Das Zürcher Wurstessen am ersten Fastensonntag 1522 war eine Provokation – und für die Reformation in der Schweiz ähnlich bedeutsam wie der Wittenberger Thesenanschlag für die Reformation in Deutschland. Autor: Xaver Frühbeis
Am 9. März 1522, es ist der erste Sonntag nach Aschermittwoch, haben sich im Haus des Züricher Buchdruckers Christoph Froschauer eine Menge Gäste eingefunden. Kaufleute, Gelehrte, angesehene Bürger, auch ein Priester vom Grossmünsterstift ist da. Huldreich Zwingli, ein guter Freund des Buchdruckers.
Provokantes Mahl
Die Köchin tischt auf. Erst gibt es Fasnachts-Chüechli, - traditionell: ohne Ei -, und dann werden zwei Räucherwürste in Scheiben geschnitten. Jeder, der will, darf mal. Später werden die Teilnehmer dafür sorgen, dass das, was sie getan haben, sich rumspricht in der Stadt. Denn das Ganze ist vor allem eine gezielte Provokation. Die Wurstesser sind unzufriedene Christen. Mit dem Fastengebot der Kirche wird Schindluder getrieben. Tiere wie Biber oder Otter kommen auf den Tisch, man erklärt sie zu Fischen, weil sie im Wasser leben. Braten richtet man in Fischform an und hofft, dass Gott und seine irdischen Vertreter das nicht mitbekommen. Und weil mit Geld alles geht, kann man sich bei der Kirche auch vom Fastengebot freikaufen, man nennt das den "Butterpfennig".
Und so essen jetzt Froschauer und seine Freunde in der österlichen Fastenzeit Würste und erzählen das rum. Es reagiert darauf nicht die Kirche, sondern der Rat der Stadt Zürich. Der Akt wird als öffentliche Ruhestörung angesehen. Die Wurstesser müssen vor dem Rat erscheinen und ihr Tun rechtfertigen. Und das ist genau, was sie beabsichtigt haben.
Froschauer, der Buchdrucker, verteidigt sich weltlich. Er und seine Leute hätten hart zu arbeiten gehabt, ein großer Auftrag für die Frankfurter Buchmesse, von dem ewigen Brei würde dabei niemand satt werden, und allweil Fisch wäre bei den Preisen nicht drin.