Prestigeträchtig sollte es sein, der DDR-Luftfahrt zu neuen höhen verhelfen und nicht zuletzt den großen Bruder Sowjetunio beeindrucken - das Düsenflugzeug mit der Nummer 152. Dann stürzt es ab … Autor: Hartmut E. Lange
Airbus oder Boeing, so heißen zuverlässige Flugzeuge heute. Damals - in den 1950er Jahren, als es mit der düsengetriebenen Zivilluftfahrt gerade erst losging - trugen sie so stolze Bezeichnungen wie Caravelle und Comet und kamen aus Frankreich und England. Aber 152? Nur eine Zahl? Ein Flugzeug ohne Namen? War das vielleicht ein schlechtes Omen?
Eine schwere Geburt
Techniker sind rationale Menschen, die glauben nicht an so was. Projektleiter Brunolf Baade, ehemaliger Chefkonstrukteur bei Junkers, hatte Ju 152 vorgeschlagen, mit Blick auf mögliche Absatzmärkte in Asien, Afrika und Südamerika. Denn dort genossen die zivilen Flugzeuge der Dessauer Firma hohes Ansehen, allen voran die legendäre Ju 52. Aber die DDR-Führung wollte diesen Namen nicht wiederaufleben lassen, obwohl der Firmengründer,
Hugo Junkers, ein erklärter Gegner der Nazis gewesen war.
Baade 152 hatten andere vorgeschlagen, doch auch diese Bezeichnung passte der Führung in Ost-Berlin nicht. Man war der Ansicht, dass ein kollektives Werk von Arbeitern und Ingenieuren nicht nach einer einzelnen Person benannt werden durfte.
Die 152war das Prestigeprojekt der jungen DDR. Noch vor dem ersten Testflug erschien eine Briefmarke, auf der das Flugzeug abgebildet war und für Bastler gab es ein Modell aus Plastik.
Im Dezember 1958 startete die 152 endlich zu ihrem Jungfernflug. Mit donnernden Triebwerken stieg das silbern glänzende Passagierflugzeug in den wolkenlosen Himmel. Hunderte Flugzeugbauer standen vor den Montagehallen in Dresden-Klotzsche und verfolgten gespannt die Prämiere. Ihre jahrelange Arbeit trug endlich Früchte: die 152 drehte problemlos zwei Runden um Dresden und setzte nach 35 Minuten Flugzeit wieder sicher auf der Landebahn auf.
Der zweite Testflug sollte viel später stattfinden, doch die Regierung machte Druck. Nikita Chruschtschow hatte nämlich einen Besuch der Leipziger Frühjahrsmesse ange-kündigt, SED-Chef Walter Ulbricht wollte unbedingt mit seinem Düsenjet dem russischen Genossen imponieren.
Chruschtschow soll staunen
Der vorgezogene Testflug am 4. März 1959 bestand aus mehreren Teilen: erst Steigflug auf sechstausend Meter Höhe, anschließend Tiefflug für Filmaufnahmen, das Kamerateam stand auf einem Hallendach bereit. Danach: landen, auftanken und erneut starten - zum spektakulären Flug über das Messegelände in Leipzig. Nach 55 Minuten erwarteten die Techniker die Maschine zurück, doch sie war nirgends zu sehen. Stattdessen eine schwarze Rauchsäule am Horizont - die 152 war nur wenige Kilometer vom Flugplatz entfernt abgestürzt. Die Ursachen der Katastrophe wurden geheim gehalten, was Verschwörungstheorien beflügelte. Sabotage! Da stecken die Russen dahinter!, vermuteten viele. Die fürchten, dass unsere 152 ihren Zivilmaschinen eine zu starke Konkurrenz wird!
Erst nach dem Ende der DDR waren die Unfallberichte zugänglich und ermöglichten ein realistischen Blick auf das Desaster: sowohl menschliche als auch technische Fehler waren entdeckt worden, von Sabotage keine Spur.
Der Absturz der 152 war nicht nur mit dem Verlust von vier Menschenleben verbunden, auch mit dem Verlust von Vertrauen. Die Russen stornierten ihren Großauftrag über hundert Maschinen, andere Käufer fanden sich nicht. Und so wurde im Frühjahr 1961 der Flugzeugbau in Dresden eingestellt.
Trotzdem, Tatsache bleibt: die 152, durchaus elegant, schnittig und vor allem das erste deutsche Verkehrsflugzeug mit Düsenantrieb war Made in GDR
- Made in German Democratic Republic.