„Nein, tatsächlich nicht. Und hast du den deinen denn gesehn?“
„Und ob!“ Das Mädchen lachte hell auf. „Das kannst du mir glauben. Er ist das schönste, herrlichste Wesen der Welt!“
„Ja, das ist mein Geliebter auch,“ entgegnete das Johanniswürmchen. „Wenn er mich nur wenigstens gesehen hätte!“
„Er hat dich auch noch nicht gesehn?“
„Nein, und darum leuchte, leuchte, leuchte ich, damit er mich ausfindig machen soll.“
„Das ist das Traurigste, was ich je gehört habe,[S. 72]“ sagte das junge Mädchen, und große Tränen rollten ihre Wangen hinab. „Arme, arme kleine Freundin!“
„Ach ja! Wenn wir nur nicht zu so vielen wären! Schau einmal in den Garten hinaus, dann wirst du sehn, wie es in allen Sträuchern leuchtet!“
„Ja,“ sagte sie, „nun seh’ ich es... fünf, sechs... sieben, acht, neun... aber da sind ja über zwanzig Johanniswürmchen!“
„Das ist das Traurige. Doch das ist das Los des Weibes. Auch du kannst doch nicht wissen, ob nicht andre ein Licht in ihr Fenster setzen und deinen Liebsten einfangen.“
„Du kennst meinen Liebsten nicht.“
„Ach, wenn ich nur meinen eignen kennte!“
Und das Johanniswürmchen wand sich und leuchtete, daß es beinahe entzweiging. Aber das junge Mädchen achtete gar nicht darauf. Sie lehnte den Kopf an den Fensterrahmen und schaute mit glücklichen Augen in den Garten hinaus.
„Mein Liebster denkt an niemand als an mich,“ sagte sie. „Kommt er nicht heute, so kommt er morgen. Dann gehn wir aus und machen Besuche... und ich nähe an meiner Aussteuer... Es dauert gar nicht mehr so lange, bis wir heiraten. Dann fahre ich im weißen Kleide und mit weißen Pferden vorm Wagen zur Kirche. Die Glocken läuten, die Orgel spielt, und der Pfarrer hält eine schöne Predigt. Und hernach fahren wir in unser Heim, in die reizendste kleine Wohnung, die du dir denken kannst.“
„Ja,“ erwiderte das Johanniswürmchen. „Bei uns geht es allerdings nicht so vornehm zu. So bald mein Bräutigam kommt, heiraten wir, und dann ist der Klimbim vorbei.“