So giengen sie wie ein stiller Leichenzug zu der wüsten Kapelle, Alektryo sang eine leise Lamentation und die Vögel aus dem Schlafe erwachend guckten hie und da aus den Nestern und lamentirten, ohne die einfache Würde der erhabenen Trauerzeremonie zu stören, in sanfter Harmonie ein bischen mit. Der Himmel selbst hatte seine Sterne mit Wolken verhüllt und der Mond, mit Thränen im Auge, schimmerte bleich durch einen Schleier der Wehmuth. Die halbe Natur stimmte in das schöne Ganze dieser eben so rührenden als würdigen Feier mit ein, wobei auch die so sinnige Mitwirkung der Büsche und Kräuter und Blumen rühmlich zu erwähnen ist, denn die Glockenblumen, die ehr--und tugendsam Jungfer Campana läutet ganz mitleidig mit allen ihren blauen Glocken, und die bewußten weißen Rosen, die bei Feierlichkeiten immer so beliebten weißgekleideten Mädchen, gossen Schalen voll reichlichen Thränenthaus vor dem Zuge aus; man bemerkte unter den Leidtragenden die so achtbare Klagejungfrau Rosmarin, die demüthige Familie Thymian, die Miß Lavendel, die Comtesse Quentel und viele andre edle Familien. Auch die barmherzigen Schwestern Jungfer Melissa, Krausemüntze, Kamille, Schaafgarbe, Königskerze, Ehrenpreiß, Baldrian, Himmelsschlüßel bewiesen ihre innigste Theilnahme. Vor allen andern des schönen Blumengeschlechtes aber beurkundete Fräulein Reseda, welche so oft im Wochenblättchen anzeigt, daß sie mehr auf gute Behandlung als großen Gehalt sehe, den guten Geruch aller ihrer Verdienste. Der allgemeine Blumen-Notarius Publicus Salomons-Siegel bewährte durch seine Theilnahme, daß sein Name in großem Bezug mit diesem merkwürdigen Ereignisse stehe. Kurz die Theilnahme aller Kräutlein war so groß, daß sogar die faule Grethe unter ihnen bemerkt wurde, der redliche gute Heinrich hatte sie aufgeweckt, daß auch sie mit ihm dem Alektryo ihr Beileid bezeige.
O wie kindlich, einfältig rührend sprach sich die Theilnahme der frommen Klosterschwestern, Marienkinder genannt, aus, welche ihr Klösterchen in dem mit Erde erfüllten trockenen Becken des verfallenen Springbrunnens zu Füßen des zerbrochenen Liebfrauenbildes bewohnten. Gackeleia nannte dieses mit lauter Marienpflänzchen überwachsene Brunnenbecken gewöhnlich ihr Marienklostergärtchen, und pflegte es besser, als alle anderen Gartenbeete. Alle Marienkäferchen, die sie fand, setzte sie hinein.
Sie hatte sich eine Bank darin bereitet, und neben dieser stand das Kräutlein Unserlieb-Frauenbettstroh. Da trieb Gackeleia gewöhnlich ihre Spielereien. Sie hatte das liebe Dreifaltigkeitsblümchen, das auch Jelängerjelieber und Denkeli und unnütze Sorge genannt wird, zu Füßen des Liebfrauenbildes gepflanzt, weil die Mutter ihr gesagt hatte, daß dieß Blümchen in Hennegau Jesusblümchen heiße. Da nahm dann Gackeleia manchmal ein solches Jesusblümchen und legte es auf das Kräutchen Marienbettstroh und wiegte es hin und her und sang dazu:
Da oben im Gärtchen,
Da wehet der Wind,
Da sitzet Maria
Und wieget ihr Kind,
Sie wiegt es mit ihrer schneeweißen Hand,
Und brauchet dazu gar kein Wiegenband.
Ich will mich zur lieben Maria vermiethen,
Will helfen ihr Kindlein recht fleißig zu wiegen,
Da führt sie mich auch in ihr Kämmerlein ein,
Da singen die lieben Engelein fein,
Da singen wir alle das Gloria,
Das Gloria, Lieb Frau Maria!