Mama, Papa und ihr Sohn Oskar waren auf dem Weg zum Zoo. Dort sollte heute nämlich etwas ganz Besonderes stattfinden, was sie auf keinen Fall verpassen wollten.
»Und warum fahren wir gerade heute in den Zoo?«, fragte Oskar vom Rücksitz. »Kannst du mir das nochmal erklären?«
Papa sah kurz in den Rückspiegel und grinste.
»Das ist ganz einfach. Heute ist der 2. Februar. An diesem Tag findet in Amerika und Kanada der Murmeltiertag statt. Das ist eine alte Tradition aus Deutschland, die man hier aber mittlerweile fast vergessen hat.«
Oskar nickte. Das hatte er schon gestern von Papa gehört.
»Und was machen die Leute heute im Zoo mit dem Murmeltier? Spielen die zusammen mit Murmeln?«
Papa lachte laut.
»Nein. Man fragt das Tier nur, ob es zur Mittagszeit seinen Schatten sehen kann. Ist das der Fall, dann wird es noch einige Wochen lang einen sehr kalten Winter geben.
Sieht es den Schatten aber nicht, weil gerade Wolken die Sonne verdecken, dann kommt schon bald der Frühling.«
»Und das kann ein Murmeltier?«, war Oskar erstaunt. »Ich dachte, dass nicht mal die Wetterleute das Wetter richtig ansagen können.«
»Ich weiß es nicht.«, zuckte Papa mit den Schultern. »Es geht halt mehr um den Spaß an der ganzen Sache. Außerdem benutzt man hier kein Murmeltier, sondern hält sich an die alten Traditionen.«
Er überlegte kurz. »Es gibt eine alte Bauernregel. Die geht so:
Sonnt sich der Dachs in der Lichtmess-Woch‘
Kriecht er noch sechs Wochen in sein Loch.«
Kurz vor Mittag betraten sie den Zoo und suchten sich den Weg zur Veranstaltung. Vor dem Dachsgehege hatten sich bereits sehr viele Menschen versammelt, die alle dabei sein wollten, wenn der Dachs nach seinem Schatten sah.
Nur wenige Meter hinter dem Zaun war ein großer Baumstumpf aufgebaut, an dessen Vorderseite eine Tür angebracht war.
Pünktlich um zwölf Uhr betrat der Zoodirektor mit mehreren Tierpflegern das Gehege. Mit andächtigen Schritten näherten sie sich dem Stumpf.
»Liebe Leute.«, begann der Direktor in ein Mikrofon zu sprechen
»Heute, nach vielen Jahrzehnten der Pause, werden wir endlich wieder mal einen Dachs befragen, wie sich das Wetter der nächsten Wochen entwickeln wird. Wird sich der Winter vielleicht verlängern? Oder steht schon bald der warme Frühling vor der Tür?
Wir wissen es nicht. Aber vielleicht gibt uns unser Dachs Theo eine Antwort darauf.«
Der Direktor hob einen Spazierstock in die Höhe und klopfte drei Mal gegen den Baumstumpf. Einer der Tierpfleger öffnete daraufhin die kleine Tür und hob den Dachs vorsichtig heraus.
»Nun, mein lieber Theo, wie wird das Wetter werden?«, fragte der Bürgermeister und hielt dem Dachs das Mikrofon vor die Schnauze.
Der müde Dachs öffnete langsam seine Augen, sah sich um, gähnte und seufzte laut. Dann griff er mit seinen Pfoten zum Mikrofon.
»Was soll denn das? Habt ihr nicht gesehen, dass ich tief und fest geschlafen habe? Setzt mich sofort wieder in mein Bett.«
Der Zoodirektor und die Tierpfleger erstarrten vor Schreck. Sie brauchten ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass der Dachs tatsächlich gesprochen hatte.
»Außerdem bin ich ein Dachs und kein Wetterfrosch. Und jetzt will ich meine Ruhe haben.«
Sofort setzten sie Theo zurück in seinen Baumstamm und schlossen die Tür hinter ihm. Peinlich berührt verschwanden der Direktor und seine Leute aus dem Gehege.
Die Zuschauer verteilten sich nur Minuten später lachend im ganzen Zoo und sahen sich die übrigen Tiere an, die gerade keinen Winterschlaf hielten.