Am 25. Juni kam der Forward gegenüber dem Cap Dundas, am nordwestlichen Ende des Prinz-Wales-Landes. Hier nahmen die Schwierigkeiten zu zwischen den zahlreichen Eisblöcken. Das Meer wird hier enger, und die Linie der Inseln Crozier, Young, Day, Lowther, Garret, die wie Befestigungswerke vor einer Rhede liegen, nöthigen die Eisströme, in der Meerenge sich anzuhäufen. Was die Brigg unter andern Umständen an einem Tag geleistet hätte, hielt sie vom 25. bis 30. Juni auf; sie hielt an, fuhr wieder zurück, wartete die günstige Gelegenheit ab, um die Insel Beechey nicht zu verfehlen, verbrauchte viel Kohlen, indem sie während des Anhaltens nur ihr Feuer mäßigte, ohne es je ganz ausgehen zu lassen, um zu jeder Stunde bei Tag und Nacht mit Dampf versehen zu sein.
Hatteras kannte ebensowohl, wie Shandon, den Bestand der Vorräthe; aber da er sicher darauf rechnete, auf der Insel Beechey Brennmaterial zu treffen, so wollte er nicht aus Sparsamkeit eine Minute verlieren; er war in Folge seiner Abschweifung in den Süden sehr verspätet, und obwohl er die Vorsorge gehabt, aus England seit Anfang April abzufahren, so war er doch jetzt nicht weiter voran, als die vorausgehenden Expeditionen zu derselben Zeit. Am 30. gewahrte man das Cap Walker, an der nordöstlichen Spitze des Prinz-Wales-Landes; es ist der äußerste Punkt, welchen Kennedy und Bellot nach einem Ausflug durch ganz Nord-Sommerset am 3. Mai 1852 wahrnahmen. Bereits im Jahre 1851 war der Kapitän Ommaney bei der Expedition Austin so glücklich, daselbst seine Mannschaft mit Proviant versehen zu können.
Dieses sehr hohe Cap ist durch seine rothbraune Farbe merkwürdig; man kann bei hellem Wetter von hier aus bis an den Eingang der Wellington-Straße sehen. Gegen Abend erblickte man das Cap Bellot, welches durch die Bai Mac Leon vom Cap Walker getrennt ist. An dieser Stelle besteht die Küste aus gelblichem Kalkstein von sehr runzeligem Aussehen; sie ist durch enorme Eisblöcke geschützt, welche die Nordwinde auf die imposanteste Weise hier aufschichten. Der Forward verlor sie bald aus dem Gesicht, und bahnte sich zwischen locker verbundenen Eisstücken quer über die Barrow-Straße einen Weg zur Insel Beechey.
Hatteras, entschlossen gradaus zu fahren, um nicht über die Insel hinaus fortgezogen zu werden, verließ an den folgenden Tagen nicht einen Augenblick seinen Posten; er stieg häufig auf die Querstangen des Obermastes, um die vorteilhaften Fahrpässe aufzusuchen. Er bot bei dieser Fahrt durch die Enge Alles auf, was Geschick und Geistesruhe, Kühnheit, selbst seemännisches Genie zu leisten vermögen. Das Glück war ihm zwar nicht ganz hold, denn zu dieser Jahreszeit hätte er das Meer fast eisfrei finden sollen. Endlich aber, indem er weder seinen Dampf, noch seine Mannschaft, noch sich selbst schonte, erreichte er doch sein Ziel. Am 3. Juli um elf Uhr Vormittags signalisirte der Eismeister nördlich ein Land; nachdem Hatteras die Beobachtung angestellt, erkannte er die Insel Beechey, diesen allgemeinen Sammelplatz der Befahrer der Nordmeere. Fast alle Schiffe, welche sich in diese Meere wagten, haben dieselbe berührt. Hier hielt Franklin sein erstes Winterquartier, bevor er in die Wellington-Straße eindrang. Das letzte Schiff, welches zugleich mit dem Forward bei der Insel Beechey anlegte, war der Fox; Mac Clintock versah sich hier am 11. August 1855 mit Vorräthen, und besserte vor nicht ganz zwei Jahren die Wohnungen und Magazine aus: Hatteras wußte dies Alles sehr genau.
