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Buddenbrooks-Elfter Teil-Drittes Kapitel

时间:2022-04-12来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Elfter Teil
Mit dem Typhus ist es folgendermaßen bestellt.
 
Der Mensch fühlt eine seelische Mißstimmung in sich entstehen, die sich rasch vertieft und zu einer hinfälligen Verzweiflung wird. Zu gleicher Zeit bemächtigt sich seiner eine physische Mattigkeit, die sich nicht allein auf Muskeln und Sehnen, sondern auch auf die Funktionen aller inneren Organe erstreckt, und nicht zuletzt auf die des Magens, der die Aufnahme von Speise mit Widerwillen verweigert. Es besteht ein starkes Schlafbedürfnis, allein trotz äußerster Müdigkeit ist der Schlaf unruhig, oberflächlich, beängstigt und unerquicklich. Das Gehirn schmerzt; es ist dumpf, befangen, wie von Nebeln umhüllt, und von Schwindel durchzogen. Ein unbestimmter Schmerz sitzt in allen Gliedern. Hie und da fließt ohne jedwede besondere Veranlassung Blut aus der Nase. – Dies ist die Introduktion.
 
Dann gibt ein heftiger Frostanfall, der den ganzen Körper durchrüttelt und die Zähne gegeneinander wirbelt, das Zeichen zum Einsatze des Fiebers, das sofort die höchsten Grade erreicht. Auf der Haut der Brust und des Bauches werden nun einzelne linsengroße, rote Flecken sichtbar, die durch den Druck eines Fingers entfernt werden können, aber sofort zurückkehren. Der Puls rast; er hat bis zu hundert Schläge in einer Minute. So vergeht, bei einer Körpertemperatur von vierzig Grad, die erste Woche.
 
In der zweiten Woche ist der Mensch von Kopf- und Gliederschmerzen befreit; dafür aber ist der Schwindel bedeutend heftiger geworden, und in den Ohren ist ein solches Sausen und Brausen, daß es geradezu Schwerhörigkeit hervorruft. Der Ausdruck des Gesichtes wird dumm. Der Mund fängt an, offen zu stehen, die Augen sind verschleiert und ohne Teilnahme. Das Bewußtsein ist verdunkelt; Schlafsucht beherrscht den Kranken, und oft versinkt er, ohne wirklich zu schlafen, in eine bleierne Betäubung. Dazwischen erfüllen seine Irreden, seine lauten, erregten Phantasien das Zimmer. Seine schlaffe Hilflosigkeit hat sich bis zum Unreinlichen und Widerwärtigen gesteigert. Auch sind sein Zahnfleisch, seine Zähne und seine Zunge mit einer schwärzlichen Masse bedeckt, die den Atem verpestet. Mit aufgetriebenem Unterleibe liegt er regungslos auf dem Rücken. Er ist im Bette hinabgesunken und seine Knie sind gespreizt. Alles an ihm arbeitet hastig, jagend und oberflächlich, seine Atmung sowohl wie der Puls, der an hundertundzwanzig flüchtig zuckende Schläge in einer Minute vollführt. Die Augenlider sind halb geschlossen, und die Wangen glühen nicht mehr wie zu Anfang rot vor Fieberhitze, sondern haben eine bläuliche Färbung angenommen. Die linsengroßen, roten Flecke auf der Brust und dem Bauche haben sich vermehrt. Die Temperatur des Körpers erreicht einundvierzig Grad …
 
In der dritten Woche ist die Schwäche auf ihrem Gipfel. Die lauten Delirien sind verstummt, und niemand kann sagen, ob der Geist des Kranken in leere Nacht versunken ist, oder ob er, fremd und abgewandt dem Zustande des Leibes, in fernen, tiefen, stillen Träumen weilt, von denen kein Laut und kein Zeichen Kunde gibt. Der Körper liegt in grenzenloser Unempfindlichkeit. – Dies ist der Zeitpunkt der Entscheidung …
 
