Die Temperatur hielt sich während des 3. und 4. Juli auf siebenundfünfzig Grad (+ 14° hunderttheilig); dies war der höchste in diesem Jahr beobachtete Thermometerstand. Aber am 5. schlug der Wind um zu Süd-Ost, und war von heftigem Schneegestöber begleitet. Hatteras ertheilte, ohne sich um die üble Stimmung der Mannschaft zu kümmern, Befehl, unter Segel zu gehen.
Seit dreizehn Tagen, nämlich seit dem Cap Dundas, war der Forward nicht einen Grad weiter nördlich gekommen; daher war auch der von Clifton vertretene Theil der Mannschaft nicht befriedigt; doch stimmten in diesem Augenblick ihre Wünsche mit der Entschließung des Kapitäns überein, im Canal Wellington weiter hinaufzufahren, und sie machten keine Schwierigkeiten im Dienst.
Es gelang nicht ohne Mühe, die Brigg segelfertig zu machen; aber, nachdem sie während der Nacht ihre Maste aufgesteckt, fuhr Hatteras kühn mitten durch die Eisblöcke, welche die Strömung südwärts trieb. Die Mannschaft hatte bei dieser gewundenen Fahrt viel Beschwerde, da sie oft genöthigt war, die Segel anders zu brassen.
Der Canal Wellington ist nicht sehr breit; er zieht sich schmal zwischen der Küste von Nord-Devon im Osten und der Insel Cornwallis im Westen. Diese galt lange für eine Halbinsel; Franklin fuhr im Jahre 1846 von Westen her um sie herum.
Der Canal Wellington wurde 1851 vom Kapitän Penny auf den Wallfischfahrern Lady Franklin und Sophie erforscht; einer seiner Lieutenants, Stewart, der bis zum Cap Beecher, unter 76° 20 kam, entdeckte das freie Meer. Das freie Meer! Darauf stand Hatteras Hoffnung.
»Was Stewart gefunden hat, will ich auch finden, sagte er zu dem Doctor, und dann kann ich mit Segeln dem Pol zu fahren.
– Aber, versetzte der Doctor, fürchten Sie nicht Ihre Mannschaft? ...
– Meine Mannschaft!« sagte Hatteras barsch. Dann fuhr er leise fort: »Die armen Leute«, zu großem Staunen des Doctor.
Es war dies die erste Spur eines Gefühls der Art, welche er im Herzen des Kapitäns wahrnahm.
»Doch nein! fuhr dieser mit Energie fort, sie müssen mir folgen! Sie werden mir folgen!«
Indessen hatte der Forward auch nichts vom Zusammenstoßen mit Eisströmen, die in Zwischenräumen von einander trieben, zu fürchten, so kam er doch wenig nordwärts voran, weil widrige Winde oft zum Haltmachen nöthigten. Er fuhr mit Mühe an den Caps Spencer und Innis vorüber, und am 10., Dienstags, kam er endlich, zu großer Freude Cliftons, über den 75. Breitegrad hinaus.
Der Forward befand sich an der nämlichen Stelle, wo die amerikanischen Schiffe Rescue und Advance unter dem Kapitän Haven so fürchterliche Gefahren zu bestehen hatten. Der Doctor Kane gehörte zu dieser Expedition; gegen Ende Septembers 1850 wurden diese, von einer Eisdecke umgeben, mit unwiderstehlicher Gewalt in den Lancaster-Sund zurückgetrieben.
Shandon erzählte die Katastrophe dem James Wall in Gegenwart einiger Bootsleute von der Brigg.
»Advance und Rescue, sagte er, wurden dermaßen von den Eisblöcken erschüttert, emporgehoben, hin- und hergeworfen, daß man die Feuer auf dem Schiff mußte ausgehen lassen; und doch sank die Temperatur bis zu achtzehn Grad unter Null! Während des ganzen Winters wurden die unglücklichen Mannschaften zwischen der Eisdecke festgehalten, stets bereit, ihr Schiff zu verlassen, und drei Wochen lang wechselten sie nicht einmal die Kleider! In dieser fürchterlichen Lage wurden sie, nachdem sie tausend Meilen weit getrieben, von ihrer Fahrt ab bis ins Baffins-Meer zurückverschlagen!«
Man denke, welche Wirkung diese Erzählungen auf die moralische Haltung einer bereits übel gesinnten Mannschaft haben mußte.
Während dieser Unterhaltung sprach Johnson mit dem Doctor von einem Ereigniß, welches in dieser Gegend vorgefallen war; der Doctor gab ihm auf seine Bitte genau den Moment an, wo sich die Brigg unter 75° 30 befand.
»Hier ists! Eben hier! rief Johnson. Das ist die unheilvolle Stelle!«
Und bei diesen Worten traten dem wackeren Rüstmeister die Thränen in die Augen.
»Sie wollen vom Tod des Lieutenant Bellot erzählen, sagte zu ihm der Doctor.
– Ja, Herr Clawbonny, von dem tapferen Officier, der so viel Herz und Muth hatte! – Und hier also, sagten Sie, fand die Katastrophe statt?
– Gerade hier, an dieser Stelle der Küste von Nord-Devon! O! es ist bei alledem ein großes Verhängniß, und das Unglück wäre nicht passirt, wenn der Kapitän Pullen früher an sein Bord zurückgekommen wäre!
– Was meinen Sie damit, Johnson?
– Hören Sie, Herr Clawbonny, und Sie werden sehen, an welchen Fäden oft das Dasein hängt. Sie wissen, daß der Lieutenant Bellot im Jahre 1850 eine erste Fahrt zur Aufsuchung Franklins mitmachte?
– Ja, Johnson, auf dem Prinz Albert.
– Als er nach Frankreich zurückkam, erhielt er im Jahre 1853 die Erlaubniß, auf dem Phönix, an dessen Bord ich mich als Matrose befand, unter dem Kapitän Inglefield, in See zu gehen. Wir brachten nebst dem Breadalbane Vorräthe nach der Insel Beechey.
– Dieselben, die wir leider nicht mehr vorfanden!