Ein Indianer kennt keinen Schmerz, echte Kerle verziehen höchstens kurz das Gesicht, wenn's mal weh tut. Andererseits verkraften Frauen sogar die Qualen einer Geburt. Wer also ist schmerzempfindlicher, wer ist hier die Memme: Mann oder Manuela?
Von wegen starkes Geschlecht: Männer seien in Wirklichkeit viel wehleidiger als Frauen, wird immer wieder behauptet - sie würden beispielsweise den Schmerz einer Geburt gar nicht überstehen können. Doch stimmt das wirklich? Reagieren Männer oder Frauen empfindlicher?
Johannes Wagner hat eine klare Antwort: "Es sind eindeutig die Frauen", sagt der Chefarzt der Abteilung für Endokrinologie an der Schlossklinik Abtsee in Laufen. Natürlich gebe es bei der Schmerzempfindlichkeit eine enorme Bandbreite. Viele Studien hätten aber gezeigt, dass Frauen Schmerzen im Durchschnitt intensiver wahrnehmen als Männer, so Wagner.
Der Unterschied hat etwas mit den männlichen und weiblichen Geschlechtshormonen zu tun: Testosteron senkt das Schmerzempfinden, das weibliche Östrogen steigert es dagegen. "Das Klischee vom harten, testosteronbetonten Macho hat einen wahren Kern: Er spürt einfach weniger Schmerz", sagt Wagner.
Bei der Geburt helfen Endorphine den Müttern
Deutlich wird dieser Zusammenhang bei Geschlechtsumwandlungen: Männer, die weibliche Hormone bekommen, entwickeln sehr häufig chronische Schmerzen. Frauen, die sich für eine Geschlechtsumwandlung entschieden haben, berichten über das Gegenteil - während der dafür notwendigen Testosteronbehandlung bessern sich bestehende Schmerzen deutlich.
Testosteron führt also beim Mann nicht nur zu einem robusteren Körperbau, es macht auch unempfindlicher gegen Schmerz. Bei der Geburt hilft ein zusätzlicher Mechanismus den Frauen, Schmerzen zu ertragen: "Das läuft nicht über Hormone, sondern über Endorphine", sagt Wagner. Bei der enormen Belastung durch eine Geburt setze der Körper diese schmerzstillenden Substanzen im Körper frei und senke dadurch die Empfindsamkeit.