Live in der Haftanstalt San Quentin State Prison aufgenommen, hielt sich Johnny Cashs Album 20 Wochen auf Platz 1der Billboard Country Album Charts. Autor: Frank Halbach
"Das hier ist kein Ort, an dem Musik gedeiht." Merle Haggard sitzt Ende der 1950er wegen Einbruchs drei Jahre hinter Gittern. Nicht irgendwo. "Das hier ist die brutalste Haftanstalt Kaliforniens. Sie haben sie für 3 317 Häftlinge gebaut, aber sie ist immer überfüllt." Staatsgefängnis San Quentin. "Do you think I'll be different when you're through?" - "San Quentin, glaubst du, ich habe mich gebessert, wenn du mit mir fertig bist?" Miserable Haftbedingungen, keine Perspektiven. Doch ein Event unterbricht die trübe Ödnis des Knastalltags: Ein Gefängniskonzert. Es ändert Merle Haggards Leben. Nach seiner Entlassung wird er Countrysänger und Songwriter.
The Man in Black
"Strafgefangene sind das beste Publikum der Welt", sagt der Mann, dessen Auftritt Merle Haggard dazu bringt, neu anzufangen und Musiker zu werden. Der Sänger, der Haggard inspiriert, pflegt sein Image als Gesetzloser, auch wenn seine eigene "kriminelle Karriere" eher bescheiden ist: ein bisschen Tablettenschmuggel aus Mexiko, ein Großbrand - 250 Hektar Wald werden vernichtet, weil der Auspuff seines Wohnmobils "defekt" ist.
Man nennt ihn den "Man in Black", sein Name: Johnny Cash. Er produziert ein Live-Album aus der Haftanstalt Folsom Prison und am 24. Februar 1969 kommt er bereits zum vierten Mal in den ältesten Knast Kaliforniens, sein zweites Live-Album aus einem Gefängnis: "Live At San Quentin“. Der Auftritt vor den Häftlingen bedeutet Johnny Cashs internationalen Durchbruch. Der britische Fernsehsender "Granada Television" schneidet das Konzert mit. Die großen Sendeanstalten senden das aber erst mal nicht - Cashs Aussagen erscheinen… nun ja: "zu gesellschaftskritisch".
San Quentin may you rot and burn in hell
"San Quentin, jeden einzelnen Inch an dir hasse ich, du machst mich fertig, du schlägst mir eine Narbe nach der anderen, aber wenn ich hier rauskomme, werde ich noch gerissener sein und noch labiler. Warum verstehen Sie das nicht, Herr Abgeordneter? - San Quentin, verrotte und brenn in der Hölle!"
So singt er in seinem Song "San Quentin". Er hat ihn am Nachmittag vor dem Konzert über seine Eindrücke im Gefängnis geschrieben - sagt Cash. Zwischenrufe und Kommentare des Auditoriums begleiten jede Zeile des Songs. Cash hat die Häftlinge auf seiner Seite, nicht zuletzt weil er sich Witze über das Wachpersonal erlaubt. Aber die Atmosphäre kocht nicht hoch, wird nicht gewalttätig, sondern bleibt stattdessen verblüffend entspannt.
Cashs Gefängniskonzerte - Selbstvermarktung? Kommerz? Der" Man in Black" setzte sich über Jahre für die Rechte der Gefangenen ein, engagierte sich für einen humaneren Strafvollzug, diskutierte mit verschiedenen US-Präsidenten, sprach vor dem Justizausschuss des Senats. Cash meinte, der Sinn eines Gefängnisses sei "Besserung" und Resozialisierung.
"Hör auf den Berg runter zu rollen, wie ein Schneeball, der an die Hölle adressiert ist!“ sagt der Ex-San-Quentin-Insasse und dreimalige Grammy-Gewinner Merle Haggard. Und einer der Häftlinge des "Live At San Quentin"-Konzerts erklärt, die Gefangenen würden Cash nicht wegen seiner Witze über die Wärter lieben, sondern "weil er echt ist - wir merken sofort, wenn einer ein falscher Fuffziger ist!“