Der Bursche antwortete: "Mir ist ein Ring mitten im Flusse hineingefallen; kannst du mir ihn wieder herausholen?" - "Das kann ich," sagte der Fisch, "ich bringe ihn dir jetzt gleich." Sofort tauchte er auf den Grund des Flusses, fand den Ring und brachte ihn herbei. Der Bursche nahm ihn und ging seines Weges.
Als er nun den Ring hatte und nach Hause gekommen war, sprach er zu dem Ringe: "Ich wünsche zu sein, wie ich früher gewesen bin, das Schloß soll wieder meins sein, und der Neger und meine Frau sollen zusammen in einer Stube sein." Das geschah sogleich. Dann lud der Bursche seinen Schwiegervater, den Zaren, zum ersten Besuch nach der Hochzeit ein; der kam auch, aber solange er da saß, fragte er nicht nach seiner Tochter. Endlich stand er auf und ging durch das Schloß seines Schwiegersohnes. Der öffnete ihm auch die Tür der Stube, wo der Neger mit seiner Tochter schlief, und erzählte ihm alles, was die gemacht hatten. Als der Zar das sah und alles vernommen hatte, was sein Schwiegersohn ihm erzählte, zog er seinen Säbel und hieb dem Neger und seiner Tochter den Kopf ab, seinem Schwiegersohn aber sagte er: "Ich werde dir meine zweite Tochter zur Frau geben."
Quelle: August Leskien, Balkanmärchen aus Bulgarien, Jena, 1919