"Prost, Mahlzeit", so reagieren viele Verfechter bayerischer Braukunst auf die Nachricht, dass das Reinheitsgebot nicht mehr gelten soll für alles, was in Flaschen und Dosen aus dem Ausland über die blau-weißen Grenzen schwappt. Autorin: Birgit Magiera
Beim Bier hört in Bayern der Spaß auf. Was dem Franzosen sein Rotwein und dem Japaner sein Tee, das ist dem Bayern sein Bier. Das hätte der europäische Gerichtshof eigentlich wissen müssen, an diesem 12. März 1987. An dem Tag entschieden die Richter, dass für importbier das Reinheitsgebot nicht mehr gilt. Ausländische Brauereien durften also ab sofort und ungehindert bayerische Bierkrüge und Kehlen mit ihrem gepanschten Irgendwas besudeln. Die Empörung war groß, aber auch das Vertrauen in den bayerischen Konsumenten. Der würde so ein Getränk, das den Namen Bier gar nicht verdient, nicht kaufen, geschweige denn trinken.
Ned mit uns!
Do hod de Gaudi a Loch!
Vielleicht waren die Gefühlswallungen auch deshalb so überschäumend, weil man hierzulande viel Erfahrung hat mit schlechtem Bier: Vor rund 500 Jahren erließ Herzog Wilhelm IV. von Bayern in Ingolstadt das berühmte Reinheitsgebot. Das war auch bitter nötig. Denn bis dahin gärte in bayerischen Braukesseln ein recht übler Sud vor sich hin. Harmlos waren aromatische Kräuter wie Thymian, Koriander und Lorbeer zur Geschmacksverbesserung. Aber auch Ruß und Kreide wurden ins Bier gemischt, oder Ochsengalle und Eichenrinde in den Kessel gekippt. Einige dieser Zutaten sollten das Bier noch retten, wenn der Sud umzukippen drohte, also Gefahr lief, zu misslingen. Und wenn das Bier zu dünn geriet, absichtlich oder aus Versehen, erzeugten viele Braumeister den Schwindel im Kopf mit ganz speziellen Rauschverstärkern: so landeten Tollkirsche, Seidelbast oder Bilsenkraut im Bier - hochgiftige halluzinogene Pflanzen, die so manchem Trinker Lähmungen, Wahnvorstellungen und sogar den Tod bescherten.
A fetz´n Rausch!
Und auch der Aberglaube braute mit: weil man noch nicht im Detail Bescheid wusste über das Wirken der Hefe und die Feinheiten der alkoholischen Gärung, reimte man sich allerlei zusammen, wie das Brauen gelingen müsse. Der Fromme nahm da gern den Rosenkranz zu Hilfe, andere verließen sich lieber auf den Scharfrichter: gegen gutes Geld lieferte der den Finger eines Gehenkten.
Das kleine Leichenteil im Braukessel sollte nicht nur für einen ganz besonderen Geschmack sorgen. Mit dem Gliedmaß so eines Unglücklichen könne man gut und gerne das Doppelte bis Dreifache aus dem Fass zapfen, hieß es unter geschäftstüchtigen Brauern. Am besten wirken sollten dabei die Finger von unschuldig Gehenkten.
Grauenhaft, was da früher in den Kesseln herum schwamm. Und so schädlich für die Volksgesundheit, dass die Obrigkeit hart durchgriff: mithilfe des Reinheitsgebotes. Nur mehr Hopfen, Gerste und Wasser sollten von da ab zum Bierbrauen verwendet werden.
Und keine fünfhundert Jahre später liefert der europäische Gerichtshof den bayerischen Biertrinker wieder der Panscherei aus. So jedenfalls sahen die Kritiker 1987 dieses Urteil zugunsten von importbier. Dabei darf bezweifelt werden, dass das Reinheitsgebot von Anfang an gewirkt hat. Die bayerische Herrscherfamilie hat der Qualität des heimischen Bieres weiterhin misstraut. Das Bier für den Herzogshof importierte man noch lange nach dem Erlass teuer und umständlich aus Norddeutschland. Und auch für das später gegründete Hofbräuhaus warben die Bayern extra Braumeister aus Niedersachsen an.
Aber das muss man hier jetzt nicht zu laut erzählen …