6. Dezember, Nikolaus. Wie jedes Jahr wird auch heute der Nikolaus in die Klasse kommen. "Der Nikolaus?", denkt Florian laut vor sich hin, als er gemütlich zur Schule läuft. "Der Nikolaus. Das ist wie jedes Jahr der Herr Beck, der sich schon früher im Kindergarten verkleidet hat. Damals habe ich ja noch an den Quatsch geglaubt. Was habe ich immer für eine Angst gehabt, wenn er mich angesprochen hat. Jetzt antworten wir alle gelangweilt JA, wenn er fragt, ob wir brav waren. Hoffentlich hat er was Ordentliches zum Naschen dabei. Vielleicht kriege ich wieder Michis Schokolade und Pauls Gummibärchen."
Florian kommt in der Schule an und begrüßt seine Freunde.
"Ich hab ihn schon unten im linken Hausflügel gesehen!", tönt Tobias begeistert.
"Ist doch öde!", jammert Thomas.
Florian hält Ausschau. Auch wenn er nicht mehr daran glaubt, dass es Nikolaus, Christkind und den Osterhasen gibt; irgendwie ist es doch nett. Außerdem ist er bei allen willkommen, weil er den Unterricht für eine Weile unterbricht. Vielleicht kommt er gerade bei Mathe. Mit etwas Glück gerade dann, wenn Florian seine Hausaufgaben zeigen müsste, die er mal wieder nicht so ganz ordentlich erledigt hat. "Das wäre geil", denkt er sich.
Der Unterricht beginnt und in den ersten drei Schulstunden ist weit und breit kein Nikolaus zu sehen. Die Mathestunde rückt immer näher und Florian spitzt die Ohren. Nichts. Mathe. Von Minute zu Minute wird Florian nervöser: "Wo bleibt er denn nur … ach Nikolaus, komm."
Schon beginnt der Lehrer umherzugehen. Da klopft es an der Tür.
"Na endlich", seufzt Florian.
Und wirklich, der Nikolaus kommt herein. Florian ist nicht der Einzige, der sichtbare Erleichterung zeigt. Da hatten wohl noch mehrere die Mathematikaufgaben nicht so gemacht, wie sie es hätten tun sollen.
"Wieder Herr Beck, ich hab es doch gewusst", sagt Thomas zu Florian.
Der nickt und legt entspannt seine Arme über sein verschmiertes Heft.
"Dann kommt mal alle nach vorne!", fordert der Nikolaus die Kinder auf.
Und dann beginnt das übliche Ritual. Einer nach dem anderen schlendert nach vorne, nickt und bekommt eine Tüte mit Süßigkeiten.
Als Florian an der Reihe ist, fragt der Nikolaus auch ihn: "Warst Du auch brav?"
Wie von selbst nickt Florian mit dem Kopf und muss gleich daran denken, wie er vorgestern seiner kleinen Schwester in den Bauch getreten hat, weil sie ihn geärgert hatte. "Warum eigentlich?", überlegt Florian, während er zu seinem Platz zurückgeht. Sie hatte sich noch schnell entschuldigt und trotzdem hatte er noch zugetreten. Furchtbar geweint hat sie und abends hat sie sich gar nicht gut gefühlt.
Inzwischen war der Nikolaus wieder weg. Die Hausaufgaben wurden nicht zu Ende kontrolliert. Glück gehabt.
Kurz nach dem Mittagessen soll Florian mit zum Einkaufen. Das hasst er. Aber alle Versuche, sich darum zu drücken, schlagen fehl. "Du brauchst Schuhe. Die kann ich nicht für dich probieren!", beendet die Mutter die Diskussion. Also geht es los.
Vor dem Schuhladen hat sich ein Nikolaus postiert. An dem müssen sie vorbei. Florian lästert über den hässlich kitschigen Bart und den fleckigen Mantel. "Da haben sie bestimmt so einen armen Arbeitslosen reingesteckt."
Es kommt, wie es kommen muss. "Warst Du auch brav?", fragt wieder der Nikolaus.
"Ja", antwortet Florian und erhält einen schönen knackigen Apfel.
Im Schuhgeschäft muss er dann daran denken, dass er gestern Schneebälle durch das Fenster geschmissen hat. Dabei hatte Mama gerade erst geputzt und war ganz müde. Sie hat fast geweint, als sie die kleinen Pfützen auf dem Parkett gesehen hat und musste lange auf den Knien rumrutschen, um alles wieder trocken zu bekommen. Dabei hat sie mir schon ein paar Mal erklärt, warum ich nicht auf die Balkontüren zielen soll. Abends war sie ganz geschafft und irgendwie traurig. Die Schuhe waren schnell gekauft und es ging wieder nach Hause.
