„Ist der Klimbim vorbei, wenn man heiratet?“
„Ja, allerdings,“ sagte das Würmchen. „Dann ziehe ich noch einen Tag umher, lege meine Eier und sterbe.“
„Ach, Herrgott!“ sagte das junge Mädchen und weinte bitterlich. „Es ist so entsetzlich, das zu hören, wenn man selbst so froh ist. Könnte ich doch nur etwas für dich tun, du armes, liebes Johanniswürmchen. Aber nun muß ich zu Bett. Sonst hab’ ich morgen früh rote Augen, und das kann mein Schatz nicht leiden.“
„Ach ja,“ seufzte das Johanniswürmchen.
Das Mädchen schloß das Fenster und ließ den Vorhang herunter.
Aber das Johanniswürmchen leuchtete und leuchtete, bis die Sonne aufging und so hell erstrahlte, daß alles andre Licht auf der Erde erlosch.
Zwei Tage später ging das junge Mädchen am Abend mit ihrem Bräutigam im Garten spazieren.
Vor dem Rosenstrauch unter ihrem Fenster blieb sie stehen, bückte sich und nahm etwas auf.
Es war das Johanniswürmchen. Aber es lag tot in ihrer Hand mit seinen starrenden Haaren.
Sie erzählte nun ihrem Verlobten alles, was in jener Nacht vorgefallen war, als sie am Fenster saß und sich nach ihm sehnte. Und sie konnte nicht anders, sie weinte über das Schicksal des Johanniswürmchens.
„Das ist ganz richtig,“ sagte der Bräutigam.[S. 74] „So ist es dem Johanniswürmchen ergangen. Der Bräutigam ist schließlich gekommen, die beiden haben Hochzeit gehalten, und dann hat das Würmchen die Eier gelegt und ist gestorben. Das war ein karges Glück, nach dem man kein Verlangen zu haben braucht. Aber du und ich, wir haben etwas, wonach wir uns sehnen; denn wir werden viele, viele Jahre miteinander leben.“
Sie hielt immer noch das tote Tierchen in der Hand und betrachtete es. Sie dachte an die Nachtigall und die Lindenblüten, und ihr war, als stände ihr das Johanniswürmchen am nächsten von allen.
„Ich weiß nicht, wie das ist,“ sagte sie. „Aber mich dünkt, die Sehnsucht des Johanniswürmchens war genau so gut wie die meine.“
„Du bist ein liebes Mädchen,“ sagte er.
Das meint man ja immer von seiner Liebsten. Aber in diesem Falle stimmte es wirklich.