Viele Flüssigkeiten haben die Eigenschaft, selbst bei[Pg 71] niedrigen Temperaturen, sich mehr oder weniger rasch zu verflüchtigen1. Man nennt dies Verdampfung2 oder Verdunstung3. Chloroform z. B. verdunstet selbst bei niedrigen Temperaturen so rasch, dass es, wenn man es in einer ungenügend4 verschlossenen Flasche aufbewahrt, vollständig aus derselben verschwindet.
Die Verflüssigung der festen Körper durch Erhitzung nennt man Schmelzen, und den Temperaturgrad, bei welchem die Schmelzung vor sich geht5, den Schmelzpunkt. Lässt man den geschmolzenen Körper unter seinen Schmelzpunkt abkühlen, so wird er wieder fest. Der Temperaturgrad, bei welchem dies geschieht, wird Erstarrungspunkt, beim Wasser Gefrierpunkt genannt.
Manche Stoffe, z. B. Arsentrioxyd, Kalomel, Kampfer, verwandeln sich beim Erhitzen, ohne vorher zu schmelzen, in Dampf, welcher sich, mit genügend abgekühlten Flächen in Berührung gebracht6, direkt wieder zu festen Körpern verdichtet. Diese Art der Verflüchtigung wird Sublimation genannt. Man kann jedoch auch schmelzbare Körper, wie Jod7, Benzoesäure, sublimieren, wenn man das Erhitzen im luftverdünnten8 oder luftleeren Raume vornimmt, oder wenn man sie nicht ganz bis zu ihrem Schmelzpunkte erhitzt.
Die Verflüssigung fester Körper in Flüssigkeiten nennt man lösen9. Ein fester Körper ist löslich9, wenn er sich in der Flüssigkeit (dem Lösungsmittel), mit welcher man ihn in Berührung bringt, zu einer völlig homogenen flüssigen Mischung, der Lösung9, verteilt.
Je nachdem sich ein Körper nicht oder nur langsam und in verhältnismässig geringer Menge, oder rasch und in grosser Menge löst, unterscheidet man unlösliche, schwer- und leichtlösliche Körper. In Wasser z. B. sind Kreide, Glas, Fett unlöslich, gebrannter Kalk, Gips, Weinstein10[Pg 72] schwer, Chlorcalcium11, Pottasche, Zucker leicht auflöslich. Pottasche, Chlorcalcium und manche andere Stoffe ziehen sogar Feuchtigkeit aus der Luft an und verwandeln sich infolgedessen12 beim Liegen an der Luft von selbst in eine wässerige Lösung; man nennt sie zerfliesslich.13
Hat man von einem festen Körper so viel in der Flüssigkeit gelöst, als letztere davon zu lösen vermag, so ist die Lösung eine konzentrierte oder gesättigte, andernfalls eine verdünnte oder ungesättigte. Bei den meisten Körpern nimmt14 die Löslichkeit im Verhältnis der Temperaturerhöhung zu. Bei 15° braucht 1 Teil Weinstein z. B. um sich zu lösen 220, bei 100° nur 15 Teile Wasser. Lässt man eine heiss gesättigte Lösung abkühlen, so scheidet15 sich, und zwar16 meistens in Krystallen, derjenige Teil des gelösten Stoffes aus, der sich bei der niedrigen Temperatur nicht mehr gelöst zu halten vermag.