So geknickt war Don Quichotte, dass er auf dem Weiterritt nicht nur sein Haupt, sondern auch die Zügel hängen ließ. Rosinante nützte die Gelegenheit, blieb stehen und graste in aller Seelenruhe. Sancho Pansa fand ebenfalls, es sei an der Zeit sich ums Leibliche zu kümmern. In der Ferne sah er ein paar Ziegenhirten. Dahin ritt er und kaufte etliche Pfund Frischkäse.
Plötzlich sah er, wie Don Quichotte die Zügel packte und seinem Pferd die Sporen gab. Schnell warf er den Hirten ein paar Münzen zu und steckte den Käse – mangels eines anderen Behälters – in Don Quichottes Helm. Doch kaum war er bei seinem Herrn angelangt, riss ihm dieser den Kopfschutz aus der Hand und stülpte ihn mitsamt dem Käse auf den Kopf. Dann rief er: „Ein neues Abenteuer ist im Anzug. Mir bricht schon der kalte Schweiß aus.“ Es war aber nur der Frischkäse.
Ohne sich um den weißen Brei zu kümmern, der ihm zu den Ohren herauslief, galoppierte Don Quichotte auf der Landstraße einem kleinen fähnchengeschmückten Wagen entgegen und versperrte ihm den Weg. „Guter Mann“, bat der Fuhrmann „tretet doch beiseite. Ich habe in dem Wagen zwei Löwen geladen, ein Geschenk für den König von Spanien. Sie haben den ganzen Morgen noch nichts zwischen die Zähne bekommen, deshalb muss ich schnell in die nächste Stadt um sie zu füttern.“
Zwei hungrige Löwen – na, das war natürlich ein gefundenes Fressen für unseren tollkühnen Ritter. Er fuchtelte mit seiner Lanze dem Fuhrmann vor der Nase herum und rief: „Mach die Tür des Karrens auf. Die Löwen hat das Schicksal gesandt, damit ich an ihnen meinen Mut beweise.“ Der Mann schimpfte, zeterte und bettelte, aber es half alles nichts. Endlich riegelte er den Wagen auf, und versteckte sich zitternd hinter einem Baum. Sancho Pansa, dem die Sache mit dem Frischkäse peinlich war, schlug sich ganz in der Nähe in die Büsche.
Todesmutig öffnete Don Quichotte die Tür zu dem Löwenkäfig. Das gewaltige Tier schaute verwundert, wer denn da seine Ruhe störe. Dann fand er wohl, dass es an dem dürren Gestell vor ihm nichts zu beißen gab, gähnte dreimal herzhaft und streckte Don Quichotte sein dickes Hinterteil entgegen.
Schnell rannten der Fuhrmann und Sancho herbei und riegelten den Wagen wieder zu. Dann klopften sie dem Ritter auf die Rüstung und lobten:
„Eure bloße Erscheinung hat den Löwen so erschreckt, dass er sich nicht auf einen Kampf einlassen wollte.“
„Ja, ja“, meinte Don Quichotte zufrieden, „es ist halt nicht jeder so mutig wie ich.“
Seit dieser Stunde nannte er sich nicht mehr den Ritter von der traurigen Gestalt, sondern den Löwenritter.
Von da ab war Don Quichotte nicht mehr zu bremsen. So rasteten Herr und Diener einmal in einer Schenke, wo gerade ein Puppenspieler die Gäste unterhielt. Doch kaum sah Don Quichotte, wie die schöne Melisendra und der heldenhafte Don Gaiferos bei ihrer Flucht aus der Gefangenschaft von einer ganzen Schar von Wachen verfolgt wurden, wollte er das Liebespaar verteidigen. Gleich packte er sein Schwert und haute alles in Stücke – die Puppen, die Bühne, das Bühnenbild. Schweren Herzens holte Sancho Pansa den Geldbeutel seines Herrn heraus und bezahlte den Schaden.
Ein andermal erblickte Don Quichotte in einem Fluss ein kleines Ruderboot. Da glaubte er, dies habe ihm ein Zauberer gesandt, auf dass er wie in den alten Rittergeschichten zu einer verwunschenen Wasserburg fahre. Freudig erhob er seine Stimme: „Sancho, lass uns den verzauberten Nachen besteigen und zu der Burg übersetzen.“
„Ja aber“, gab Sancho zu bedenken, „was wird denn der Besitzer dazu sagen? Und welche Burg überhaupt?“
„Unwillig schüttelte Don Quichotte den Kopf: „Der Nachen wartet hier auf mich. Er wird uns zu neuen Abenteuern tragen.“
Da hatte er allerdings Recht. Denn kaum waren sie ein Stückchen gefahren – Rosinante und den Esel ließen sie am Ufer angebunden zurück – trieben sie auf ein Mühlenwehr zu. Der Müller und seine Arbeiter sahen das Boot und kamen mit langen Stangen, um die beiden sonderbaren Reisenden da rauszuholen. Weil aber die Kleider und Gesichter der Männer vom Mehl ganz weiß waren, glaubte Don Quichotte, diese seien Gespenster. Er focht einen heldenhaften Kampf.
Wäre das Boot nicht umgekippt, wären Herr und Diener am Ende doch noch unter das Mühlrad gekommen. So aber fischten sie der Müller und seine Leute aus dem Wasser. Der Kahn jedoch wurde kurz und klein zerhackt. Und schon kam der Fischer des Wegs, dem das Boot gehört hatte und verlangte Schadensersatz. Sancho musste mal wieder den Geldbeutel zücken. Sauer dachte er: „Schade, um das schöne Geld – hätte er es doch lieber mir gegeben.“