Heute darf man über Hitler auch lachen. Können tut man es schon seit 1940. Dank Charlie Chaplin. Und man hofft: der "Gröfaz" hat damals wirklich vor Wut in den Teppich gebissen. Autorin: Justina Schreiber
Charlie Chaplins Tramp machte es populär, das Zweifingerbärtchen. Ob Adolf Hitler den Komiker also kopierte, als er sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs die Spitzen seines Kaiser-Wilhelm-Bartes stutzte, angeblich damit die Gasmaske besser passte? Dazu die in die Stirn fallende dunkle Haarsträhne, die an eine verrutschte schwarze Melone denken ließ! Nicht nur die physiognomischen Parallelen überraschen. Hitler war beinahe auf den Tag genau so alt wie Chaplin. Der britische Stummfilmstar und der österreichische Gefreite, der es bis zum gefürchteten Diktator brachte, Chaplin und Hitler waren Kippfiguren. Der eine gut, der andere böse - je nachdem, von welcher Seite man darauf blickte.
Hitler? Obszön komisch!
Sogar den Nazis fiel ja auf, dass der Komiker wie das Zerrbild ihres Idols beziehungsweise ihr Idol wie das Zerrbild des Tramps wirkte. Sie diffamierten den weltberühmten Schauspieler als "so langweiligen wie widerwärtigen Zappeljuden", der eigentlich Karl Tonstein hieße - was definitiv nicht stimmte, von Chaplin aber nicht dementiert wurde. Vielmehr empfand er es als Ehre, für einen Juden gehalten zu werden. Er selbst wiederum sah in Hitlers Selbstdarstellung in der Tat eine lächerliche Imitation seiner eigenen medialen Inszenierung. Er sei "in obszöner Weise komisch", sagte er.
Keine Frage, dass sich der deutsche Reichskanzler mit seinem (Zitat Chaplin!) "absurden Schnurrbart, den ungekämmten strähnigen Haaren und dem widerwärtigen dünnen kleinen Mund" für eine Satire förmlich anbot. Von 1937 bis 1939 arbeitete der Komiker, der zwei Millionen Dollar privates Vermögen in das Projekt investierte, wie besessen an dem Drehbuch. Es sollte sein längster Film werden. Er feilte noch an der Geschichte des namenlosen jüdischen Friseurs, der zunächst vom Diktator Adenoid Hynkel verfolgt und später mit ihm verwechselt wird, als Hitler mal eben schnell Österreich einheimste. Kurz nachdem der totalitäre Führer dann überraschend Polen überfallen hatte, begannen die Dreharbeiten.
Und als Chaplins Film "Der große Diktator" am 15. Oktober 1940 in New York endlich Premiere feierte, hatte dessen lebendiges Vorbild bereits die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Paris besetzt.
Gröfaz gegen Grök(omiker)az
Jetzt gaben auch Hollywoods Mächtige, die noch lange nach dem deutschen Markt geschielt hatten, ihre Vorbehalte gegen Chaplins antifaschistisches Engagement auf. Seine spielerische Dekonstruktion dieses gefährlichen Verrückten, den er vielleicht besser als manch anderer verstand, fand plötzlich unzählige Sympathisanten. So kam es, dass Hitlers unersättlicher Machthunger indirekt auch die Kinokassen in den USA füllte. Aber den entsetzlichen Lauf der Geschichte konnten weder Chaplins glänzende Parodie noch der ganz persönliche Friedens-Appell stoppen, den sich der - in Personalunio - Schauspieler, Autor, Regisseur und Komponist des Films in der Schlussszene erlaubte. Der Gröfaz habe nach einer privaten Vorführung des "großen Diktators" vor Wut in den Teppich gebissen, hieß es. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass ihn sein Gefolge vor dem entlarvenden Blick in den Spiegel bewahrt hat.