Der Kampf für die Rechte von Afroamerikanern in den USA ist auf dem Höhepunkt, als es bei einer Demonstration in Alabama zu folgenreichen Ausschreitungen kommt - am "Bloody Sunday". Autorin: Ulrike Rückert
Abends waren die Bilder in ganz Amerika in den Fernsehnachrichten zu sehen: Ein Protestzug überquert eine Brücke, in Zweierreihen auf dem Bürgersteig. Am anderen Ende stehen Polizisten mit Helmen und Gasmasken, Knüppel in den Händen. Eine Aufforderung durchs Megaphon: Geht nach Hause! Da laufen die Polizisten schon los, stoßen die Menschen in den vorderen Reihen. Die Demonstranten machen kehrt, beginnen zu laufen, etliche stürzen. Polizisten prügeln auf sie ein. Zischend breiten sich Tränengaswolken aus. Eine Frau wird geschlagen, taumelt, fällt, rafft sich auf, läuft weiter. Ein Polizist schlägt ihr noch einmal mit dem Stock auf den Kopf, dann ein zweiter und noch ein dritter. Eine andere Frau liegt bewusstlos auf der Straße.
Was am 7. März 1965 in Selma, Alabama geschah, wurde schnell als "Bloody Sunday" bekannt. Amerika war schockiert.
Die Gewalt nimmt zu
1965 war der Kampf für die Rechte der Afroamerikaner auf dem Höhepunkt. Die Bewegung hatte große Erfolge erreicht: Martin Luther King hatte den Friedensnobelpreis erhalten, Urteile des Obersten Bundesgerichts und ein Bürgerrechtsgesetz hatten die Rassentrennung aufgehoben. Doch in den Südstaaten stieß das auf erbitterten Widerstand und brutale Gewalt.
Afroamerikaner waren auch deshalb machtlos, weil ihnen das Wahlrecht verweigert wurde. In Selma, einer Kleinstadt in Alabama, war die Mehrheit der Bürger schwarz, doch von fünfzehntausend erwachsenen Afroamerikanern waren keine hundertfünfzig als Wähler zugelassen. Dagegen kämpfte eine Gruppe von Bürgerrechtlern seit Jahren vergeblich. Anfang 1965 kam Martin Luther King nach Selma, um die Proteste anzuführen. Ein Richter erließ ein Versammlungsverbot für Afroamerikaner – verfassungswidrig. Dreitausend wurden in wenigen Wochen verhaftet.
Als ein Polizist in einer Nachbarstadt einen schwarzen Demonstranten erschoss, beschlossen die Aktivisten in Selma einen Protestmarsch nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama. Doch als sie am 7. März aufbrachen, kamen sie nur bis zur Brücke am Stadtrand.
Bürgerrechtsbewegung nicht zu stoppen
Schon am nächsten Tag strömten Sympathisanten aus dem ganzen Land nach Selma. Präsident Lyndon Johnson verurteilte die Polizeigewalt und versprach ein Wahlrechtsgesetz, das Diskriminierungen beseitigen würde. Der Marsch nach Montgomery fand Ende März tatsächlich statt. Ein Gericht hatte nur dreihundert Teilnehmer zugelassen. Sie waren vier Tage unterwegs. Am Stadtrand von Montgomery empfingen sie Stars wie Harry Belafonte, Sammy Davis Jr, Mahalia Jackson und Joan Baez mit einem Konzert. Am nächsten Tag zogen fünfundzwanzigtausend Menschen mit ihnen zum Sitz der Staatsregierung. Martin Luther King hielt eine Rede. Der Gouverneur von Alabama weigerte sich, eine Petition entgegenzunehmen. Er war gewählt worden für das Versprechen: "Rassentrennung jetzt, morgen und für immer".
Zwei der Unterstützer, die von weither angereist waren, bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben: Rassisten ermordeten einen Pfarrer aus Boston und eine Hausfrau aus Detroit, beide weiß.