Ein Antikriegsstück sollte es sein, bei dem das Publikum nicht mit der Heldin mitfiebert, sich nicht mit deren Schicksal identifiziert. Trotzdem wollten die Zuschauer, dass es gut ausgeht für Mutter Courage und ihre Kinder. Autor Berthold Brecht lehnte das für seine Figuren ab! Autorin: Katharina Hübel
"Man sollte Teheran besuchen, bevor es zerbombt ist", rechtfertigte sich der berühmte Theaterregisseur und Intendant Claus Peymann 2007, als er mit seinem Berliner Ensemble nach Teheran reisen und dort Bertolt Brechts "Mutter Courage" aufführen wollte. Eine Aufführung, die weder von der Bundesregierung noch so recht vom iranischen Regime gewollt wurde.
Wir spielen!?
Menschen demonstrierten dagegen auf dem Bertolt-Brecht-Platz in Berlin. Und dennoch fand sie statt. Für Claus Peymann hatte es eine besondere Bedeutung, "in einem vom Krieg bedrohten Land ein Anti-Kriegsstück zu spielen". Hätte Brecht diese Worte vernommen, fast sechzig Jahre nach der Premiere seiner "Mutter Courage" am Deutschen Theater in Berlin, am 11. Januar 1949 – er hätte sich verstanden gefühlt. Die Deutschland-Premiere seines Stückes damals brauchte nicht viel Kulisse: Berlin lag 1949 tatsächlich und wahrhaftig in Trümmern, Berlin war bereits zerbombt. Das Publikum trug die Erlebnisse des Krieges, die realen Bilder der Trümmerfelder, der Verwundeten und Toten mit in den Theatersaal. Sie waren die Kulisse, vor der Brecht inszenierte und seine "Mutter Courage" mit ihrem Planwagen durchziehen ließ. Unterwegs mit ihren drei Kindern versucht sie, ihre Geschäfte mit dem Krieg zu machen – um sich irgendwie durchzuschlagen. Und kann nur verlieren.
Kein gutes Ende
Egal, auf welche Seite sie sich schlägt, der Krieg kennt nur die Zerstörung. Vor allem die der kleinen Leute, die gar nicht gewinnen können.
Geschrieben hatte Bertolt Brecht die Courage im skandinavischen Exil bereits Ende der 1930er. In der Figur der Marketenderin, der Händlerin, versteckt: ein Appell an sein Gastgeber-Land, sich der Absurdität dessen bewusst zu werden, auf friedliche Handelsbeziehungen mit Hitler zu hoffen.
Doch in der Hinsicht kam die Mutter Courage zu spät – sie sollte nicht mehr im skandinavischen Exil aufgeführt werden. Erst 1941 in Zürich. Und dort passierte etwas, das Brecht nun wirklich nicht gewollt hatte: Das Publikum sympathisierte mit der Mutter Courage, hatte gar Mitleid mit der Figur. Bis zur Deutschlandpremiere 1949 überarbeitete Bertolt Brecht daher nochmal alle Texte und Songs – der Ton wurde beißender, zynischer, garstiger. Brecht begründete damit sein "Theater des neuen Zeitalters", seine eigene Form des epischen Theaters, voller Verfremdungseffekte. Er machte das Gegenteil dessen, was er im amerikanischen Exil in Hollywood erlebt hatte: Keinen Spannungsaufbau, keine abwechslungsreiche Dramaturgie, kein Mitfiebern mit dem Helden, keine Identifikation. Bertolt Brecht wollte ein Theater der Reflexion. Mutter Courage lernt im Verlauf des Stückes nichts hinzu. Dem Zuschauer sollte das nicht passieren. Und er traf sein Publikum dennoch mitten ins Herz: Vor der Trümmerlandschaft Berlins war die "Mutter Courage" ein Theaterstück, das die Menschen zutiefst berührt hatte.