Als sie in denselben eintraten, fanden sie die Vorsteherin mit dem Oberamtmann bereits dort. Erstere machte ihn mit der herkömmlichen Einrichtung während des Essens bekannt. Zum Beispiel, daß die zuletzt angekommene Pensionärin stets ihren Platz neben der Vorsteherin angewiesen erhalte. Dann, daß zwei junge Mädchen wöchentlich den Tisch zu besorgen hatten. Dieselben mußten denselben decken und genau acht geben, daß nichts fehlte und sämtliche Gegenstände sauber und blank waren. Die Jüngste der Pensionärinnen sprach stets das Tischgebet.
Dem Oberamtmann gefielen die Anordnungen vortrefflich und als er seinen Blick über die junge Mädchenschar hingleiten ließ, mußte er seine Freude aussprechen, wie gesund und fröhlich fast alle aussahen.
Ilse sah auch umher, aber es waren nicht die fröhlichen und gesunden Gesichter, die sie interessierten, sondern die Schürzen. Jede Einzelne trug ein solches von ihr verachtetes Ding, und Fräulein Raimar sah nicht aus, als ob sie eine Ausnahme bei ihr gelten lassen würde.
Nach dem Gebete wurden die Speisen aufgetragen. Dieselben waren kräftig und gut gekocht, und Herr Macket konnte sich überzeugen, daß sein Kind auch in dieser Hinsicht gut versorgt sein werde.
Nach dem Essen verabschiedete er sich bald, und Ilse durfte ihn begleiten. Nellie hatte kaum davon gehört, als sie wie der Wind die Treppe hinaufflog, um gleich darauf mit Ilses Hut und Handschuhen zurückzukommen.
Diese dankte ihr dafür, und Herr Macket reichte ihr die Hand.
»Leben Sie wohl, mein Fräulein,« sagte er herzlich, denn Nellie hatte durch diese kleine Aufmerksamkeit ihn sofort für sich eingenommen, »und haben Sie Geduld mit meinem kleinen Wildfang.«
»O ja,« entgegnete Nellie, »ich werde mir schon gern von sie annehmen.«
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»Nun, Ilse, wie gefällt dir das Institut?« fragte der Oberamtmann, als sie auf der Straße gingen, »ich gestehe, daß ich sehr befriedigt von hier abreise, ich weiß, ich lasse dich in guten Händen.«
»Mir gefällt es gar nicht hier!« erklärte Ilse höchst verstimmt. »Es ist mir alles so fremd, und vor dem grauen Fräulein mit dem blonden, glatten Scheitel fürchte ich mich. Sie ist so hart, so ungefällig! Du sollst sehen, Papa, sie ist nicht gut gegen mich. Warum soll ich Bob nicht behalten?«
»Du hast gehört, weshalb nicht, nun mußt du auch nicht mehr so hartnäckig auf deinen Wunsch zurückkommen,« verwies er sie leicht.
»Nun fängst auch du an, mit mir zu zanken! Niemals hast du so böse mit mir gesprochen,« rief Ilse schmerzlich beleidigt. Und sie fühlte sich in dem Gedanken, daß kein Mensch, selbst der Papa nicht, sie leiden möge, so unglücklich, daß das große Mädchen auf offner Straße zu weinen anfing.
Der Oberamtmann nahm ihren Arm und legte ihn in den seinigen. Des Kindes Thränen machten ihn so weich.
»Aber Kleines,« sagte er zärtlich und versuchte zu scherzen, »was machst du denn? Sollen dich die Leute auslachen, wenn das große, kleine Mädchen weint?«
Er führte sie zurück in das Hotel und dort fanden sie bereits Bob. Freudig bellend begrüßte er Ilse, und diese nahm ihn hoch und liebkoste ihn unter lautem Schluchzen.
Um fünf Uhr reiste der Oberamtmann wieder zurück in die Heimat. Die wenigen Stunden bis dahin vergingen schnell und stürmisch. Je näher der Abschied rückte, desto aufgeregter wurde Ilse, und es bedurfte seiner ganzen Festigkeit, um ihrem Wunsche, sie wieder mit nach Moosdorf zu nehmen, entgegenzutreten.