Als so dieses schreckliche Schauspiel vermieden war, trat Alektryo vor Gockel und verlangte, daß er ihm nun den Kopf abschlagen, sich den Siegelring Salomonis aus seinem Kropfe nehmen und ihn sodann mit den Gebeinen der Gallina und ihrer Jungen verbrennen sollte. Gockel weigerte sich lange, dem Begehren des Alektryo zu folgen, aber da er sich auf keine Weise wollte abweisen lassen und ihn versicherte, daß er sich doch in jedem Falle zu Tode hungern werde, so willigte Gockel ein; er umarmte den edlen Alektryo nochmals von ganzem Herzen. Dann streckte der ritterliche Hahn den Hals weit aus und rief, auf der Inschrift des Grabsteins scharrend, mit lauter Stimme aus:
Alektryo bringt dir Glück selbst um Undank.
O Gockel! hau' ihm den Kopf ab,
Schneid' ihm den Kropf auf!
Salomo's Siegelring Jedem noch Brod gab.
Am Schluße dieser Worte schwang Gockel das Grafenschwert und hieb den Hals des Alektryo mitten durch, daß ihm der Kopf des Hahnen vor die Füße fiel und der todte Rumpf in den Scheiterhaufen sank. Gockel nahm das ehrwürdige Haupt bei dem Kamm, hob es empor, küßte es, schüttelte es dann über seiner Hand, und der Siegelring Salomonis fiel ihm hinein. Alle Anwesenden weinten, Gockel legte das Haupt zu dem Leibe auf den Scheiterhaufen der Gebeine Gallina's; alle Vögel brachten noch dürre Reiser und legten sie drum her, da steckte Gockel die Reiser an und verbrannte alles zu Asche; aus den Flammen aber sah man die Gestalt eines Hahns wie ein goldenes Wölkchen durch die Luft davon schweben. Nun begrub Gockel die Asche und deckte den Stein mit der Schrift wieder mit Erde zu, und hielt dann eine herrliche Leichenrede über die Verdienste Gallina's und besonders Alektryo's, wie des edlen Hahnengeschlechts überhaupt. Nachdem er die Herkunft Alektryo's von dem Hahne Hiobs nach der Erzählung Urgockels mitgetheilt hatte, sprach er unter Anderm:
"Wer gibt die Weisheit ins verborgene Herz des Menschen, wer giebt dem Hahnen den Verstand? Gleichwie der Hahn den Tag verkündet und den Menschen vom Schlaf erweckt, so verkünden fromme Lehrer das Licht der Wahrheit in die Nacht der Welt und sprechen: "die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen, lasset uns ablegen die Werke der Finsterniß und anlegen die Waffen des Lichtes." Wie lieblich und nützlich ist das Krähen des Hahnen; dieser treue Hausgenosse erwecket den Schlafenden, ermahnet den Sorgenden, tröstet den Wanderer, meldet die Stunde der Nacht und verscheuchet den Dieb und erfreuet den Schiffer auf einsamem Meere, denn er verkündet den Morgen, da die Stürme sich legen. Die Frommen weckt er zum Gebet und den Gelehrten ruft er, seine Bücher bei Licht zu suchen. Den Sünder ermahnet er zur Reue, wie Petrum. Sein Geschrei ermuthiget das Herz des Kranken. Zwar spricht der weise Mann: "Dreierlei haben einen feinen Gang und das Vierte geht wohl, der Löwe mächtig unter den Thieren, er fürchtet Niemand--ein Hahn mit kraftgegürteten Lenden, ein Widder und ein König, gegen den sich Keiner erheben darf"--aber dennoch fürchtet der Löwe, der Niemanden fürchtet, den Hahn und fliehet vor seinem Anblick und Geschrei; denn der Feind, der umhergeht wie ein brüllender Löwe und suchet, wie er uns verschlinge, fliehet vor dem Rufe des Wächters, der das Gewissen erwecket, auf daß wir uns rüsten zum Kampf. Darum auch ward kein Thier so erhöhet; die weisesten Männer setzen sein goldenes Bild hoch auf die Spitzen der Thürme über das Kreuz, daß bei dem Wächter wohne der Warner und Wächter. So auch steht des Hahnen Bild auf dem Deckel des ABC-Buchs, die Schüler zu mahnen, daß sie früh aufstehen sollen, zu lernen. O wie löblich ist das Beispiel des Hahnen! Ehe er kräht, die Menschen vom Schlafe zu wecken, schlägt er sich selbst ermunternd mit den Flügeln in die Seite, anzeigend, wie ein Lehrer der Wahrheit sich selbst der Tugend bestreben soll, ehe er sie anderen lehret. Stolz ist der Hahn, der Sterne kundig, und richtet oft seine Blicke zum Himmel; sein Schrei ist prophetisch, er kündet das Wetter und die Zeit. Ein Vogel der Wachsamkeit, ein Kämpfer, ein Sieger wird er von den Kriegsleuten auf den Rüstwagen gesetzt, daß sie sich zurufen und ablösen zu gemessener Zeit. So es dämmert und der Hahn mit den Hühnern zu ruhen sich auf die Stange setzt, stellen sie die Nachtwache aus. Drei Stunden vor Mitternacht regt sich der Hahn, und die Wache wird gewechselt; um die Mitternacht beginnt er zu krähen, sie stellen die dritte Wache aus, und drei Stunden gen Morgen rufet sein tagverkündender Schrei die vierte Wache auf ihre Stelle. Ein Ritter ist der Hahn, sein Haupt ist geziert mit Busch und rother Helmdecke und ein purpurnes Ordensband schimmert an seinem Halse; stark ist seine Brust wie ein Harnisch im Streit, und sein Fuß ist bespornt. Keine Kränkung seiner Damen duldet er, kämpft gegen den eindringenden Fremdling auf Tod und Leben und selbst blutend verkündet er seinen Sieg stolz emporgerichtet gleich einem Herold mit lautem Trompetenstoß. Wunderbar ist der Hahn; schreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter hindurch könnte, bücket er doch das Haupt, seinen Kamm nicht anzustoßen, denn er fühlt seine innere Hoheit. Wie liebet der Hahn seine Familie! Dem legenden Huhn singt er liebliche Arien: "bei Hühnern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht, die süßen Triebe mit zu fühlen, ist auch der Hahnen erste Pflicht;"--stirbt ihm die brütende Freundin, so vollendet er die Brut und führet die Hühnlein, doch ohne zu krähen, um allein Mütterliches zu thun.--O welch erhabenes Geschöpf ist der Hahn! Phidias setzte sein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf sein Schild. Er war der Sonne, dem Mars, dem Mercur, dem Aesculap geweiht. O wie geistreich ist der Hahn! Wer kann es den morgenländischen Kabbalisten verdenken, daß sie sich Alektryo's bemächtigen wollten, da sie an die Seelenwanderung glaubten und der Hahn des Mycillus sich seinem Herrn selbst als die Seele des Pythagoras vorstellte, die inkognito krähte. Ja wie mehr als ein Hahn ist ein Hahn, da sogar ein gerupfter Hahn noch den Menschen des Plato vorstellen konnte"! u.s.w.