Helgoland hatte den Deutschen während zweier Weltkriege als Stützpunkt in der Nordsee gegen die Briten gedient. Jetzt sollte Schluss damit sein. Am 18. April 1947 sprengten die Briten die Insel in die Luft.
Tüten sind was Großartiges. Diese braunen Papiertüten, in denen man die Frühstückssemmeln vom Bäcker nach Hause trägt, und wenn sie leer sind, kann man noch die Familie damit erschrecken. Man bläst sie auf, hält vorne zu und haut hinten kräftig drauf. Dann knallt es furchtbar laut, alle fahren zusammen, und man selber bekommt ganz schön geschimpft. Obwohl ja eigentlich nix passiert ist.
Hauptsache, es knallt
Im Grunde ist das genau wie mit dem lieben Gott. Unsere Astronomen glauben, das Universum habe mit einem großen Knall angefangen, dem "Big Bang". Das kann jeder gut verstehen, der schon mal nach dem Frühstück die Familie erschreckt hat. Nur so kann alles angefangen haben, mit einem großen Knall. Und der liebe Gott hat vermutlich auch ganz schön geschimpft gekriegt, weil sie alle so zusammengefahren sind, da oben im Himmel. Aber es ist ja nix passiert.
Jeder mit einem gewissen Sinn für Kultur veranstaltet große Knalle. Egal, ob wir Frühstückssemmelholer, oder Gott, oder der Luftmarschall William Sholto Douglas. Der war nach dem Krieg Oberbefehlshaber der britischen Besatzungszone und hat die "Operation Big Bang" angeordnet. Bei der "Operation Big Bang" handelte es sich um den größten nichtmilitärischen Knall seit Menschengedenken. Er war gegen die Insel Helgoland gerichtet und sollte sie gleichzeitig in die Luft jagen und auf den Grund des Meeres schicken, auf jeden Fall aber auf ewig für militärische Zwecke unbrauchbar machen. In zwei großen Kriegen hatten die Deutschen von Helgoland aus Großbritannien bedroht, und da wollten die Briten jetzt einen Riegel vorschieben. Vom letzten Krieg war die Insel voll ausgestattet mit Luftschutzbunkern, Munitionsstollen und U-Boot-Häfen. In die haben die Briten in monatelanger Arbeit Wasserbomben und Torpedos verbracht, Minen und Granaten, alles, was vom Krieg übriggeblieben war, hat man tonnenweise auf die Insel und in die Bunker gekarrt.
Große Verblüffung
Als Zeitpunkt der Zündung hatte man den 18. April des Jahres 1947, ein Uhr mittags, gewählt. Helgoland war evakuiert worden, die See drumherum zur Gefahrenzone erklärt. Ein Flugzeug umkreiste die Insel, um Fischerboote zu warnen. Auf vier Beobachtungsschiffen warteten über hundert geladene Gäste und Pressevertreter, die Helgoländer selbst hatten sich auf dem Festland versammelt und sahen wehen Herzens hinaus aufs Meer in Richtung Heimat. Dann war, exakt um ein Uhr mittags, ein kleiner Knall zu hören. Das war erst mal ein Vorwarner für die Vögel, damit sie nicht sitzenblieben, wenn's losging, sondern schon mal aufflögen. Dem tierlieben Vorspiel folgte dann das eigentliche Ereignis: ein mächtiges Dröhnen, eine heftige Erschütterung der Lüfte und der See, und um die gesamte Insel erhob sich eine ungeheure finstere Rauchwolke. Als die sich wieder verzogen hatte, sahen die Leute auf den Schiffen, dass Helgoland dastand wie eh und je. Bloß im Südwesten hatte es ein wenig gelitten: Ein kleiner Bereich zwischen den Felsen oben und dem Strand unten war abgesackt und bildete jetzt eine neue Mittelstufe. Aber sonst war alles wie gehabt.
Geologen fanden später heraus, wieso. Die Insel besteht aus sehr weichem Gestein, das nicht auseinanderbrach, sondern den Druck der Sprengung einfach abfederte. Die Engländer waren zwar einigermaßen verblüfft, dass so ein großer Knall nicht mehr ausrichtete, aber Spaß gemacht hatte es doch. Bloß der Luftmarschall Sholto Douglas, der hat vermutlich ganz schön geschimpft gekriegt. Weil: Schließlich war ja fast überhaupt nix passiert.