Am späten Nachmittag fährt Florian mit seinem Vater noch in einen Baumarkt. Das macht er immer gerne, weil er manchmal eine Kleinigkeit abstaubt. Einen kleinen Schraubenzieher oder neue Arbeitshandschuhe.
Als er den Nikolaus entdeckt, kann er sich ein Stöhnen nicht verkneifen. "Was ist denn?"
"Geh doch hin, ich glaube, er hat kleine Maßbänder zu verteilen!"
Also geht Florian doch hin. Das will er sich nicht entgehen lassen. Der Nikolaus greift schon in seinen großen Jutesack, als Florian näher kommt. Florian beäugt den Baumarkt-Nikolaus kritisch und denkt: "Jetzt fragt er gleich wieder so doof. Der hat sogar Turnschuhe an. Der hat sich bei der Verkleidung ja nicht gerade angestrengt."
"Bist du auch brav gewesen?" kommt tatsächlich die erwartete Frage.
"Jaja", beteuert Florian, grabscht sich das Maßband und setzt seinen Einkauf mit dem Vater fort.
Während er so mit der neuen Errungenschaft spielt und das Band immer wieder rauszieht und hineinsausen lässt, denkt er an das letzte Wochenende. Da hatte sein Vater Geburtstag. Zur Feier des Tages, wollten die Eltern einmal ins Kino gehen. Das tun sie eigentlich nie, weil ja immer einer bei den Kindern sein muss. Diesmal wollten sie eine Ausnahme machen: Florian war inzwischen schon ein Großer. "Sie hatten sich so darauf gefreut", denkt Florian, "Mama hatte sich für Papa schön angezogen und Papa freute sich auf den tollen Film. Warum hab ich mich eigentlich nicht fertig gemacht, als sie mich immer wieder darum gebeten haben? Erst habe ich den Gameboy nicht ausgeschaltet. Dann wollte ich noch die eine Sendung anschauen. Na ja, vielleicht hätte ich richtig Abendbrot essen sollen, dann hätte ich wohl keinen Hunger mehr bekommen. Ich habe so lange rumgemacht, bis sie zu spät dran waren und keine Eintrittskarten mehr bekommen haben. Mama hat ihre neue Hose in die Ecke geknallt und sich wütend die Schminke aus dem Gesicht gewaschen. Papa hat den ganzen Abend über das Fernsehprogramm geschimpft. Er sah gar nicht wie ein Geburtstagskind aus."
Abends kommen die Großeltern. Normalerweise freut sich da Florian immer. Diesmal zieht er sich jedoch in sein Zimmer im ersten Stock zurück.
"Komm runter, Florian!", ruft seine Mutter, "Opa und Omi sind da!"
Florian seufzt und macht sich auf den Weg ins Wohnzimmer.
Seine Oma überrascht die Kinder mit einer Nachricht. "Wir haben noch nichts zum Nikolaus gekauft. Ich dachte, wir fahren jetzt noch einmal in den Supermarkt und ihr könnt euch etwas Leckeres aussuchen."
Florians Schwester hüpft und zählt sofort auf, was sie alles haben möchte. Florian geht zu seinem Opa. Der streicht ihm über den Kopf, was Florian normalerweise nicht so mag.
"Wo du doch so brav warst", meint sein Opa zu ihm.
Florian hockt sich neben seinem Opa auf die Couch. Er lässt den Kopf sinken. Er schluckt. Dann holt er tief Luft: "Eigentlich war ich gar nicht brav. Nicht so richtig zumindest." Und dann erzählt Florian von den Dingen, an die er heute erinnert wurde. Er entschuldigt sich bei jedem und sagt: "Ich weiß nicht, warum ich das immer mache! Es tut mir leid!"
Alle sind still im Raum. Die Mutter schaut entsetzt zum Vater. Florians Oma kullert eine Träne die Backe herunter. Beinahe meint man, die Flöhe husten zu hören, so still ist es.
Der Opa räuspert sich: "Jetzt bin ich aber baff. Dass du so ehrlich bist ... alle Hochachtung! Vielleicht solltest du in Zukunft etwas besser nachdenken, bevor du etwas machst oder?"
Florian nickt verlegen.
"So, und jetzt fahren wir zum Supermarkt. Deine Lieblingsschokolade bekommst du trotzdem. Aber nicht weil du brav warst, sondern zur Feier des Tages, weil du deine Fehler eingestanden und dich entschuldigt hast" Und als sie im Auto sitzen schüttelt der Opa den Kopf und meint zu Florian: "Da hast du heute anscheinend einen ganz besonderen Nikolaus getroffen!"
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