Wenn in der Bibel steht, es gab Riesen auf Erden, dann gab es Riesen auf Erden. Für Beweise kann man nachhelfen - und sich eine goldene Nase damit verdienen. Egal ob echt falsch oder falsch falsch. Autorin: Silke Wolfrum
Seelig sind die, die glauben können und reich die, die diesen Glauben für sich zu nutzen wissen - könnte man die Quintessenz der unglaublichen Geschichte nennen, die sich im 19. Jahrhundert in Cardiff, einem Städtchen südlich von Syracuse im Staat New York zugetragen hat.
Die Heilige Schrift spricht wahr
Am 16. Oktober 1869 sollten Arbeiter im Garten von William C. Nevell einen Brunnen graben und stießen auf einen menschlichen Fuß gigantischen Ausmaßes. Derselbe gehörte zu einem Riesen aus Stein von rund 3 Metern Länge und 3000 Pfund Gewicht. Eine Sensation! Rasch entwickelten sich zwei Theorien über den Fund: Handelte es sich um eine Statue? Oder war der Gigant ein versteinerter Urmensch und damit der Beweis dafür, dass stimmt, was in der Bibel steht: "In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen" (1. Buch Mose).
Neugierige und Wissenschaftler strömten herbei, 300 bis 500 Menschen täglich. Klar, dass Nevell und sein Verwandter George Hull da Eintrittsgeld verlangten. Bald entstanden auch Buden um Nevells Farm, von Syracuse wurde ein Extra-Pferdeomnibus-Dienst zum Transport der Schaulustigen eingerichtet und zwei neue Restaurants eröffneten: The Giant Saloon und The Goliath House.
Dann kaufte ein Konsortium von Hotelbesitzern den “amerikanischen Goliath“ für 30.000 Dollar, um ihn in Syracuse noch profitbringender auszustellen.
Summa summarum hatten Nevell und Hull so ein Zigfaches an dem verdient, was es sie gekostet hatte, den Riesen herzustellen und einzubuddeln. Hull hatte die Idee gehabt, nachdem er mit einem Pfarrer in einen Streit geraten war. Dieser hatte behauptet, dass alles, was in der Bibel stehe, wortwörtlich zu nehmen sei. Es habe früher also auch Riesen gegeben. Hull hielt das für Nonsens. Aber bitte, dachte er, deinen Riesen sollst du haben.
Wenig später transportierte er einen um die 5 Tonnen schweren Gipsblock von Iowa nach Chicago. Unterwegs brachen nicht nur mehrere Wagen unter dem Gewicht zusammen, sondern auch eine ganze Brücke. In Chicago schlug ein Steinmetz den Giganten aus dem Block, dann wurde er in Newells Garten vergraben. Was für ein riesen Jux!
Echte Fälschung und falsche Fälschung
Die besondere Würze der Geschichte besteht jedoch darin, dass schon bald Wissenschaftler den Steinriesen für einen plumpen Fake erklärten und Hull dies auch zugab. Doch: Dem Glauben an den "amerikanischen Goliath" tat dies keinen Abbruch. Die Massen strömten weiterhin herbei. Ein berühmter Arzt pries die anatomische Beschaffenheit des Riesen. Ein Yale-Student entdeckte Hieroglyphen auf dem Körper des Giganten und der Philosoph Ralph Waldo Emerson erklärte das Monstrum als "über jedes Begreifen hinaus sehr wundervoll und unzweifelhaft alt." Seelig sind die Gläubigen!
Noch pikanter wurde die Sache, als der Zirkusbesitzer Phineas T. Barnum eine Kopie des Riesen anfertigte und ihn im Wood’s Museum mit der Bezeichnung "Das Original aller Cardiff-Riesen" ausstellte. Ein Rechtsstreit begann, in dem bewiesen werden sollte, wer denn nun die echte Fälschung hatte.