Je länger Herr und Diener unterwegs waren, umso größer wurde die Sehnsucht nach zuhause. Während Sancho insgeheim von einem gedeckten Tisch und einem bequemen Bett träumte, verzehrte sich Don Quichotte nach seiner geliebten Dulzinea. Schließlich landeten die beiden in einer gar öden Berglandschaft und Don Quichotte fing wieder an zu klagen:
„Oh meine Holde, Süße, wann nur, wann kann ich dich in den Armen halten?“
Sancho, der Heimatluft witterte, riet: „Schickt ihr halt ein Briefchen.“ Der Gedanke gefiel Don Quichotte und er schrieb gleich einen langen Liebesseufzer in ein kleines Büchlein. Dann trug er dem Sancho auf, so schnell wie möglich nach Toboso zu reiten und alles der Tochter von Lorenzo Corchuelo zu bestellen.
„Ei, ei, ei“ sagte Sancho „was hör ich da? Die ihr Dulzinea von Toboso nennt ist die Tochter des alten Lorenzo?“ Und als sein Herr dies bestätigte, wiegte er nachdenklich den Kopf und meinte: „So einen Geschmack hätt’ ich euch gar nicht zugetraut. Die hat Haare auf den Zähnen. Den Eisenspeer wirft sie im Spiel so weit wie der kräftigste Bursche.“
Mit diesen Worten bestieg er den Rosinante, auf dass ihn das Ross schnell nach Hause trage. Doch als er sich zum Winken umdrehte, sah er den Don Quichotte gerade splitterfasernackt einen Purzelbaum nach dem anderen schlagen. Da schrie er ängstlich:
„Mein Herr, was macht ihr denn da?“
Und Don Quichotte gab ihm zurück: „Dummheiten, damit du meiner Gebieterin wahrhaftig bezeugen kannst, dass ich vor Liebe zu ihr den Verstand verloren habe.“
Kopfschüttelnd machte sich Sancho Pansa auf den Weg. In der Schenke wo er letztes Mal den scheußlichen Heiltrank genossen hatte, stieß er auf den Pfarrer und den Bader seines Dorfes. Die hatten sich nämlich aufgemacht, die beiden Abenteurer zu suchen.
Sancho berichtete gleich brühwarm alle Verrücktheiten seines Herrn. Doch als er das Briefchen zeigen wollte, hatte er es gar nicht dabei.
„Na ja,“ meinte er, „am Anfang stand halt so was wie ‚Hohe, fürchterliche Herrin, der Durchbohrte küsst Euer Gnaden die Hand’, mittendrin mehr als dreihundert ,Herzliebchen' und ,Licht meiner Augen’ und am Ende ‚Der Eurige bis in den Tod, der Ritter von der traurigen Gestalt’.“
Zusammen dachten sie sich einen Plan aus, den von Sinnen gekommenen Junker nach Hause zu locken. Und zwar wollten sie ihn bei seinem Ehrgefühl packen. Deshalb schlüpfte der Bader in die Festtagskleider der Wirtin: ein schwarzer Rock, ein Leibchen aus grünem Samt und eine Haube. So verkleidet wollte er Don Quichotte weismachen, er sei ein edles Fräulein in großer Not und den Ritter um Hilfe bitten.
Unterwegs schloss sich den Verschwörern ein junges Mädchen namens Dorotea an. Alle zusammen fanden sie Don Quichotte hungrig und frierend im Unterhemd mitten in der Wildnis. Als er Sancho Pansa erblickte, hellte sich sein Gesicht auf. Hastig nahm er den dicken Bauern beiseite und drängte: „Du musst ja auf Zauberflügeln geritten sein, so schnell bist du wieder da. Sag, wie hat sie dich aufgenommen? Hat sie meinen Brief geküsst, als du ihn ihr überreicht hast?“
„Na ja“, log Sancho und kratzte sich am Kopf, „sie hat gerade ein Scheffel Weizen gesiebt und hatte nur wenig Zeit.“
„Aber gewiss strahlte ihre Schönheit wie die Sonne.“
„Sie war recht staubig, da konnt’ ich kein Strahlen sehen.“
„Aber sag, hat sie nicht einen Duft von Rosen und Lilien verströmt?“
„Nein, sie roch eher nach Schweiß, weil sie grad von der Arbeit kam.“
„Und hat sie den Brief gelesen und sich an ihm ergötzt?“
„Lesen kann sie ja gar nicht, aber gefreut hat sie sich schon.“
„Und hat sie dir zum Zeichen ihrer Liebe einen goldenen Ring mitgegeben?“
„Das nicht grad“, meinte Sancho verlegen und zog ein Stück Ziegenkäse aus der Tasche, „aber diesen Stinkerkäse.“
In der Zwischenzeit hatte der Bader seine Frauenkleider wieder ausgezogen, denn sie waren übereingekommen, dass Dorotea die Rolle der hilfsbedürftigen Dame spielen solle. Sie erzählte gleich, sie sei die Prinzessin Mikomikona von Mikomikon und ihr Reich werde von einem bösen Riesen bedrängt: „Kurz vor meinem Tode sagte mein Vater ich müsse nach Spanien reisen und einen tapferen Ritter namens Don Gesotten oder Dunkelschote oder so suchen.“
Don Quichotte warf sich in die Brust: „Gewiss meinte er mich, Don Quichotte. Ich bin der richtige Mann, euch zu helfen. Aber seid mir nicht böse, heiraten kann ich euch nicht, mein Herz ist schon versprochen.“
„Was?“ wütete Sancho da los, der das Theater ebenso wenig durchschaute wie sein Herr: „Wegen der Bauersdirn’ Aldonza wollt ihr die Prinzessin sausen lassen? Und was ist mit meiner Grafschaft, die ihr mir versprochen habt?“
Doch Don Quichotte gab ihm einen Stoß in die Rippen: „Schweig still, ich bin derjenige, der den Riesen besiegt hat. Oder jedenfalls fast. Immerhin ist mir schon so zumute, als hätte ich die Tat bereits vollbracht.“
Unter Sanchos Murren kehrte die seltsame Reisegesellschaft zur Schenke zurück. Von der vielen Aufregung müde geworden ging der Ritter gleich zu Bett und schlief ein. Doch schon nach kurzer Zeit hörten die Gäste Gebrüll aus der Vorratskammer, wo sich der Junker zur Ruhe gelegt hatte.
Da fanden sie ihn auf seinem Bett, wie er mit dem Schwert um sich hieb. Ringsherum war alles rot und klebrig. Don Quichotte schrie in den höchsten Tönen:
„Verzaubert! Die Burg ist verzaubert! Nun hab ich den Kopf dieses Riesen abgehackt, alles ist voll Blut, aber der Körper ist verschwunden.“
Alle erschraken fürchterlich, als sie das Blutbad sahen. Den größten Schrecken aber bekam der Wirt, denn er begriff gleich, dass Don Quichotte mit dem Schwert alle seine Weinschläuche aufgeschlitzt hatte.