Die Chemie ist die Lehre von den Eigenschaften1 und Umwandlungen2 der Elemente der Natur und von ihren Verbindungen. Sowohl die Elemente wie ihre Verbindungen nennt man Stoffe3. Man kann daher die Chemie auch als die Lehre von den Stoffen, ihren Eigenschaften und Umwandlungen bezeichnen.
Elemente der Natur oder chemische Grundstoffe4 nennt man diejenigen Stoffe, welche wir bis jetzt nicht in andere[Pg 68] Stoffe zu spalten oder zu zerlegen vermögen und daher als chemisch einfach oder unzersetzbar betrachten, ohne dass5 mit Bestimmtheit gesagt werden kann, dass sie wirklich unzersetzbar sind. Aus den chemischen Grundstoffen baut sich die ganze körperliche Welt vom einfachen Mineral bis zur Pflanze und dem Tier auf.
Jedes Element besitzt eigenthümliche Merkmale6, die man teils physikalische, teils chemische Eigenschaften oder chemisches Verhalten7 nennt.
Die physikalischen Eigenschaften beziehen sich hauptsächlich auf den Aggregatzustand und alles damit Zusammenhängende.
Unter dem Aggregatzustande der Stoffe versteht man die Eigenschaft derselben, je nach den auf sie einwirkenden Druck- und Temperaturverhältnissen8, entweder den luftförmigen (gasförmigen) oder den flüssigen oder den festen Zustand anzunehmen.
Im gasförmigen Zustande nimmt9 die Materie den grössten Raum ein, besitzt keinen Zusammenhang, und vermag daher keine selbstständige Form oder Gestalt anzunehmen, sondern erfüllt jeden Raum, den man ihr bietet, vollständig. Lässt10 man in einen mit einem Gase erfüllten Raum ein zweites Gas einströmen, so verbreitet sich letzteres allmählig (vorausgesetzt dass die Gase nicht chemisch auf einander einwirken) in dem Raume ebenso gleichmässig, wie wenn kein anderes Gas vorhanden wäre. Man nennt dies die Diffusion der Gase. In der atmosphärischen Luft sind Sauerstoff- und Stickstoffgas11 mit einander diffundiert.
Nach Boyle vermindert sich bei12 allen Gasen der Raum, den ein Gas einnimmt, im umgekehrten Verhältnis zum Druck. Lässt man z. B. auf ein Gas, das einen Raum von 100 l erfüllt, einen doppelten Druck wirken, so wird dadurch[Pg 69] das Gas auf sein halbes Volumen, also auf 50 l, zusammengepresst.
Nach Gay-Lussac dehnen sich alle Gase bei gleicher Temperaturzunahme im gleichen Verhältnisse aus und umgekehrt; oder, wenn man ihnen die Ausdehnung nicht gestattet, so erhöht sich der Druck, den die Gase auf die Wandungen des sie umschliessenden Gefässes ausüben, bei allen Gasen im gleichen Verhältnis zur Temperaturzunahme und umgekehrt. Der Wert, um13 welchen sich die Gase bei gleichbleibendem Druck für je 1° C. der Zunahme oder Abnahme der Temperatur ausdehnen oder zusammenziehen, der sogenannte Ausdehnungskoefficient, ist 0,00367 oder 1/273 des ursprünglichen Volumens. Diese Gesetze haben sich bei späteren Prüfungen nicht als ganz, sondern nur als annähernd richtig erwiesen.