"Gelungener Versuch mit Telegraf September vier 1837" - der Wortlaut der ersten von Samuel Morse übermittelten Telegrafenbotschaft. Das Gerät revolutionierte die Telekommunikationstechnik - und die Sprache.
"Die Welt ist verändert, seit es möglich ist, in Paris gleichzeitig zu wissen, was in Amsterdam, Moskau und Neapel und Lissabon in derselben Minute geschieht."
In seiner Erzählung "Das erste Wort über den Ozean" schwärmt Stefan Zweig von der Telegrafie, die, wie er richtig anmerkt, die Welt verändert hat. Was sich auf diesem Gebiet noch alles tun sollte, konnte Zweig nicht ahnen. Sein Text erschien 1927, da war die Telekommunikation, jedenfalls aus heutiger Sicht, noch eher schwach entwickelt - obwohl ihre Anfänge schon fast ein Jahrhundert zurücklagen: In den 1830er-Jahren hatten wackere Tüftler damit begonnen, die Möglichkeiten des Elektromagnetismus zur Weitergabe von Signalen zu nutzen.
Lieber Gruß, Gute Nacht - Ihr Elektromagnet!
Einer von ihnen war Samuel Morse. Er konstruierte ein Gerät, mit dessen Hilfe er Nachrichten über mehrere Kilometer hinweg versenden konnte. Durch das Drücken einer Taste wurde ein Stromkreis geschlossen; daraufhin setzte beim Empfänger ein Elektromagnet, der über einen Draht mit dem Sender verbunden war, einen Schreibstift in Bewegung. Der zeichnete, sobald er von dem Magneten angezogen wurde, Punkte und Striche auf einen vorbeilaufenden Papierstreifen; Punkte, wenn die Taste kurz, Striche, wenn sie länger niedergedrückt wurde. Die Punkt-Strich-Kombination, die bei der ersten Vorführung des Apparates erschien, bedeutete, in Sprache übertragen: "Gelungener Versuch mit Telegraf September vier 1837."
Hier wird bereits etwas erkennbar, was für die schriftliche Telekommunikation bis auf den heutigen Tag charakteristisch ist: Die knappe, verdichtete Sprache, die keine Rücksicht auf grammatikalische Regeln nimmt und auf jedes Satzzeichen verzichtet. Ihren vorläufigen Höhepunkt hat die Verwendung dieser Sprache mit dem Versenden von SMS-Nachrichten erreicht; da formuliert man keine so komplizierten Sätze mehr wie "Ich wünsche Dir eine gute Nacht", sondern mach schreibt ein G, ein N und eine Acht hin - Gut-n-acht.
Die "lieben Grüße" werden auf ein "lg" eingedampft, und wer zum Ausdruck bringen will, dass etwas nicht ganz ernst gemeint ist, versieht seinen Text mit einem sogenannten Smiley.
Mehr Baumwolle im Text!
Damit hat die Telekommunikation nicht nur die Welt, sondern auch die Sprache verändert. Stefan Zweig konnte darüber offenbar hinwegsehen, sein Schriftstellerkollege Gottfried Keller eher nicht. An einer Stelle seines Romans "Martin Salander" lässt er den Protagonisten ein Telegrammformular ausfüllen und anschließend seiner Frau übergeben: Sie liest den so genannten Blitzbrief und füllt daraufhin ein neues Formular aus. Verwundert liest es Martin Salander, ihr Ehemann.
"Du hast ja gar nichts dazugetan als die Pronomina, den Artikel und einige Präpositionen und dergleichen. Dadurch wird ja ... die Depesche dreimal so teuer!" sagte er, ...
"Ich weiß wohl, es ist vielleicht närrisch", erklärte sie bescheiden; "allein es will mir vorkommen, dass diese kleinen Zutaten die Schrift milder machen, ein wenig mit Baumwolle umhüllen, ... und dafür reut mich die höhere Taxe nicht."
Wie Recht die Frau hatte! SMS umfassen maximal 160 Zeichen; da bleibt kein Platz für die Baumwolle - und das verändert mehr als nur die Sprache.