Es war einmal eine Mutter, die hatte auch einen Sohn; der Junge hatte aber keine Lust zu arbeiten, er war zu faul. Die Mutter sagte ihm: "Aber Sohn, wenn du schon nichts anderes arbeitest, geh wenigstens mit dem Esel Holz holen." Der aber antwortete: "Hol mir ihn doch, wenn du willst, daß ich nach Holz gehen soll." Die Mutter holte ihm den Esel und sprach: "Da, ich habe dir den Esel geholt, nun geh also!" - "Setz mich auf den Esel, wenn du willst, daß ich nach Holz gehen soll", sagte der Junge weiter. Da setzte sie ihn auf den Esel und sagte wieder: "Da, ich habe dich daraufgesetzt, mach vorwärts und geh!" Sie legte ihm auch noch das Beil auf den Esel und brachte ihn so mit aller Mühe dahin, daß er ging.
Der Junge zog nun seines Weges, Holz zu holen; nach einiger Zeit kam er ans Meer, da fiel ihm das Beil herunter. Er war zu faul, abzusteigen und es aufzunehmen, sondern blieb auf dem Esel sitzen und wartete. Da war aber ein Fisch aufs Trockene geraten und konnte nicht wieder ins Wasser kommen. Als der den Jungen sah, bat er ihn: "Du Junge! trag mich ins Meer, und was du willst, gebe ich dir." - "Gib mir das Beil da," antwortete der Junge, "wenn du willst, daß ich dich ins Wasser trage." Der Fisch bewegte den Schwanz, hob den Stiel des Beils in die Höhe, so konnte der Junge es fassen, und dann sagte er zu dem Fisch: "Was willst du mir nun geben, daß ich dich ins Meer trage?" - "Was ich dir gebe?" antwortete der Fisch, "ich habe nichts, was ich dir geben kann, nur das kann ich machen: wenn du sagst: 'Lengo und Sawe und das Meer', dann wird dir alles zuteil, was du willst." Da warf der Junge den Fisch ins Meer, der schwamm gleich fort, und der Junge blieb am Ufer stehen. Nun fing er an nachzudenken, was er machen und was sich wünschen soll. Zuletzt fiel ihm ein, er wolle sagen, daß ihm ein Tisch mit Essen hingestellt werden soll, und so sagte er: "Lengo und Sawe und das Meer! Es soll mir ein Tisch mit allerlei Speisen dastehen." Und sogleich stand der Tisch mit schönen Speisen da. Der Junge aß sich satt und ging dann ins Gebirge nach Holz. Wer sollte ihm aber nun das Holz sammeln? Er war zu faul dazu. Da sagte er wieder: "Lengo und Sawe und das Meer! Es soll mir Holz aufgelesen und auf den Esel geladen werden." Sofort war das Holz aufgelesen und dem Esel aufgeladen. Der Junge ging mit dem Holz nach Hause.
Unterwegs kam er am Zarenschloß vorbei. Die Zarentochter stand am Fenster, der Bursche sah sie und sagte: "Lengo und Sawe und das Meer; dies Mädchen soll schwanger werden." Da wurde sie gleich schwanger ohne Mann. Das Kind in ihrem Leibe wuchs und wuchs, und sie wunderte sich: "Wie ist denn das gekommen? Und was soll ich meinem Vater sagen, wenn er es merkt?" Die Zarentochter war nämlich sehr schön, und ihr Vater hatte sie im Palast eingeschlossen, daß sie mit keinem Mann verkehre. Endlich merkte der Vater, daß seine Tochter schwanger war, rief sie ganz allein zu sich und sprach: "Aber, Tochter! was machst du mir da für Scham und Schande? Von wem hast du's? Wohin bist du gegangen, oder wer ist zu dir gekommen?" Das Mädchen war sehr erschrocken und antwortete mit Zittern: "Ich bin nirgends hingegangen, Vater, auch ist keiner zu mir gekommen, ich habe gar keinen Mann gesehen." Ihr Vater glaubte ihr aber nicht, ließ sie in den Block spannen und ihr die Bastonade geben, sie aber blieb dabei: "Ich weiß nicht und weiß nicht!" Zuletzt sagte sie ihm: "Ein Bursche mit einer Last Holz kam am Schloß vorüber, sah mich am Fenster und murmelte etwas vor sich hin, und von der Zeit an fühlte ich, daß ich schwanger sei!" - "Wie kann es sein, daß eine vom bloßen Ansehen schwanger wird?" erwiderte der Vater; er wollte ihr das durchaus nicht glauben, sie aber schwur, schlug sich an die Brust und sagte: "Wenn du willst, Vater, glaube mir; wenn nicht, nimm mein Leben - wirf mich ins Meer." Da ließ der Zar den Burschen holen und fragte ihn, ob er das Mädchen zur Frau nehmen wolle. Der sagte ja, und der Zar gab sie ihm, setzte die beiden in ein Schiff, gab seiner Tochter einige Kränze Feigen und ließ das Schiff treiben.
Sie trieben nun lange auf dem Meere, dann aber sagte die Zarentochter zu ihrem Mann: "Mann, sage doch, daß wir ans Land kommen." - "Gib mir eine Feige, wenn du willst, daß ich es sage", antwortete der.
Sie gab ihm einen Kranz Feigen, und er sagte: "Lengo und Sawe und das Meer! Wir wollen ans Land." Und sogleich waren sie am Lande und setzten sich am Ufer nieder. Wiederum sagte die Frau zu ihm: "Sag wieder etwas, daß sich hier ein Schloß aufbaue, in dem wir wohnen und leben können."
Der antwortete wieder: "Gib mir eine Feige, wenn du willst, daß ich es sage." Da gab sie ihm noch einen Kranz Feigen, und er sagte wieder: "Lengo und Sawe und das Meer!" Sogleich stand ein Schloß da, schön, mit allem Nötigen, mit allen möglichen schönen Teppichen und mit allem Hausgerät. Da gingen sie hinein und wohnten dort. Eines Tages gingen die Leute des Zaren auf die Jagd, und als sie auf dem Heimwege waren und das Schloß erblickten, gerieten sie sehr in Erstaunen: bis gestern war nichts da, und wie war da ein so schönes Schloß entstanden? Sie erzählten dann dem Zaren von dem Schloß am Meeresufer, der wunderte sich auch und sagte gleich, er wolle gehen und es ansehen.
Als der Zar dahin kam und es sah, ging er hinein, und die beiden, die da wohnten, seine Tochter und sein Schwiegersohn, empfingen ihn, wie es einem Zaren gebührt. Dann sagte der Schwiegersohn: "Lengo und Sawe und das Meer! Es sollen dem Zaren goldne Tische, goldnes Geschirr und kaiserliche Gerichte vorgesetzt werden." Und sogleich erfüllte sich sein Wunsch.
Die Zarentochter hatte sich bis dahin ihrem Vater noch nicht zu erkennen gegeben. Sie hatte ihn gleich, als er eintrat, erkannt, er sie aber nicht. Dann gab sie sich ihm zuerst kund, und er erkannte sie dann auch und fragte sie, wie sie zu einem solchen Palast gekommen sei und zu so schönen Geräten und Speisen und zu solchem Reichtum. Da erzählte sie ihm alles von Anfang bis zu Ende, was und wie es gewesen war. Da nahm der Zar seinen Schwiegersohn, den ehemaligen Holzsammler, und seine Tochter mit sich und setzte ihn auf den Thron.
Quelle: August Leskien, Balkanmärchen aus Bulgarien, Jena, 1919