»Aha, jetzt zeigen Sie dem guten Papa Vautrin schon eine freundlichere Miene. Wenn Sie solche Worte hören, so sind Sie wie das Mädchen, dem man sagt: Auf heute abend, und das sich dann fein macht. So wie ein Kätzchen, das sich die Milch abschleckt. So ist es recht! Also los mit uns beiden. Folgendermaßen steht es um Sie, junger Mann! Wir haben da unten den Papa, die Mama, die Großtante, zwei Schwestern (18 und 17 Jahre), zwei Brüder (15 und 10 Jahre): Dies ist die Stärke der Besatzung. Die Tante erzieht Ihre Schwestern. Der Pfarrer bringt Ihren beiden Brüdern Latein bei. Die Familie ißt mehr Kastanienbrei als Weißbrot, der Papa schont seine Hosen, Mama leistet sich kaum eine Robe für Winter und Sommer, und die Schwestern sehen zu, wie sie durchkommen. Ich kenne das, ich habe im Süden gelebt. So liegen die Dinge bei Ihnen, wenn man für Sie 1200 Francs aufbringt und wenn die Klitsche nur 3000 Francs abwirft. Wir haben eine Köchin und einen Diener, man muß das Dekorum wahren, Papa ist Baron. Wir selbst aber sind ehrgeizig und müssen zu Fuß laufen, wir wollen reich werden und haben keinen Sou, wir essen den Fraß der Madame Vauquer, und wir lieben die schönen Diners des Faubourg St-Germain, wir schlafen auf einem Strohsack, und wir wünschen uns ein Palais. Ich tadele Ihre Wünsche keineswegs, Ehrgeiz zu haben, mein Herzchen, ist nicht aller Welt gegeben. Fragen Sie die Frauen, welche Männer sie lieben: die Ehrgeizigen. Die Ehrgeizigen haben kräftigere Lenden, ihr Blut ist eisenhaltiger, ihr Herz schlägt heißer als das anderer Menschen. Und die Frau fühlt sich so glücklich und schön in ihren starken Stunden, daß sie die starken Männer bevorzugt, mag sie auch Gefahr laufen, zerbrochen zu werden. Ich nehme das Inventar Ihrer Wünsche auf, um Ihnen die entscheidende Frage zu stellen. Diese Frage ist folgende: Wir haben einen Wolfshunger, unsere Zähne sind scharf, wie machen wir es, unseren Fleischtopf zu füllen? Da ist zunächst der Codex Juris zu verdauen. Das ist nicht amüsant, und man lernt nichts Rechtes dabei, aber es muß sein. Sei es. Wir werden Advokat, um später Präsident eines Schwurgerichts zu sein, um arme Teufel ins Bagno zu schicken – die mit ihrem T.F. als Kennzeichen auf der Schulter mehr wert sind als wir – und so den Reichen zu beweisen, daß sie ruhig schlafen können. Das ist nicht sehr reizvoll, und es dauert recht lange. Zuerst muß man sich zwei Jahre in Paris herumdrücken, man muß sich die Leckerbissen, auf die wir so versessen sind, ansehen, ohne daran zu rühren. Es ermüdet, immer ohne Befriedigung zu begehren. Wenn Sie bläßlich wären und kalt wie eine Schnecke, so wäre nichts zu befürchten. So aber haben wir das fiebernde Blut des Löwen in den Adern und einen Appetit, daß wir zwanzig Torheiten am Tage begehen könnten. Sie werden also unter dieser Qual erliegen, der schlimmsten, die man in der Hölle des lieben Gottes kennt.