WIR SPRECHEN DEUTSCH
Alle sprechen Deutsch miteinander. Dies ist die Regel für alle Schüler und Lehrer auf der Herbert-Hoover-Schule in Berlin. Mehr als 90 Prozent der Schüler sind Ausländer oder haben Eltern, die aus dem Ausland kommen. Die Schule verfolgt das Ziel, dass alle Schüler gut Deutsch lernen. So verstehen sie sich untereinander besser und haben später gute Chancen, eine Arbeit zu finden.
MANUSKRIPT ZUM VIDEO
SPRECHERIN:
Pünktlich zur Schule – heute mal mit dem Taxi. Mohammed Kasbah fährt seine Tochter Mirna persönlich. Ihre Ausbildung ist dem Taxifahrer wichtig. Deshalb schickt er die 16-Jährige auf die Herbert-Hoover-Schule. Mirna besucht die 9c. Noch ein Jahr, dann macht sie den Abschluss auf der Realschule. Wie sie kommen die meisten Schüler – mehr als 90 Prozent – aus Familien mit Migrationshintergrund. 15 verschiedene Muttersprachen sprechen sie zu Hause, hier nur Deutsch. So sind die Regeln, und die werden respektiert. Mirna ist stolz auf ihre Schule.
MIRNA:
In dieser Schule fühlt man sich so wie in einer Familie. Man kommt zur Schule, man sitzt, und man freut sich halt wie gesagt auf die Hofpausen, damit man auch mit den anderen Klassen zusammen ist. Halt ja … und halt manche Lehrer, denen man auch sehr gut vertrauen kann.
SPRECHERIN:
Das gilt an der Herbert-Hoover-Schule auch für den Rektor. Thomas Schumann ist beliebt und gleichzeitig die oberste Instanz. Das heißt für ihn: streng sein, nach klaren Regeln handeln, die die Schüler verstehen und respektieren.
THOMAS SCHUMANN (Leiter der Herbert-Hoover-Schule):
Verstehen heißt bei uns zunächst einmal: die gleiche Sprache sprechen, vermeiden, dass es Missverständnisse gibt. Und deshalb haben wir mit den Schülern und den Eltern vor einigen Jahren verabredet, miteinander Deutsch zu sprechen – in der Absicht, einander zu verstehen, zu respektieren, dass … ja, dass es Gereiztheiten geben kann, wenn man sich nicht versteht.
SPRECHERIN:
Mirna und ihr Vater haben einen Vertrag unterschrieben: Regeln, Werte, Disziplin sollen jede Unterrichtsstunde prägen. Die Ergebnisse der Grammatikaufgaben sind für die meisten Schüler nicht so gut ausgefallen. Die deutsche Grammatik fällt ihnen schwer. Obwohl sie in Deutschland geboren sind, vermischen Mirna und ihre Mitschüler Deutsch und ihre Muttersprache. Klassenlehrerin Klare unterrichtet, als wäre Deutsch eine Fremdsprache: Fall für Fall.
SPRECHERIN:
Die Schüler wollen lernen. Und sie haben sich verpflichtet, auch außerhalb der Schule zu üben, Bücher zu lesen, mindestens zwei pro Schuljahr.
MIRNA:
Dann lesen wir diese Bücher und dann schreiben wir ein kleinen Referat darüber oder wir machen Plakat und stellen es dann halt vor. Und jeder sein eigen Buch und es wird dann benotet.
SPRECHERIN:
Heidrun Klare versucht, ihre Klasse fit zu machen. Nur so kann die Integration der Schüler in die deutsche Gesellschaft funktionieren.
HEIDRUN KLARE (Deutschlehrerin):
Wenn sie nicht gutes Deutsch sprechen, werden sie hier nie wirklich ankommen. Sie werden sich nicht wirklich verständigen können. Sie werden nie wirklich ihren Alltag bestmöglich bestreiten können. Das heißt, Sprache ist essentiell – für diese Schüler und die Zukunft dieser Schüler.
SPRECHERIN:
Um Deutsch regelrecht zu trainieren, setzt die Herbert-Hoover-Schule auf das Fach "Darstellendes Spiel". In Theaterprojekten, betreut von Profischauspielern, trainieren sie Aussprache, Sprechhaltung und Selbstbewusstsein. Die Übung heißt: Wer ist für dich ein Held?
SCHÜLERIN:
Für mich ist mein Vater ein Held, weil er immer so hart arbeitet und versucht, mich glücklich zu machen.
SPRECHERIN:
Ihre Gefühle bringen sie auf die Bühne. Deutschlehrerin Jane Natz ist an der Herbert-Hoover-Schule spezialisiert auf diese Art von Unterricht. Spielerisch vermittelt sie, was für die Zukunft dieser Kinder besonders wichtig ist.
