»Das wird die Attraktion des Jahres. Das verspreche ich euch.«
Der Zoodirektor stieg von seiner Leiter herunter und sah stolz auf das große Stoffbanner, das er über dem Eingangstor aufgehängt hatte. In weniger als einer Stünde würde er an einer langen Leine ziehen und damit der Welt zeigen, was er sich für die Zukunft des Zoos ausgedacht hatte.
Inzwischen hatten sich viele Journalisten von Zeitungen, Radio und Fernsehen eingefunden. Sie befragten die wartenden Besucher und führten ein Interview mit dem Direktor.
»Wir werden uns schon bald von den anderen Zoos abheben, ein Erlebnis bieten, das sonst keiner hat. Sie werden Augen machen.«
Irgendwann war es so weit. Die umstehenden Menschen wurden still. Alle Augen richteten sich auf den Direktor, der an ein Pult ging und in ein Mikrofon sprach.
»In jedem Zoo dieser Welt können sie Tiere von allen sieben Kontinenten bestaunen und kennenlernen. Manche sind groß, andere eher klein. Die einen sehen knuddelig süß aus, andere beeindrucken mit riesigen Zähnen. Doch bisher haben alle Zoos etwas gemeinsam. Eine der beliebtesten Tierarten kann kein einziger vorweisen. Auf der ganzen Welt fehlt es an Dinosauriern. Das wollen wir in Zukunft ändern.«
Ein Geraune ging durch die Menschenmenge. Der Direktor wollte einen echten Dinosaurier ausstellen? Wie sollte das denn möglich sein? Die waren doch schon seit vielen Millionen Jahren ausgestorben.
»Ja, sie haben richtig gehört. Wir möchten Platz für einen echten Dinosaurier schaffen. Damit wir es uns mit der Suche nicht so schwer machen, habe ich mir ein ganz besonderes Konzept ausgedacht.«
Der Direktor griff zu einer Schnur, zog daran und entrollte damit das große Banner. Darauf stand etwas in großen, leuchtend roten Buchstaben geschrieben: DEUTSCHLAND SUCHT DEN DINOSTAR.«
Hier und da hörte man ein leises Lachen. Manch Zuschauer wandte sich bereits zum Gehen. Die Journalisten schalteten ihre Kameras ab. Doch das hielt den Direktor nicht davon ab, seine Idee weiter vorzustellen.
»Wir führen eine Castingshow durch und warten ab sofort auf ernstzunehmende Bewerbungen.«
Es dauerte tatsächlich nur wenige Tage, bis die ersten Briefe im Zoo eingeworfen wurden. Auf den Bewerbungen sah man Bilder der unterschiedlichsten Dinosaurier. Manche waren klein, andere riesig groß. Die einen hatten grüne Schuppen, andere rote, blaue und auch gelbe. Es gab sogar mehrere Arten, die von einem bunten Federkleid bedeckt waren. Der Direktor war begeistert. Jetzt musste er nur noch den passenden Zoodinosaurier finden. Nach und nach sah er sich alle Kandidaten an und schickte ihnen eine Einladung in den Zoo.
Eine Woche später trauten die Besucher des Zoos ihren Augen nicht. Vor dem Eingang hatte sich eine lange Schlange Dinosaurier eingefunden, die darauf warteten, zum Casting hereingelassen zu werden. Doch auf den ersten Blick konnte man leicht erkennen, dass nicht jeder von ihnen in einer echten Haut steckte. Hier hatte sich so manch Mensch mit Kostüm eingefunden.
Der Direktor war sehr verärgert und sortierte schon die Ersten von ihnen aus, bis irgendwann nur noch fünf Dinosaurier übrig waren.
»In Ordnung. Ihr seid die letzten Kandidaten, die übrig geblieben sind. Einer von euch wird den Job im Zoo bekommen. Allerdings bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ihr wirklich alle echt seid. Drei von euch erinnern mich irgendwie an Schildkröten, einer an einen Drachen und du da vorn erinnerst mich irgendwie an Krokodil Kalle aus unserer Reptilienabteilung. Ich muss also einen letzten Test mit euch durchführen. Dieser wird aber erst Morgen in der Früh stattfinden. Bis dahin bekommt ihr alle ein Zimmer zum Schlafen. Wir sehen uns.«
Die fünf Dinosaurier sahen sich mit durchdringenden Blicken an. Jeder von ihnen wollte diesen gut bezahlten Job. Außerdem waren sie alle neugierig, wer von ihnen nun echt war, wer nicht, wer sich verstellen konnte und wer nicht. Wie mochte wohl der letzte Test aussehen?
Sie legten sich schlafen. Schon nach kurzer Zeit hörte man sich laut schnarchen. Der Zoodirektor hatte natürlich auf diesen Moment gehofft und gewartet. Er schlich sich zur Mitternachtsstunde von einer Schlafzimmertür zur nächsten, hörte auf das Schnarchen und hängte dann einen Zettel an die Klinke. DURCHGEFALLEN! Erst an der letzten Tür blieb er länger stehen. Dort war ein unruhiges Seufzen und Stöhnen zu hören. Dieser Kandidat fand offenbar nicht in den Schlaf.
»Das ist er. Das ist unser Dinosaurier.«
Am nächsten Morgen standen die fünf Kandidaten wieder im Castingraum. Während vier von ihnen ausgeruht wirkten, hatte einer dicke Augenringe im Gesicht.
»Wie sieht denn nun der letzte Test aus? Wer von uns wird den Job bekommen?«
Der Direktor lachte. »Ach, Kalle Krokodil. Ich wusste schon die ganze Zeit, dass du es bist. Und das habe ich mit dem Test bereits in der Nacht herausgefunden.«
Kalle erschrak, zuckte kurz zusammen und versuchte sich zu beruhigen.
»Ich habe am Abend in jedem eurer Schlafzimmer einen Keks gegessen. Vielleicht ist mir dabei ein Krümel unter die Decke gefallen – Natürlich rein zufällig versteht sich. Einer verkleideten Schildkröte sollte das nichts ausmachen. Eure Panzer sind so dick. Einen Krümel würdet ihr niemals bemerken. Als Krokodil bist du ein ziemlich harter Kerl, Kalle. Außerdem bist du alles andere als zimperlich. Die Unordnung in deinem Gehege spricht auch nicht gerade dafür, dass du einen Krümel spüren würdest.«
»Was?« Der fünfte Dino blickte den Zoodirektor finster an. »Du hast in mein Bett gekrümelt? Das geht überhaupt nicht. Essen im Bett ist bei mir streng verboten. Wenn ich das nur vorher gewusst hätte. Auf dieser Basis werde ich diesen Job nicht annehmen. Ich bin ein Dinosaurier mit Prinzipien.«
Der Dino packte seine Sachen zusammen, sah mehrfach an allen Seiten an sich herab und wischte den nervigen Kekskrümel weg.
Der Zoodirektor erschrak. So hatte er sich das Casting nicht vorgestellt. Er bettelte, er flehte. Er wollte der Welt doch unbedingt einen Dinosaurier präsentieren. Es half aber nichts. Der einzig echte Kandidat verschwand durch das große Eingangstor und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
»In Ordnung.« Der Direktor seufzte laut und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Kalle, du kannst den Job haben.«