Selbst für einen kleine Hund war Pfötchen heute ganz besonders aufgeregt. Heute sollte es für die kleinen Tiere des Dorfes auf eine kleine Reise gehen. Das Ziel war ein unscheinbares Haus, das mitten im Wald stand und in dem ein Geschichtenerzähler wohnte.
Pfötchen hatte die halbe Nacht nicht schlafen können und packte sich nun am Morgen seinen Proviant. Es füllte in der Küche seine Wasserflasche und schmierte sich dicke, leckere Brote. Damit sollte es eigentlich gut über den Tag kommen.
Eine knappe Stunde später hielt eine große, geräumige Kutsche mit sechs Ponys auf dem kleinen Marktplatz. Der Kutscher, ein stattlicher Rüde, der die Kutsche vielleicht auch allein hätte ziehen können, sprang von seinem Sitz herab und öffnete die Tür.
»Herein spaziert, wer ein Ticket sein Eigen nennt. Die Sitze sind aufgewärmt und frisch gereinigt. Nehmt Platz und freut euch auf die Fahrt in den Wald. Wir werden das Ziel nicht nur gemütlich, sondern auch schnell erreicht haben.
Die kleinen Tiere stiegen ein, verteilten sich auf dem Sitzplätzen und hatten richtig gute Laune mitgebracht. Es wurde viel geredet und gemeinsam gelacht.
Der Kutscher hatte inzwischen die Tür wieder geschlossen, war auf seinen Kutschbock gestiegen und hatte seinen Ponys das Kommando gegeben, sich auf den Weg zu machen.
Die großen hölzernen Räder rumpelten über Stock und Stein, polterten durch so manches Schlagloch und ließen die Fahrgäste immer wieder in der Fahrkabine auf und ab hüpfen.
»Festhalten dahinten.«, rief der Kutscher laut und versuchte, die Fahrgeräusche zu übertönen. »Der Weg ist heute in einem besonders schlechten Zustand. Der Regen der letzten Nacht hat ihm schwer zu schaffen gemacht.«
Und hätte er es nicht gerade gesagt, krachte eines der Räder in ein besonders großes Schlagloch. Das Wasser, das sich darin gesammelt hatte, spritzte in alle Richtungen davon, während das Rad in seine Einzelteile zerbrach.
»Verdammt und zugenäht!«, fluchte der Kutscher. »Das fehlte mir jetzt noch. Ausgerechnet heute habe ich das Ersatzrad in der Scheune liegen lassen, um genug Platz für meine Gäste zu haben.«
Er stieg vom Bock herab und in die Kutsche hinauf.
»Es tut mir leid, dass ich euch eine schlechte Nachricht überbringen muss. Eure Fahrt endet schon hier. Wir haben einen Radschaden, den ich heute nicht mehr beheben kann. Ihr werdet zu Fuß wieder nach Hause gehen müssen. Aus dem Nachmittag beim Geschichtenerzähler wird wohl nichts mehr.«
Große Enttäuschung machte sich unter den kleinen Tieren aus dem Dorf breit. Sie hatten sich doch schon so sehr auf neue und spannende Geschichten gefreut.
Sie stiegen aus und wussten nicht, was sie machen sollten. Keines der Tiere wollte nach Hause, sie konnten aber auch nicht den weiten Weg zum Ziel laufen.
Pfötchen wollte sich davon nicht ins Bockshorn jagen lassen, setzte sich hin und machte sich Gedanken zu einer Lösung, konnte aber keine finden. »Ich glaube, ich werde einen Spaziergang machen. Vielleicht fällt mir dann noch etwas ein.«
Es ging ein paar Schritte den Weg entlang, bog dann aber ab und lief kreuz und quer durch den Wald.
Schon nach wenigen Schritten fühlte es sich an, wie in einer anderen Welt. Die Pflanzen veränderten sich, die Gesänge der Vögel und das Zirpen der Grillen verstummten. Pfötchen wurde es etwa unheimlich. Sollte es wirklich weiter gehen? Es hätte sich so leicht verlaufen können.
Noch während Pfötchen über eine Umkehr nachdachte, öffnete sich der Wald vor ihm und machte einer Lichtung Platz, an deren anderem Ende ein Höhleneingang lag. Vor dem Eingang saß ein seltsames Wesen. Es schien am ganzen Körper nackt zu sein. Nur auf dem Kopf wuchsen ein paar spärliche Haare. Um die Körpermitte hatte es sich notdürftig ein Fellchen geschwungen.
»Was bist denn du für ein Tier?«, fragte Pfötchen vorsichtig.
Das Wesen blickte auf und lächelte freundlich. »Ich Mensch.«, antwortete es . »Ich großes Erfinder.« Stolz präsentierte es mit seinen klobigen Händen einen großen, runden Stein, den es offensichtlich mit einem Kleineren in Form geschlagen hatte, denn auf dem Boden lagen unzählige Bruchstücke.
»Mensch hat Rad erfindet.«
Nun fiel es auch Pfötchen auf. Es sah vor sich ein perfektes, rundes, Rad, das auch die Größe eines Kutschrades besaß.
»Du bist ein wunderbarer Erfinder.«, lobte Pfötchen. »Kann ich vielleicht dein Rad bekommen? Ich könnte es wirklich gut und ganz dringend gebrauchen.«
Es begann in seinem Rucksack zu suchen. »Ich kann dir auch eine meiner Erfindungen als Dank geben. Ich habe eine Trinkflasche erfunden.«
Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber Pfötchen war sich sicher, dass der Mensch eine Flasche ganz gut gebrauchen konnte.
»Oh!«, staunte der Mensch. »Flasche gut. Flasche sehr gut. Hab versucht, aber konnte selbst nicht erfinden. Zu schwierig.«
Enttäuscht hob er ein paar steinerne Flaschen auf, die allerdings auf zwei Seiten offen waren. Darin konnte man natürlich kein Wasser aufbewahren.
Mensch und Pfötchen tauschten Flasche gegen Rad und verabschiedeten sich glücklich voneinander. Kurz darauf rollte Pfötchen seinen Neuerwerb auf den Weg und konnte dem begeisterten Kutscher dabei zuschauen, wie er die Kutsche reparierte. Dann ging die wilde Fahrt durch den Wald weiter, bis sie am Haus des Geschichtenerzählers endete.
»Hallo, ihr Lieben.«, war dieser hocherfreut. »Endlich seid ihr bei mir und ich kann euch als meine Gäste begrüßen. Ich habe mir schon ein paar schöne Geschichten für euch einfallen lassen. Setzt euch mit mir vor das Haus und lauscht, was ich euch zu erzählen habe.«
Doch dazu kam er er nicht, denn alle Tiere aus dem Dorf bestanden darauf, dass Pfötchen sein abenteuerliches und unglaubliches Erlebnis zum Besten geben sollte. Als er diese hörte, staunte sogar der alte Geschichtenerzähler.