JANE NATZ (Deutschlehrerin):
In der zehnten Klasse hab ich im letzten Jahr auch Sprachübungen gemacht, und da hab ich gesagt: Wenn ihr euch telefonisch bewerbt, soll niemand hören, dass ihr Ausländer seid. So gut müsst ihr Deutsch sprechen. Weil es tatsächlich noch Firmen gibt, die daraufhin euch aussortieren. Wenn wir das erreicht haben, dass sie so gut Deutsch sprechen, dass es niemand mehr hört, das ist der Idealzustand.
SPRECHERIN:
Und das ist für Mirna und viele ihrer Mitschüler besonders schwierig. Mohamad Kasbah lebt seit 35 Jahren in Deutschland. Damals gehörte er als Libanese in Berlin zu einer Minderheit. Das sei heute anders. Der Witwer erlebt, dass die meisten Freunde seiner Kinder zu Hause kein Deutsch sprechen. Sein Sohn besucht das Gymnasium, Mirna die Realschule. Bildung ist ihm wichtig.
MOHAMAD KASBAH:
Ich hab' mich integriert in Deutschland. Ich muss nicht hundertprozentig die Mentalität annehmen, oder de Glaube annehmen, wir sind in Deutschland. Jeder kann seine Glaube ausüben, wie er will – frei – aber muss wenigstens die Sprache beherrschen, die Leute respektieren, andere Meinung akzeptieren.
SPRECHERIN:
Mohamad Kasbah steht hinter der Philosophie von Thomas Schumann und der Herbert-Hoover-Schule. Wenn Mirna hier ihre Chance nutzt, perfekt Deutsch spricht, dann kann sie ihren Traum verwirklichen und später einmal Hotelfachfrau werden. Die Schüler und ihre Eltern wissen um die Chance, die ihnen die Schule bietet. Und sie wollen sie nutzen.
GLOSSAR
9c, die – die Klasse 9c
Abschluss, der – hier: die erfolgreich beendete Schulzeit
Realschule, die – die mittlere Schule in Deutschland, die nach der zehnten Klasse mit dem Realschulabschluss endet
einen Migrationshintergrund haben – Einwanderer oder Kind eines Einwanderers sein
etwas/jemanden respektieren – etwas/jemanden achten
Rektor/in, der/die – der/die Direktor/in
die oberste Instanz – die Person, die am meisten bestimmen kann; der/die Chef/in
etwas vermeiden – dafür sorgen, dass etwas Schlechtes nicht passiert; etwas nicht tun
Gereiztheit, die – die Empfindlichkeit; der Streit
Disziplin, die – das Festhalten an bestimmten Regeln
etwas prägen – hier: etwas beeinflussen; sehr wichtig sein für etwas
etwas fällt (nicht so) gut aus – etwas ist (nicht so) gut
etwas fällt jemandem schwer – etwas ist nicht leicht für jemanden
Fall, der – hier: der grammatische Fall (z. B. Nominativ, Genitiv, Dativ)
sich verpflichten – versichern, bei etwas mitzumachen
etwas benoten – eine (Schul-)Note für eine Leistung geben
ankommen – hier: sich integrieren; ein Teil von etwas werden
sich verständigen – andere verstehen und von ihnen verstanden werden
seinen Alltag bestreiten – im Alltag keine Probleme haben
essentiell – sehr wichtig
regelrecht – wirklich
Aussprache, die – die Art, wie man ein Wort ausspricht
Sprechhaltung, die – die Art, wie man etwas sagt und seinen Körper dabei hält
Selbstbewusstsein, das – das Vertrauen in sich selbst
jemand ist spezialisiert auf etwas – jemand ist Experte in einer Sache; jemand beschäftigt sich besonders mit etwas
spielerisch – so, dass etwas nicht wie Arbeit ist; mit Spaß
etwas vermitteln – dafür sorgen, dass jemand etwas lernt
daraufhin – als Folge von etwas
jemanden aussortieren – hier: jemanden von etwas ausschließen
Idealzustand, der – der beste Fall; der perfekte Zustand
sich integrieren – dafür sorgen, dass man zu etwas (z. B. zu einer Gesellschaft) gehört
hundertprozentig – total; vollkommen
Mentalität, die – die Denk- und Lebensweise
seinen Glauben ausüben – seinen Glauben praktizieren; gemäß seiner Religion leben
etwas beherrschen – etwas können
etwas akzeptieren – etwas so annehmen, wie es ist
hinter etwas stehen – etwas gut finden; etwas unterstützen
Philosophie, die – hier: die Regeln; die Einstellung
einen Traum verwirklichen – einen Wunsch wahr werden lassen
Hotelfachfrau/Hotelfachmann, die/der – der/die Spezialist/in im Bereich Hotel
um etwas wissen – hier: sich bewusst darüber sein, wie wertvoll etwas ist