Dem Rüstmeister schlug beim Anblick dieser Insel gewaltig das Herz; er hatte sie als Quartiermeister an Bord des Phönix besucht. Hatteras befragte ihn, wie die Küste beschaffen, wo am besten zu ankern, die Landung möglich sei; die Witterung wurde prachtvoll, die Temperatur hielt sich auf siebenundfünfzig Grad (+ 14° hunderttheilig).
»Nun, Johnson, fragte der Kapitän, Sie kennen sich wohl hier aus?
– Ja, Kapitän, s ist richtig die Insel Beechey! Nur müssen wir noch ein wenig weiter nordwärts fahren; da ist die Küste zugänglicher.
– Aber die Wohnungen, die Magazine? sagte Hatteras.
– Die können Sie erst nach der Landung sehen; sie liegen im Schutz hinter diesen kleinen Bergen, welche Sie dort unten sehen.
– Und Sie haben beträchtliche Vorräthe hingeschafft? – Beträchtliche, Kapitän. Die Admiralität hat uns im Jahre 1853 mit dem Dampfer Phönix unter dem Commando des Kapitän Inglefield und dem Breadalbane mit Proviant hierher geschickt; wir brachten Lebensmittel für eine ganze Expedition.
– Aber der Commandant des Fox hat im Jahre 1855 reichlich aus diesen Vorräthen geschöpft, sagte Hatteras.
– Seien Sie ruhig, Kapitän, entgegnete Johnson, es wird noch genug für Sie übrig sein; die Kälte bewahrt alles merkwürdig, und wir werden es noch frisch finden, wie am ersten Tag.
– Um Lebensmittel ist mirs nicht zu thun, erwiderte Hatteras; ich habe für mehrere Jahre, aber Kohlen bedarf ich.
– Nun, Kapitän, wir haben deren über tausend Tonnen hier gelassen; darum können Sie ruhig sein.
– So wollen wir anfahren, fuhr Hatteras fort, der das Fernrohr in der Hand unablässig die Küste beobachtete.
– Sie sehen diese Spitze, versetzte Johnson; sind wir um diese herum, so befinden wir uns ganz nahe bei unserm Ankerplatz. Ja wohl, von dieser Stelle aus find wir mit dem Lieutenant Creswell und den zwölf Kranken des Investigator nach England abgefahren. Aber sind wir so glücklich, gewesen, den Lieutenant des Kapitän Mac Clure wieder heimzubringen, so hat der Officier Bellot, welcher auf dem Phönix mitfuhr, seine Heimat nie wieder gesehen! Ach! Eine traurige Erinnerung. Aber, Kapitän, ich denke, wir müssen an dieser Stelle die Anker werfen. – Gut«, erwiderte Hatteras.
Und er ertheilte demnach seine Befehle.
Der Forward befand sich in einer kleinen, von der Natur gegen die Nord-, Ost- und Südwinde geschützten Bucht, etwa eine Kabellänge von der Küste entfernt.
»Herr Wall, sagte Hatteras, lassen Sie die Schaluppe bereit machen, und schicken dieselbe mit sechs Mann ab, um die Kohlen an Bord zu schaffen.
– Ja, Kapitän, erwiderte Wall.
– Ich will mich mit dem Doctor und dem Rüstmeister in der Pirogue ans Land begeben. Herr Shandon, Sie haben wohl die Güte uns zu begleiten?
– Zu Ihrem Befehl«, erwiderte Shandon. Nach einigen Augenblicken saß der Doctor, mit seinem Jagdgeräthe und gelehrten Apparat versehen, nebst seinen Genossen in der Pirogue; zehn Minuten darauf stiegen sie an einer ziemlich niedrigen und felsigen Küste ans Land.
»Führen Sie uns, Johnson, sagte Hatteras. Sie finden sich hier zu Hause?
– Vollständig, Kapitän; doch sehe ich ein Monument, welches ich an dieser Stelle nicht zu treffen vermuthete!
– Dies! rief der Doctor aus, ich weiß, was es ist. Treten wir näher; dieser Stein wird uns selbst sagen, was er bisher hier zu thun hatte.«
Die vier Mann schritten voran, und der Doctor sprach, indem er den Hut zog: