Höher, schneller, weiter meint mitunter auch ein ganzes Stück gefährlicher. Zumindest am Anfang sind sie sich die Konstrukteure des gasangetriebenen Rover Jet 1 in Sachen Sicherheit… unsicher. Autor: Hellmuth Nordwig
Das ist noch echter Lärm! Dagegen ist das Singen der Formel-1-Wagen eindeutig etwas für Weicheier. Obwohl, Gehörschutz trägt auch der Fahrer, der auf Youtube seinen Nachbau des "Rover Jet 1" vorführt. Der Pilot, könnte man ebenso gut sagen. Dieser Jet 1, das war nämlich das erste Auto mit Flugzeugantrieb. Und genauso klingt es auch. Wie eine startende Turboprop-Maschine. Sichtlich Musik in den Ohren des Bärtigen, der in dem Filmchen sein Gefährt mit Flugzeug-Sound durchs herbstliche Weinviertel lenkt.
Satter Sound
Entworfen haben dieses Modell Ingenieure der englischen Firma Rover. Die hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts Automobile gebaut. Während des Zweiten Weltkriegs produziert sie dann Flugzeuge für die Airforce. Das ist zwar nur ein kurzes Intermezzo, aber die Gasturbinenmotoren der Flugzeuge lassen fortan auch die Autobauer nicht los. Da steckt Power drin, die man hört - und die wollen wir in einem Auto auch haben, beschließen die Entwickler.
Mit einem Automotor hat eine Gasturbine aber nicht viel gemeinsam. Die besteht aus Schaufelrädern, die sich enorm schnell drehen. Dabei müssen sie Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius aushalten. Bei normalen metallbauteilen fliegen da nach kürzester Zeit die Fetzen. Aber geeignete Speziallegierungen sind rar nach dem Zweiten Weltkrieg. Außerdem hat noch nie zuvor jemand eine Turbine gebaut, die in ein Auto passt. Echte Flugzeugpower auf engstem Raum, und das mit minderwertigem Material - anfangs ist das nichts anderes als Russisches Roulette. Für die ersten Tests rekrutieren die Ingenieure denn auch lieber ledige Freiwillige. Eine gute Idee, wie die Versuchsprotokolle zeigen: "Motor explodiert", heißt es dort nicht nur einmal.
Gefährliche Fahrt
Nach ein paar Jahren ist es dann endlich soweit. Zwar müssen die Konstrukteure die Rücksitze des Autos opfern, um ihre Mini-Turbine unterzubringen. Dafür bauen sie ein Armaturenbrett wie im Flugzeugcockpit ein. Es ist ein schnittiges silbergraues Gefährt, das die Ingenieure höchstpersönlich Probe fahren. Am 8. März 1950 führen sie den Rover Jet 1 zum ersten Mal der Presse vor. Akribisch notieren die Journalisten: Von null auf hundert in 14 Sekunden! Spitzengeschwindigkeit 85 Meilen, 136 Kilometer in der Stunde! Und der Lärm: Er sei "weder exzessiv noch unangenehm". In der Tat zeigen Fotos, dass die Testfahrer, durch keinerlei Kopfbedeckung beeinträchtigt, sich ganz dem Fahrtwind und dem süßen Klang der Turbine hingeben.