NEUE CHANCE FÜR KLEINE LÄDEN
Kleine Geschäfte mit regionalen Produkten werden in Deutschland wieder beliebter. Die Firma LHG beliefert solche kleinen Läden mit Lebensmitteln. Fast 300 Kilometer fahren die Lastwagen der Firma, um die Ware zu den Geschäften zu bringen. Über LHG können die kleinen Geschäfte ihre Waren fast zu den gleichen Preisen einkaufen wie große Supermärkte – obwohl es viel kleinere Mengen sind. Neben den Produkten, die auch große Supermärkte haben, können diese kleinen Geschäfte außerdem regionale Produkte wie zum Beispiel Milch anbieten. Die Kunden finden dieses Angebot sehr gut.
MANUSKRIPT ZUM VIDEO
SPRECHERIN:
Irgendwo hier in den Regalen versteckt sich die nächste Lieferung für den Dorfladen in Weißbach. Eine Computerstimme weist dem Lagerarbeiter per Kopfhörer den Weg und sagt ihm, was er aufladen soll. Mehr als 7.000 Artikel stehen zur Auswahl. Bernd Weykopf hat den Navigator für das Warenlager vor Kurzem eingeführt. Seitdem gibt es deutlich weniger Fehllieferungen. Noch wichtiger als moderne Technik ist Erfahrung. Seit 1804 ist die Großhandelsfirma am Markt.
ERND WEYKOPF (Geschäftsführer LHG):
Als Familienunternehmen haben wir schon immer kleinflächigen Lebensmitteleinzelhandel, also so genannte Tante-Emma-Läden, beliefert. Eine Zeit lang waren die jetzt auf 'nem absteigenden Ast, wenn man das mal so flapsig formulieren will, inzwischen gibt es eine deutliche Wiederbelebung, und davon profitieren wir natürlich im Augenblick auch.
SPRECHERIN:
Im Verkauf stehen vormittags die Telefone nicht still. 400 Geschäfte wollen Ware. Neben Tankstellen und Getränkehändlern sind das vor allem Dorfläden. Die brauchen oft nur kleinste Mengen und bekommen sie auch. Will ein Einzelhändler nur drei Himbeerjoghurts haben, wird dafür eine Großpackung angebrochen.
FRAU:
Die können Sie auf jeden Fall nächste Woche nachbestellen.
SPRECHERIN:
Auf dem Weg nach Weißbach. Auch der Geschäftsführer ist viel unterwegs. Die Firma liefert in einem Radius von 260 Kilometern. Immer wieder feilen die Logistiker an den optimalen Touren für die 18 firmeneigenen Laster. Allein bis Weißbach sind es 86 Kilometer. Dafür braucht ein Lieferwagen mindestens eineinhalb Stunden. Das rentiert sich nur, weil alles in einem Laster gebracht wird. Die Tiefkühlkost ist in der Spezialbox, der Rest der Ladefläche kalt genug für Molkereiprodukte. Da kommen dann auch gleich die Getränke gut gekühlt an. Ilona Hess gehört der Laden.
MANN:
In welche Richtung?
ILONA HESS:
Aber das Eis könnten Sie mir noch mittragen.
SPRECHERIN:
Sie bekommt regelmäßig Besuch von ihrem Großhändler. Denn ihr Geschäft ist ein
"Ums-Eck-Laden". Der Name steht für ein ganz eigenes Konzept. Das hat die LHG 1999 mit zwei Partnern entwickelt, um den lokalen Einzelhandel neu zu beleben.
BERND WEYKOPF:
Wir haben's halt so geschafft, relativ schnell – zehn Jahre ist natürlich auch irgendwo 'ne lange Zeit, aber trotzdem relativ schnell – inzwischen knapp 200 Geschäfte in Süddeutschland zu haben, die unter der Marke "Ums Eck" draußen am Markt sind.
SPRECHERIN:
250 Euro zahlt Ilona Hess pro Jahr für die Mitgliedschaft. Dafür berät der Handelsprofi sie, wann immer sie möchte, und versorgt sie günstig mit Werbezetteln. Außerdem wird sie ermutigt, einen Teil der Waren nicht beim Großhändler, sondern direkt in der Region zu kaufen – die Frischmilch zum Beispiel.
ILONA HESS (Einzelhändlerin):
Die Kunden, die diese Waren wollen, die kommen ja sowieso in den Laden. Die sehen dann auch die andere Ware und nehmen von den anderen Waren auch was mit. Also das ist ein Synergieeffekt eigentlich.
BERND WEYKOPF:
Das ist ein Frequenzbringer und von daher, sag ich mal, begrüßen wir das. Wenn es solche Produkte in der Region noch gibt, dass die auch bezogen werden.
