In Rambin lebte einst ein Arbeitsmann, der hieß Jakob Dietrich, ein Mann schlecht und recht und gottesfürchtig, und der auch eine gute und gottesfürchtige Frau hatte. Die beiden Eheleute besaßen dort ein Häuschen und ein Gärtchen und nährten sich redlich von der Arbeit ihrer Hände; denn andere Künste kannten sie nicht. Sie hatten viele liebe Kinder, von welchen das jüngste, Johann Dietrich genannt, ihnen fast das liebste war. Denn es war ein schöner und munterer Junge, aufgeweckt und quick, fleißig in der Schule und gehorsam zu Hause, und behielt alle Lehren und Geschichten sehr gut, welche die Eltern ihm versagten. Auch von vielen andern Leuten lernte er und hielt jeden fest, der Geschichten wußte, und ließ ihn nicht eher los, als bis er sie erzählt hatte.
Johann war acht Jahre alt geworden und lebte den Sommer bei seines Vaters Bruder, der Bauer in Rothenkirchen war, und mußte nebst andern Knaben Kühe hüten, die sie ins Feld gegen die Neun Berge hinaustrieben, wo damals noch viel mehr Wald war als jetzt. Da war ein alter Kuhhirt aus Rothenkirchen, Klas Starkwolt genannt, der gesellte sich oft zu den Knaben, und sie trieben die Herden zusammen und setzten sich hin und erzählten Geschichten. Der alte Klas wußte viele und erzählte sie sehr lebendig; er war bald Johann Dietrichs liebster Freund. Beso
nders aber wußte er viele Märchen von den Neun Bergen und von den Unterirdischen aus der allerfrühesten Zeit, als die Riesen im Lande untergegangen und die Kleinen in die Berge gekommen waren, und Johann hörte sie immer mit dem innigsten Wohlgefallen und plagte den alten Mann jeden Tag um neue Geschichten, obgleich ihm dieser das Herz zuweilen so in Flammen setzte, daß er des Abends spät und des Morgens früh, wenn er hier zuweilen heraus mußte, mit sausendem Haar über das Feld hinstrich, als hätte er alle Unterirdischen als Jäger hinter sich gehabt, die ihn fangen wollten. Der kleine Johann Dietrich hatte sich so vertieft und verliebt in diese Märchen von den Unterirdischen, daß er nichts anders sah und hörte, von nichts anderm sprach und fabelte als von goldenen Bechern und Kronen, gläsernen Schuhen, Taschen voll Dukaten, goldenen Ringen, diamantenen Kränzen, schneeweißen Bräuten und klingenden Hochzeiten. Wenn er nun so ganz darin war und in kindischer Freude aufjauchzte und umhersprang, dann pflegte der alte Starkwolt wohl den Kopf zu schütteln und ihm zuzurufen: "Johann! Johann! Wo willst du hin? Spaten und Sense, das sind dein Zepter und deine Krone, und deine Braut wird ein Kränzel von Rosmarin und einen bunten Rock von Drell tragen." Johann ließ sich das aber nicht anfechten und träumte immer lustig fort. Und obwohl er herzlich graulich war und in der Dunkelheit um alles in der Welt nicht über den Kirchhof gegangen wäre, hatte er sich das Leben da in dem Berge und die Schätze und Herrlichkeiten darin doch so ausgemalt, daß ihn fast gelüstete, einmal hinabzusteigen; denn der alte Klas hatte gesagt, wie man es anfangen müsse, damit man da unten Herr werde und nicht Diener, und damit sie einen nicht fünfzig Jahre festhalten und die Becher spülen und das Estrich kehren lassen könnten. Wer nämlich so klug oder so glücklich sei, die Mütze eines Unterirdischen zu finden oder zu erhaschen, der könne sicher hinabsteigen, dem dürfen sie nichts tun noch befehlen, so
ndern müssen ihm dienen, wie er wolle, und derjenige Unterirdische, dem die Mütze gehöre, müsse sein Diener sein und ihm schaffen, was er wolle. Das hatte Johann sich hinters Ohr geschrieben und seinen Teil dabei gedacht; ja, er hatte wohl hinzugesetzt, so etwas unterstehe er sich auch wohl zu wagen. Die Leute glaubten ihm das aber nicht, so
ndern lachten ihn aus; und doch hat er es getan, und sie haben genug geweint, als er nicht wiedergekommen ist.