„Ja, Verzeihung. Man erzählt ja, so gut man’s versteht. — Na. Also dann kam einmal ein grauenhafter Sturm, der wehte mich um, und ich fiel plumps! ins Moorwasser hinein. Da hab’ ich lange, lange Zeit gelegen... im ersten Frühling bekam ich sogar Knospen. Die sprangen auf, genau so wie damals, als ich noch ein Baum war. Aber das war bald vorbei. Der Biber benagte mich, und im Wasser begann ich zu faulen. Nach und[S. 114] nach kam ich ganz von meinem Stumpfe los, und dann sank ich.“
„Sieh, sieh,“ sagte die Steinkohle. „Du hast ja wirklich etwas erlebt.“
„Weiter!“ bat der Koks.
„Ja, da sank ich denn nun und sank und sank. Manchmal ging es schneller und manchmal langsamer. Bald blieb ich an etwas hängen, und bald sträubten sich meine Zweige. Aber hinunter kam ich doch, tief hinunter in das braune Wasser. Um mich her wuchs allerhand Grünzeug zusammen, und dies und jenes sank zu mir herab, so daß ich allmählich ganz vergraben war im Schlamm. Und da fing ich ernstlich zu faulen an.“
„Uha,“ rief das Brennholz. „Das Faulen ist eine ekelhafte Geschichte. Ich hatte mal einen unglücklichen Zufall an meiner einen Seite, wo ein Zweig abgebrochen war. Da kam der Specht und hackte ein Loch hinein, die Larven nagten, das Regenwasser sammelte sich zu einem kleinen See... es war widerlich! Ich hatte einen Vetter, der neben mir stand und einen ähnlichen Zufall erlitt. Der wurde ganz hohl davon.“
„Laß du den Torf reden!“ mahnte der Koks.
„Eigentlich hab’ ich nichts mehr zu erzählen,“ sagte der Torf. „Allmählich bin ich vollständig aufgefault. Es blieb nicht viel mehr von mir übrig als ein Knast, der mitten in mir sitzt. Ich wurde vermischt mit all dem andern, was im Moor war;[S. 115] und das, was von oben herunterkam, drückte und drückte so gewaltig auf uns, daß ich gar nicht mehr so recht weiß, was eigentlich zu mir und was zu dem andern gehörte. Die Jahrhunderte verstrichen. Eines Tages wurde in dem Moor Torf gestochen. In Kuchenform wurden wir auf die Wiese geworfen, zugeschnitten, in der Sonne getrocknet, entzweigebrochen, aufgestapelt und an den Justizrat verkauft. Das ist das Ganze. Verzeiht, daß es nicht mehr ist!“
„Es war doch wenigstens etwas,“ sagte die Steinkohle. „Und es war viel besser als die Geschichte der Buche. Du hast Alter, kleiner Torf, das ist die Pointe! Nur die alten Geschichten taugen etwas. All das Neumodische ist reiner Unsinn.“
„Na,“ sagte das Holzscheit. „Meine dreihundert Jahre hab’ ich doch auch auf dem Buckel.“
„Nun, ich bin wirklich nicht älter als zweitausend,“ erklärte der Torf.
„Laß jetzt die Steinkohle ihre Geschichte erzählen,“ sagte der Koks.