„Was für eingebildetes Zeug ist das?“ riefen die Beine. „Das verstehe, wer kann!“
„Wir verstehen es wohl,“ sagten die Augen, die sich in der Welt umgesehen hatten.
„Na also,“ rief das Herz. „Und nun müßt ihr wissen, daß ich die Aufsicht und die Reparaturen besorge.“
„Natürlich — Prahlhans!“ schalt der Magen.
„Was der Bursche sich einbildet,“ riefen die Beine.
„Laßt uns nun die Geschichte zu Ende hören,“ verlangten die Augen.
„Ja,“ fuhr das Herz fort. „Es ist ganz richtig, daß die Augen die Nahrung sehen, und daß die Ohren hören, wenn zu Tisch gerufen wird, und die Beine hingehen und die Hand die Nahrung in den Mund steckt und die Zähne sie kauen und der Magen sie verdaut.“
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„Das ist ja sehr schön,“ sagte der Magen spöttisch. „Aber was tust du denn eigentlich, mein Freund?“
„Das ist nicht schwer zu verstehen,“ sagte das Herz. „Willst du mir einmal sagen, mein lieber Magen — was könnte es nützen, daß die Nahrung wohl verdaut in dir läge, nachdem du und die Zähne und die Augen und die Ohren und die Beine und die Hände ihre Pflicht getan und sie dahin gebracht haben? Das könnt ihr euch an den Fingern abzählen: es nützt nicht ein bißchen! Die Nahrung muß in den Körper hinein, das muß sie — muß in die Runde in dem ganzen Jungen, zu jedem einzigen Rade hin, das schnurrt und sich abnützt. Und das besorge ich.“
Da war es ein Weilchen still in dem Jungen. Dann sagten die Beine: „Darf ich deine Beine einmal sehen? Du mußt gute Beine haben, um so rundherum laufen zu können.“
„Ich habe gar keine Beine,“ erwiderte das Herz. „Ich habe nur mein Blut, und das ist vollkommen hinreichend. Wenn der Magen die Nahrung verarbeitet hat, saugt mein Blut sie auf. Und dann peitscht das Blut mit ihr in dem ganzen Jungen herum. Überall habe ich in ihm Adern angelegt, das sind feine Kanäle, die bis in seine Nasenspitze reichen und in seine kleine Zehe und die Spitze seines kleinen Fingers. Unaufhörlich pumpe und pumpe ich das Blut in die Adern hinaus und wieder zurück. Schlag auf Schlag geht es, — viele[S. 261] Schläge in der Minute. Wohin das Blut kommt, da gibt es ein wenig Nahrung an alle Teile ab. Auf diese Weise wird alles, was in dem Jungen verschlissen ist, repariert, und so wächst er nach und nach, bis er ein ganzer Mann wird. — Was sagt ihr zu der Erklärung?“