Eugen warf einen Blick auf den schlummernden Greis. »Mein Freund«, sagte er, »verfolge das bescheidene Lebensziel, mit dem du dich zu begnügen gedenkst. Ich lebe in einer Hölle, und ich kann aus ihr nicht heraus. Glaube alles, was man Schlechtes über die große Gesellschaft sagt, alles! Es gibt keinen Juvenal, der dieses unter Gold und Edelsteinen verborgene Grauen malen könnte.«
Am folgenden Tage wurde Rastignac gegen zwei Uhr nachmittags geweckt. Bianchon war gezwungen, das Haus zu verlassen, und bat ihn, beim Vater Goriot, dessen Zustand sich während des Morgens verschlimmert hatte, zu wachen.
»Der Alte hat keine zwei Tage mehr, vielleicht nur noch sechs Stunden zu leben«, sagte er, »aber wir müssen weiter gegen sein Leiden ankämpfen. Wir werden Medikamente geben müssen, die sehr teuer sind. Unsere Krankenpflege werden wir gern weiter durchführen, aber ich habe keinen Sou. Ich habe seine Taschen umgewendet und seine Schubfächer durchsucht. Null in höchster Potenz. Als er einen Moment bei Besinnung war, habe ich ihn gefragt; er sagte mir, daß er keinen Heller habe. Und was hast du?«
»Ich habe noch 20 Francs«, erwiderte Rastignac. »Aber ich werde spielen gehen, ich muß gewinnen.«
»Und wenn du verlierst?«
»So werde ich bei seinen Schwiegersöhnen und Töchtern Geld fordern.«
»Und wenn sie dir keins geben?« fuhr Bianchon fort. »Aber was im Augenblick am meisten drängt, ist nicht das Geld: Der Alte muß von den Füßen bis zur Mitte der Schenkel in einen kochend heißen Senfumschlag gewickelt werden. Wenn er schreit, ist Hoffnung vorhanden. Du weißt ja, wie man das anstellt. Übrigens wird dir Christoph helfen. Ich selbst gehe zum Apotheker, um für die Medikamente, die wir entnehmen, zu bürgen. Leider kann der Alte nicht in mein Hospital transportiert werden, er wäre dort besser aufgehoben. Also ich übergebe dir die Wache, verlaß ihn nicht, bevor ich zurückkomme.«
Die beiden jungen Leute gingen in das Zimmer, in dem der Greis lag. Eugen war entsetzt über die Veränderung in dem verzerrten, weißen, eingefallenen Gesicht.