VERKÄUFERIN 1:
Was hätten Sie denn gerne?
SPRECHERIN:
Dazu gehört auch das Brot vom lokalen Bäcker.
KUNDE:
Das untere, bitte.
SPRECHERIN:
Diese Produkte geben dem Laden ein eigenes Profil, und die Kunden schätzen das. Obwohl die nächsten Discounter nur zwei Kilometer entfernt sind, herrscht reger Andrang.
KUNDIN 1:
Hier ist es familiär. Hier kennt jeder jeden und man kann privat rede[n]. Und in 'nem
groß[en] Discounter ist alles so unpersönlich, so pffff.
KUNDIN 2:
Ich denke, ob ich jetzt 20 oder 30 Cent mehr zahle – hab' auf jeden Fall frische Ware und zahl' lieber a bissle [ein bisschen] mehr.
SPRECHERIN:
Und so viel teurer als beim Discounter ist es hier gar nicht.
KUNDIN 2:
So a [eine] Melone nehm' ich noch mit.
VERKÄUFERIN 2:
Is' egal welche?
KUNDIN 2:
Isch [Es ist] egal, welche.
SPRECHERIN:
Denn die LHG ist Teil einer großen europäischen Einkaufsgemeinschaft. Die kann ähnliche Preise aushandeln wie die großen Supermarktketten. Diesen Preisvorteil gibt der Großhändler an die Einzelhändler weiter.
BERND WEYKOPF:
Als Kunde haben Sie immer Vorfahrt. Tschüss!
SPRECHERIN:
Denn ihm ist klar: Nur wenn es den kleinen Läden gut geht, hat auch er eine Zukunft.
GLOSSAR
jemandem den Weg weisen – jemanden sagen, wo er hinfahren muss
etwas aufladen – etwas auf ein Fahrzeug stellen
etwas steht zur Auswahl – es gibt etwas
Navigator, der – das Gerät, das jemandem den → Weg weist
etwas einführen – etwas Neues einsetzen
Fehllieferung, die – eine falsche Warenlieferung
Großhandelsfirma, die – ein Unternehmen, das große Mengen an Produkten an Geschäfte verkauft, die es dann weiterverkaufen (auch: der Großhändler)
Einzelhandel, der – die kleinen Geschäfte
Tante-Emma-Laden, der – der kleine Laden für Lebensmittel
jemanden beliefern – jemandem etwas bringen (Substantiv: die Lieferung)
auf dem absteigenden Ast sein – immer weniger Erfolg haben
etwas flapsig formulieren – etwas umgangssprachlich ausdrücken
Wiederbelebung, die – der neue Anfang
von etwas profitieren – hier: mit etwas Geld verdienen
Händler/in, der/die – jemand, der Waren kauft und wieder verkauft
Geschäftsführer/in, der/die – der/die Chef/in einer Firma
Radius, der – hier: das Gebiet
an etwas feilen – etwas verbessern
Logistiker/in, der/die – jemand, der für Transport und Transportwege zuständig ist
optimal – bestmöglich
firmeneigen – so, dass etwas der Firma gehört
Laster, der – der Lastkraftwagen; das große Auto
Lieferwagen, der – der → Laster
etwas rentiert sich – etwas bringt genug Geld ein
Tiefkühlkost, die – eingefrorene Lebensmittel
Ladefläche, die – der Platz in einem Fahrzeug, in dem Waren transportiert werden
Molkereiprodukt, das – das Milchprodukt
Ums-Eck – um die Ecke; hier: in der Nähe
Konzept, das – hier: die Geschäftsidee
lokal – aus der Umgebung
Mitgliedschaft, die – die Tatsache, dass man offiziell Mitglied einer Gruppe ist
jemanden mit etwas versorgen – jemandem etwas geben
jemanden ermutigen – jemandem Mut machen
Synergieeffekt, der – die Tatsache, dass man mehrere Wirkungen mit einer Aktion erzielt
Frequenzbringer, der – ein billig angebotenes Produkt, das viele Kunden anzieht (Wirtschaftssprache)
etwas begrüßen – etwas gut finden
etwas beziehen – hier: etwas geliefert bekommen
Profil, das – das besondere Merkmal
etwas schätzen – etwas gut finden
Discounter, der (aus dem Englischen) – ein großer Laden mit günstigen Preisen
es herrscht reger Andrang – viele Leute sind da
einen Preis aushandeln – gemeinsam einen Preis bestimmen
Vorfahrt, die – die Tatsache, dass man als erster gehen oder fahren darf
jemand hat eine Zukunft – jemand wird Erfolg haben