Bei gewissen Individuen wird die Diagnose durch besondere Umstände erschwert. Gesetzt zum Beispiel, daß die Anfangssymptome der Krankheit, Verstimmung, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, unruhiger Schlaf, Kopfschmerzen, schon meistens vorhanden waren, als der Patient noch, die Hoffnung der Seinen, in völliger Gesundheit umherging? Daß sie sich, auch bei plötzlich verstärktem Auftreten, kaum als etwas Außergewöhnliches bemerkbar machen? – Ein tüchtiger Arzt von soliden Kenntnissen, wie, um einen Namen zu nennen, Doktor Langhals, der hübsche Doktor Langhals, mit den kleinen, schwarzbehaarten Händen, wird gleichwohl bald in der Lage sein, die Sache bei ihrem richtigen Namen zu nennen, und das Erscheinen der fatalen roten Flecke auf der Brust und dem Bauche gibt ja völlige Gewißheit. Er wird über die Maßregeln, die zu treffen, die Mittel, die anzuwenden, nicht in Zweifel sein. Er wird für ein möglichst großes, oft gelüftetes Krankenzimmer sorgen, dessen Temperatur siebenzehn Grad nicht übersteigen darf. Er wird auf äußerste Sauberkeit dringen und auch durch immer erneutes Ordnen des Bettes den Körper, solange dies irgend möglich, – in gewissen Fällen ist es nicht lange möglich – vor dem »Wundliegen« zu schützen suchen. Er wird eine beständige Reinigung der Mundhöhle mit nassen Leinwandläppchen veranlassen, wird, was die Arzneien betrifft, sich einer Mischung von Jod und Jodkalium bedienen, Chinin und Antipyrin verschreiben und, vor allem, da der Magen und die Gedärme schwer in Mitleidenschaft gezogen sind, eine äußerst leichte und äußerst kräftigende Diät verordnen. Er wird das zehrende Fieber durch Bäder bekämpfen, durch Vollbäder, in die der Kranke oft, jede dritte Stunde, ohne Unterlaß, bei Tag und Nacht hineinzutragen ist, und die vom Fußende der Wanne aus langsam zu erkälten sind. Und nach einem jeden Bade wird er rasch etwas Stärkendes und Anregendes, Kognak, auch Champagner verabreichen …
 
Alle diese Mittel aber gebraucht er durchaus aufs Geratewohl, für den Fall gleichsam nur, daß sie überhaupt von irgendeiner Wirkung sein können, unwissend darüber, ob ihre Anwendung nicht jedes Wertes, Sinnes und Zweckes entbehrt. Denn eines weiß er nicht, was eine Frage betrifft, so tappt er im Dunkel, über ein Entweder-Oder schwebt er bis zur dritten Woche, bis zur Krisis und Entscheidung in völliger Unentschiedenheit. Er weiß nicht, ob die Krankheit, die er »Typhus« nennt, in diesem Falle ein im Grunde belangloses Unglück bedeutet, die unangenehme Folge einer Infektion, die sich vielleicht hätte vermeiden lassen, und der mit den Mitteln der Wissenschaft entgegenzuwirken ist – oder ob sie ganz einfach eine Form der Auflösung ist, das Gewand des Todes selbst, der ebensogut in einer anderen Maske erscheinen könnte, und gegen den kein Kraut gewachsen ist.
 
Mit dem Typhus ist es folgendermaßen bestellt: In die fernen Fieberträume, in die glühende Verlorenheit des Kranken wird das Leben hineingerufen mit unverkennbarer, ermunternder Stimme. Hart und frisch wird diese Stimme den Geist auf dem fremden, heißen Wege erreichen, auf dem er vorwärts wandelt, und der in den Schatten, die Kühle, den Frieden führt. Aufhorchend wird der Mensch diese helle, muntere, ein wenig höhnische Mahnung zur Umkehr und Rückkehr vernehmen, die aus jener Gegend zu ihm dringt, die er so weit zurückgelassen und schon vergessen hatte. Wallt es dann auf in ihm, wie ein Gefühl der feigen Pflichtversäumnis, der Scham, der erneuten Energie, des Mutes und der Freude, der Liebe und Zugehörigkeit zu dem spöttischen, bunten und brutalen Getriebe, das er im Rücken gelassen: wie weit er auch auf dem fremden, heißen Pfade fortgeirrt sein mag, er wird umkehren und leben. Aber zuckt er zusammen vor Furcht und Abneigung bei der Stimme des Lebens, die er vernimmt, bewirkt diese Erinnerung, dieser lustige, herausfordernde Laut, daß er den Kopf schüttelt und in Abwehr die Hand hinter sich streckt und sich vorwärts flüchtet auf dem Wege, der sich ihm zum Entrinnen eröffnet hat … nein, es ist klar, dann wird er sterben. – 
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